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Würzburg/Hamburg: Brexit und Lebensversicherungen: Experten schlagen Alarm

Würzburg/Hamburg

Brexit und Lebensversicherungen: Experten schlagen Alarm

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    Der Brexit könnte hierzulande gravierende Folgen für Kunden von britischen Lebensversicherungen haben (Symbolbild).
    Der Brexit könnte hierzulande gravierende Folgen für Kunden von britischen Lebensversicherungen haben (Symbolbild). Foto: Jens Büttner, dpa

    Noch zerbrechen sich Scharen von Politikern die Köpfe, auf welche Weise die Briten am 29. März die EU verlassen werden. Egal, ob hart oder geregelt: Der Brexit kann hierzulande für Kunden von britischen Lebensversicherungen zur finanziellen Katastrophe werden. Und scheinbar sind sich auch in Mainfranken viele Kunden darüber nicht im Klaren.

    Der Knackpunkt: Standard Life, Clerical Medical oder Aviva sind in Deutschland große Anbieter von Lebensversicherungen, haben ihren Sitz aber auf der britischen Insel. In Folge des Brexits könnten diese Gesellschaften ihr Wirkungsrecht in der EU verlieren. Die auf Euro ausgestellten Verträge zum Beispiel mit deutschen Kunden wären dann lahmgelegt, das meist für die Altersversorgung angesparte Geld dann weg.

    Es geht um Milliarden Euro

    Nach Darstellung der Würzburger Verbraucherschützerin Judit Maertsch geht es allein bei Standard Life um 150 000 deutsche Versicherte mit Policen im Gesamtwert von 2,5 Milliarden Euro. Das Problem fange schon damit an, "dass viele gar nicht wissen", dass ihre Lebensversicherung eine britische ist.

    Schlägt Alarm: Judit Maertsch, Finanzberaterin beim Verbraucherservice Bayern in Würzburg.
    Schlägt Alarm: Judit Maertsch, Finanzberaterin beim Verbraucherservice Bayern in Würzburg. Foto: Silvia Gralla

    Kunden dieser Gesellschaften rät Maertsch dringend, ihre Verträge überprüfen zu lassen. Unter Umständen komme eine Kündigung oder ein Widerruf in Frage. Das Problem: Kündigungsfristen seien meistens längst abgelaufen. Denn der Brexit ist schon in gut sechs Wochen. "Die Zeit ist ein riesiges Problem", so die Finanzexpertin im Verbraucherservice Bayern - einem nach eigenen Angaben anbieterunabhängigen Verband im Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB).

    Auch Verbraucherzentrale ist alarmiert

    Alarm schlagen indes auch andere Organisationen. So rät die auf Versicherungsfragen spezialisierte Verbraucherzentrale Hamburg, britische Policen von Experten prüfen zu lassen. Ähnliche Tipps kommen von der Stiftung Warentest, wenngleich mit gemäßigtem Ton: "Es besteht kein dringender, kurz­fristiger Hand­lungs­bedarf", ist in einem Online-Ratgeber von  "Test" zu lesen.

    Noch undurchsichtiger als eh schon ist die Situation dadurch geworden, dass zum Beispiel Standard Life eine Verlagerung von deutschen Verträgen in eine irische Tochtergesellschaft anstrebt. Damit wären die Policen gerettet, denn  Irland bleibt in der EU. 

    Die Zeit wird knapp

    Ob diese Verlagerung in der Kürze der Zeit klappt, ist unklar. Darüber müsse unter anderem noch ein schottisches Gericht entscheiden, teilte Standard Life mit Sitz in Edinburgh mit. Die abschließende Verhandlung werde am 19. März sein.

    Geht die Verlagerung der deutschen Verträge nach Irland durch, dann verlieren diese Kunden den Insolvenzschutz des britischen Entschädigungsfonds "Financial Services Compensation Scheme" (FSCS), so die Verbraucherzentrale Hamburg und die Würzburger Finanzexpertin Maertsch übereinstimmend. Der FSCS springe ein, wenn Standard Life pleite geht. In Irland gebe es hingegen keinen vergleichbaren Insolvenzschutz.

    "Die Verunsicherung der betroffenen Verbraucher ist groß."

    Finanzexpertin Judit Maertsch (Würzburg).

    Dennoch sieht der Würzburger Anwalt Wulf Viola eine Verlagerung der Standard-Life-Verträge nach Irland "eher positiv als negativ".  Auch er wisse nicht, wie die Sache ausgeht und was der Brexit letztendlich mit Blick auf Lebensversicherungen bringen wird.

    "Ich habe nicht den Eindruck", dass die Kunden in Deutschland den Ernst der Lage erkennen, sagte Viola auf Anfrage. Immerhin gehe es bei solchen Versicherungen in der Regel um mehrere zehntausend Euro. "Wenn`s blöd läuft", sei das angelegte Geld so gut wie weg oder nur langwierig über Zivilklagen von den britischen Versicherungen zurückzuholen.

    Rät dazu, jeden Versicherungsvertrag einzeln zu prüfen: Rechtsanwalt Wulf Viola, Würzburg.
    Rät dazu, jeden Versicherungsvertrag einzeln zu prüfen: Rechtsanwalt Wulf Viola, Würzburg. Foto: Thomas Obermeier

    Kündigung, Widerruf, Nichtstun: Den goldenen Weg für Versicherte kennt auch Viola nicht. Jeder Einzelfall "ist differenziert zu sehen" und müsse gesondert geprüft werden. Es gebe dabei "einen bunten Strauß an Varianten".

    Anwalt: Nicht die Kunden melden sich, sondern die Makler

    Seine Kanzlei habe derzeit 75 Verfahren rund um Lebensversicherungen laufen, der Schwerpunkt liege bei jenen mit britischen Anbietern. Hinzu kämen gut 100 Anfragen in dieser Hinsicht, weil vor allem Versicherungsmakler hellhörig geworden seien - nicht aber die Kunden selbst.

    Dieses kollektive Wegschauen hat auch Verbraucherschützerin Judit Maertsch beobachtet. Andererseits "ist die Verunsicherung der betroffenen Verbraucher groß - und das zu Recht".

    Rat und HilfeUm Licht ins Dunkel der britischen Lebensversicherungen zu bringen, bietet die Verbraucherzentrale Hamburg von 18. bis 25. Februar eine kostenpflichtige Sonderberatung für Kunden von Standard Life an - auch auf schriftlichem Weg. Bedingungen und weitere Einzelheiten unter www.vzhh.de oder unter Telefon (040) 2 48 32-107.Auch der Verbraucherservice Bayern in Würzburg bietet Beratung zum Thema an: Telefon (09 31) 30 50 80 oder wuerzburg@verbraucherservice-bayern.de.

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