Wer in der Autoindustrie seine Stelle behält, muss sich darauf einstellen, dass die Zeiten kräftiger Lohnerhöhungen vorbei sind. Konzerne und Hersteller haben über ihren Verband der Automobilindustrie (VDA) schon einmal ausrichten lassen, dass die Tarifverhandlungen rau werden. „Deutschland weist im internationalen Vergleich die höchsten Arbeitskosten in der Automobilindustrie auf“, mahnte der scheidende VDA-Chef Bernhard Mattes am Mittwoch in Berlin. „Ich bin überzeugt, dass dieser Aspekt in der kommenden Tarifrunde eine Rolle spielen wird“, legte er nach. Nach den Zahlen des Verbandes liegen die Arbeitskosten im Schnitt bei 54 Euro pro Stunde. Der aktuelle Tarifvertrag läuft Ende März 2020 aus.
In den nächsten Jahren werden in den Fabriken tausende Arbeitsplätze wegfallen. Audi, Daimler, Bosch und Conti haben bereits schmerzhafte Einschnitte angekündigt. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Der VDA rechnet damit, dass bis 2030 allein bei der Fertigung von Benzin- und Dieselmotoren über die gesamte Branche 70 000 Stellen wegfallen.
Die Schlüsselindustrie krankt an drei Gebrechen. Die weltweite Nachfrage sinkt, die Unternehmen verunsichert der von US-Präsident Donald Trump vom Zaun gebrochene Handelsstreit und die Umstellung auf Elektro-Autos kostet viel Geld. „Diese Dinge finden nicht hintereinander statt, sondern zugleich“, erklärte Mattes.
Düster gerät sein Blick auf den Weltmarkt. Im nächsten Jahr werden nach der Schätzung des Autoverbandes vier Millionen Pkw weniger zusammengeschraubt werden. Der Rückgang um fünf Prozent auf 80 Millionen Wagen sei schärfer als während der Finanzkrise vor zehn Jahren. Sowohl China als auch die USA und Europa schwächeln. „Da braucht man nichts beschönigen. Wir haben keinen großen Markt, der die anderen rausreißt“, warnte der VDA-Präsident.
Im Mutterland des Automobils führt das dazu, dass die Nachfrage für drei große Werke fehlt. In den vergangenen beiden Jahren sank die Produktion um fast eine Million auf 4,7 Millionen Fahrzeuge. „In vielen Unternehmen ist die Anspannung zu spüren“, beschreib Mattes die Stimmung.
Um dem Abstieg etwas entgegenzusetzen, verlangt die Autolobby von der Bundesregierung niedrigere Steuern, geringere Strompreise und keine weitere Verschärfung der Klimaschutz-Auflagen. Bei den Autobauern und ihren Zulieferfirmen arbeiten 835.000 Mitarbeiter. Nach jahrelangem Stellenaufbau geht es jetzt bergab. Wegen des Dieselskandals und Fahrverboten in Innenstädten ist die Politik zurückhaltender als früher, sich schützend vor die Unternehmen zu stellen. Mattes hatte es deshalb schwerer als seine Vorgänger, die Interessen in Berlin durchzusetzen. Deshalb muss er seinen Posten räumen. Im Februar übernimmt die CDU—Politikerin Hildegard Müller den Chefsessel. Sie arbeitete zuletzt im Vorstand des Energieversorgers Innogy. Sie gilt als Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), diente einst als Staatsministerin im Kanzleramt.