Der Verkaufsschlager des Finanzberater-Imperiums war die „Securente“ – ein Name, der Kunden Sicherheit vortäuschte. In Wahrheit handelte es sich um ein hochriskantes Anlagemodell, in das sie ihr Geld investieren sollten. Ein Großteil floss in unternehmerische Beteiligungen, die sich als Flop erwiesen. Man verpulverte Millionen im Fußballverein Tennis Borussia Berlin, der in die Champions League wollte. Auch der Kauf der Partin-Bank aus Bad Mergentheim (Lkr. Main-Tauber) erwies sich als Pleite – das Geldhaus wurde von der Finanzaufsicht geschlossen.
Allein bei der Hauptgesellschaft der Gruppe, der Securenta AG, gibt es 160 000 Gläubiger, 250 000 sind es bei der Göttinger Gruppe (GG) insgesamt. Das Insolvenzverfahren war im Juni 2007 eröffnet worden, nachdem das Unternehmen zuvor immer vehementer die Kritik von Verbraucherschützern auf sich gezogen hatte. Sie warnten, das riskante Geschäftsmodell bringe die dort investierten Gelder in Gefahr.
„Private Altersvorsorge verloren“
Die Kritiker sehen sich nun bestätigt. Von einem „schwarzen Tag für die Opfer“ sprach der Chef des Deutschen Instituts für Anlegerschutz (DIAS), Volker Pietsch, am Dienstag in Berlin. „Die Anleger haben ihre gesamte private Altersvorsorge verloren.“ Schlimmer noch: Da sich die Anleger vielfach zu einer Ratenzahlung über bis zu 40 Jahre verpflichtet haben, dürfte der Insolvenzverwalter von ihnen weitere Zahlungen bis zur vollen Höhe des gezeichneten Betrages verlangen, obwohl sie davon wohl keinen Cent wiedersehen. In einem ähnlichen Fall – bei der Würzburger „Euro-Gruppe“ – hatte Insolvenzverwalter Bruno Fraas vor kurzem darauf verzichtet. Die Folge: Er mied jahrelange Prozesse, die Investoren sahen wenigstens einen kleinen Teil ihres Geldes wieder.
Nach langem Zögern ermittelt inzwischen die Braunschweiger Staatsanwaltschaft wegen Untreue und Insolvenzverschleppung gegen Köpfe des Unternehmens – „viel zu spät“, wie Verbraucherschützer meinen. Laut Insolvenzverwalter Peter Knöpfel sind von rund 900 Millionen Euro an Anleger-Geldern nur noch eine Million auf den Konten. Bereits vor Wochen hatte der Insolvenzverwalter mitgeteilt, dass die liquiden Mittel nicht einmal mehr dafür ausreichten, um einen Informationsbrief an die Opfer zu senden.
Arm in Arm mit hohen Politikern
Und was unter Gläubigern besonders für Kritik sorgte: Obwohl Verbraucherverbände vor der Gruppe warnten, warben namhafte Politiker für das Unternehmen, so etwa Gerhard Meyer-Vorfelder, der sie als Sponsor für die Trikotwerbung des VfB Stuttgart gewann. Die Göttinger Gruppe war in der Ära Helmut Kohl mehrfach Sponsor für das Kinderfest im Bundeskanzleramt. Der Verkaufsprospekt der Gruppe wies auch Fotos auf, auf denen sich die GG-Initiatoren Jürgen Rinnewitz und Erwin Zacharias mit Helmut Kohl, Ex-Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und dem FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff abbilden ließen. „Die Chefs der Göttinger Gruppe sonnten sich im Schutz höchster politischer Kreise; das schaffte bei den Investoren Vertrauen und zog weitere Zehntausende Anleger in den Ruin“, sagt DIAS-Chef Pietsch.
Nur unter dem Einfluss der Politik sei es der Göttinger Gruppe möglich gewesen, über eine so lange Zeit Gelder in Milliardenhöhe „abzukassieren“, sagt er und spricht vom „größten politisch mit zu verantwortenden Anlageskandal der Nachkriegsgeschichte“. Dieses umso mehr, als das Anlageprodukt „Securente“ jahrelang steuerrechtlich von Vater Staat über so genannte Verlustzuweisungen gefördert wurde.