Nach Feierabend gleich weiter zum zweiten Job – für 57 000 Menschen oder jeden zehnten Beschäftigten in Unterfranken ist das Realität. Zu rund 90 Prozent bessern sich die Mehrfachjobber ihr Gehalt mit einem Minijob auf 450-Euro-Basis auf.
„Die Zweitjobs sind vor allem Büroarbeiten, Jobs im Handel, in Hotels und Gastronomie und im Gesundheitswesen“, sagt Enzo Weber, Professor für Empirische Wirtschaftsforschung an der Universität Regensburg und Leiter des Forschungsbereichs „Prognosen und Strukturanalysen“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. „Die Minijobs haben für Angestellte den Vorteil, dass sie dabei keine Steuern oder Sozialabgaben zahlen müssen“, sagt er.
Mehrfachbeschäftigung ist keine neue Entwicklung
Seit 2004 ist die Zahl der Mehrfachbeschäftigten in Unterfranken um knapp 60 Prozent gestiegen, zeigt eine Auswertung der Bundesagentur für Arbeit. Bundesweit ist die Zahl der Mehrfachbeschäftigten sogar noch stärker gestiegen: Von 1,4 Millionen im Jahr 2004 auf 2,5 Millionen in 2015 – ein Plus von fast 80 Prozent. Dies ergab eine Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit im Auftrag der Linken-Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann.
„Die Zahl der Menschen mit Zweitjobs steigt seit langer Zeit“, sagt Enzo Weber. „Vor allem 2003 gab es mit den Hartz-Reformen einen großen Schub.“ Seitdem gibt es eben diese steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vergünstigungen für Mini- und Midijobs mit einem Gehalt bis 850 Euro.
Geld ist nicht der einzige Grund
Gleichzeitig ist der Anteil der Menschen gestiegen, die auch jenseits der 65 noch arbeiten gehen, so eine Auswertung von „7 Jahre länger“, einer Initiative der Deutschen Versicherer. Demnach hat sich seit dem Jahr 2000 der Anteil der 65- bis 70-Jährigen, die noch erwerbstätig sind, bundesweit verdoppelt.
Bayern liegt dabei mit einem Anteil von rund 18 Prozent über dem Bundesdurchschnitt von 16,6 Prozent. Im Jahr 2000 haben noch bundesweit acht Prozent, bayernweit 10 Prozent der 65- bis 70-Jährigen gearbeitet. Wie auch bei den Zweitjobs bessern sich die meisten von ihnen ihre Rente mit einem Mini-Job auf.
„Für immer mehr Beschäftigte reicht ihr Einkommen aus einem Job nicht aus, und sie müssen sich mit einem Mini-Job etwas dazu verdienen“, erklärte die Abgeordnete Sabine Zimmermann den massiven Anstieg der Mehrfachbeschäftigten in Deutschland.
Enzo Weber sieht das etwas anders: „Das Geld ist normalerweise schon der Hauptgrund für die Mehrfachbeschäftigung“, sagt er. „Allerdings ist hier die Frage, ob die Menschen unbedingt auf einen Zweitjob angewiesen sind.“ Denn die Arbeitszeit im Hauptberuf zugunsten eines Nebenjobs zu reduzieren, kann sich lohnen: „Ein Minijob als Nebenbeschäftigung ist durch die steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Begünstigungen deutlich attraktiver, als im Hauptberuf die Stunden aufzustocken.“
Begünstigung von Mini- und Midijobs
Auch für die erwerbstätigen 65- bis 70-Jährigen sind Geld und die Anhebung des Rentenalters nur zum Teil das Motiv für das Arbeiten. Andere – wichtigere – Gründe sind laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung Spaß an der Arbeit und menschliche Kontakte.
Einzig von der Rentenversicherungspflicht sind die Minijobber nicht automatisch entbunden, eine schriftliche Erklärung an den Arbeitgeber reicht laut Minijob-Zentrale hierfür aber aus. „Mehrfachbeschäftigte zahlen ihre Rentenbeiträge in der Regel ohnehin im Hauptberuf und nicht im Minijob ein“, so Weber.
Einen sozialversicherungspflichtigen Zweitjob haben nur rund zehn Prozent der Mehrfachbeschäftigten in Unterfranken. Auch das kann finanziell attraktiver sein, als die entsprechende Zeit im Hauptjob zu arbeiten: Bei den sozialversicherungspflichtigen Midijobs steigen die Beiträge langsam an, erst ab 851 Euro monatlich müssen Arbeitnehmer die kompletten Steuer- und Versicherungsbeiträge entrichten.
„Integration findet am Hauptarbeitsplatz statt“
„Die Politik muss sich überlegen, ob es der richtige Weg ist, gerade Minijobs so stark zu subventionieren“, sagt Enzo Weber. „Sie stellen keine substanziell nachhaltige Beschäftigung dar. Ursprünglich war der Anreiz der Hartz-Reformen, Beschäftigung im Allgemeinen zu stärken – was ja auch geklappt hat. Die Zahl der Minijobs ist dabei aber überproportional gestiegen.“ Um Geringverdienende stärker zu entlasten, sei es sinnvoller, am ersten Job anzusetzen, so Weber. „Integration findet am Hauptarbeitsplatz statt.“