Apple tut es. Amazon, Google, Facebook, Starbucks und McDonalds ebenso: Sie vermeiden Steuern und nutzen dafür alle legalen Tricks. Europas Mitgliedstaaten waren über viele Jahre willige Helfer, wenn es darum ging, Lücken in den nationalen Gesetzen kreativ auszunutzen. Allein der amerikanische Computer-Konzern mit dem angebissenen Apfel sorgte mit Hilfe niederländischer und irischer Freiräume dafür, dass seine in den USA fälligen Abgaben von 35 Prozent auf 1,9 Prozent sanken. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Die EU-Kommission präsentiert an diesem Donnerstag ihren Lösungsvorschlag. So sollen Unternehmen nicht mehr länger ihre Töchter in Ländern mit niedrigen Abgabensätzen durch überhöhte Zinszahlungen anfüttern dürfen.
Maximal 30 Prozent des Gewinns oder eine Million Euro können künftig weitergeleitet werden. Wer seine Filialen in außereuropäischen Drittstaaten mit Zahlungen aufpäppelt, hat eine „Exit-Steuer“ zu entrichten. Außerdem werden im Ausland erzielte Gewinne bei der Besteuerung einbezogen. Und wer in einem EU-Land mit niedrigen Sätzen Steuern gezahlt hat, muss damit rechnen, in seinem Hauptsitzland mit Nachforderungen des Finanzamtes konfrontiert zu werden.
Der pikanteste Punkt wird wohl der jährlich zu erstellende „Country-by-Country-Report“: Alle multinationalen Konzerne ab einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro, die unter die Neuregelung fallen, sollen nämlich genau auflisten, in welchem Land sie wie viel Gewinn gemacht haben und wie hoch die abgeführten Steuern waren. Umstritten ist allerdings noch, ob diese Berichte nur den nationalen Finanzbehörden und der Brüsseler EU-Kommission bekannt gemacht oder auch veröffentlicht werden müssen. „Das kann ein wertvolles Instrument für die nationale Steuerprüfung sein“, betonte der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Burkhard Balz (CDU). Unklarheiten gibt es auch noch bei einem weiteren Neuanfang: Wie soll mit den sogenannten Patentboxen umgegangen werden? Einige EU-Länder wie Großbritannien, Irland und die Niederlande besteuern Einnahmen aus Forschung und Entwicklung deutlich niedriger, was findige Unternehmer nutzten, um ihre Gewinne unter dieser Position zu verstecken. „Das Paket ist ein weiterer wichtiger Schritt für mehr Steuergerechtigkeit“, sagte der sozialdemokratische Sprecher im Sonderausschuss des EU-Parlamentes, Peter Simon, gestern auf Anfrage.
Das Gremium hatte die Steuerabsprachen zwischen Regierungen und Konzernen untersucht. „Jetzt müssen die Mitgliedstaaten Farbe bekennen“, forderte er ebenso wie sein Kollege Balz: „Nun müssen die Finanzminister zeigen, dass sie den Kampf gegen die Steuerflucht ernst meinen.“
Das dürfte tatsächlich der entscheidende Punkt werden. Denn der Vorschlag der Kommission braucht eine einstimmige Mehrheit im Kreis der Kassenwarte. Die aber haben schon mehrfach gezeigt, dass sie allzu weitgehende Forderungen gerne abschwächen. Erst vor wenigen Monaten booteten sie die EU-Kommission bei den Steuervorbescheiden aus. Anstatt die Aufstellungen auch in Brüssel vorzulegen, verständigten sich die Finanzminister auf einen gegenseitigen Austausch. Damit ist eine Prüfung durch eine unabhängige Stelle vom Tisch. „Eine faire Besteuerung von multinationalen Unternehmen“, so Simon, „ist kein Luxus, sondern eine Frage der Gerechtigkeit“. Ob die Mitgliedstaaten das genauso sehen?