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KRONACH: Fernsehträume made in Kronach

KRONACH

Fernsehträume made in Kronach

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    Als die Bilder laufen lernten: In den 30er Jahren begann der Siegeszug des Fernsehens – auch dank Loewe.
    Als die Bilder laufen lernten: In den 30er Jahren begann der Siegeszug des Fernsehens – auch dank Loewe. Foto: Fotos: Loewe

    Die Industriestraße in Kronach ist keine noble Adresse. Waschanlagen, Getränkehändler, die Bratwurst kostet am Kiosk 1,40 Euro. Von hier sollen Fernseher der Premiumklasse kommen? Das Firmengelände von Loewe in der oberfränkischen Kleinstadt wirkt wie eine Ansammlung von Handwerksbetrieben – nicht wie der Ort, an dem die nobelsten Fernseher der Welt gebaut werden.

    Auf jeden Fall sind die Loewe-Geräte made in Kronach Designerstücke – die man auch in Cupertino schätzt. In der kalifornischen Apple-Zentrale wählt man nur ausgesuchte Partner aus, wenn es darum geht, die eigenen Produkte adäquat zu ergänzen. Und so gibt es eine Kooperation mit den Oberfranken: Die bauen Docking-Stationen, mit denen sich von iPhones oder iPods Musik hören lässt.

    Kein Wunder, dass Mitte Mai die Meldung des Online-Dienstes „Apple Insider“, Apple wolle Loewe übernehmen, für Wirbel sorgte. Wohl auch deshalb, weil kurz zuvor Apples chinesischer Zulieferergigant Foxconn eine Kooperation mit dem japanischen Display-Spezialisten Sharp abgeschlossen hatte – Sharp ist seit Jahren Hauptaktionär von Loewe. Die Branche stürzte sich sofort auf das Thema, in den Internetforen wurde wild spekuliert. Folge: Der Kurs der Loewe-Aktie schoss um 37 Prozent nach oben.

    Roland Raithel schüttelt den Kopf. „Das war wirklich nur ein Gerücht“, sagt der Loewe-Sprecher, „wir sind von keiner Seite angesprochen worden“. Es sei aber „ein schönes Kompliment der Branche, anzunehmen, dass wir den Apple-Fernseher mitentwickeln sollen“. Er sehe positive Effekte fürs Image: Die Marke sei weltweit im Gespräch gewesen.

    Weltweite Aufmerksamkeit, das sind sie nicht gewohnt in Kronach. Der Verwaltungsbau aus den 50er Jahren ist schmuck, weit entfernt vom coolen Globalisierungschic, mit dem man sich in der Unterhaltungselektronikbranche gern inszeniert. Loewe ist ein Relikt aus der guten alten Zeit des Fernsehers – aber ein quicklebendiges. Und so haben beide Welten im weitläufigen Werksgelände ihren eigenen Platz. Hier das „Loewe-Museum“, in dem das 1931 vorgestellte erste Fernsehgerät der Welt oder der erste tragbare Fernseher (von 1962) ihren Platz haben. Und dort, nur ein paar Gänge weiter, die „Loewe-Galerie“. Hier wird das aktuelle Produktprogramm präsentiert: Edle Fernseher-Skulpturen flankiert von schlanken Boxen fürs anspruchsvolle Heimkino.

    Leicht habe man es nicht, in der Nische, räumt Raithel ein. Aber Loewe sei eben etwas besonders, habe eine Reihe von „Markenwerten“. Raithel zählt auf: sinnvolle Innovationen, minimalistische Formensprache und exklusive Individualisierungsmöglichkeiten. So lassen sich vom eben vorgestellten Fernseher „Connect ID“ weit über 2000 unterschiedliche Varianten zusammenstellen. Etwa mit sechs verschiedenen „Charakterfarben“, darunter ein knalliges grasgrün. Ein Hingucker, egal, was das Programm bietet.

    Doch dafür braucht es Kunden, die bereit sind, ein bisschen mehr anzulegen. Und genau das ist das Problem, denn Flachbildfernseher werden immer billiger. Gerade einmal 600 Euro gibt derzeit ein deutscher Kunde im Schnitt aus. Immer größere Geräte mit immer mehr Technik zu immer niedrigeren Preisen – das macht der Industrie zu schaffen. Noch 2008 kostete ein Gerät 830 Euro, also etwa 40 Prozent mehr – ein Preis-Minus von zehn Prozent im Jahr. Tiefschwarze Zahlen schreibt da kaum ein Hersteller mehr.

    Immerhin: Die Fußball-Europameisterschaft – alleine das erste Spiel der deutschen Mannschaft sahen weit über 22 Millionen Zuschauer – soll der Branche einen neuen Absatzrekord bescheren. Erstmals, so der Verband Bitkom, werden die Deutschen in diesem Jahr mehr als zehn Millionen Fernseher kaufen. 2011 waren es immerhin 9,6 Millionen Stück, der bis dato höchste erzielte Wert.

    Keine Zahlen, die in Kronach geschrieben werden. Gerade einmal 200 000 Fernseher im Jahr laufen über die drei Fertigungslinien. Beim Rundgang fällt auf, wie ruhig es zugeht. „Wir wollen hier eine Manufaktur haben“, sagt Raithel. Tatsächlich wirkt es fast andächtig, wie die Mitarbeiter, nicht wenige mit Firmen-T-Shirts, die Geräte montieren.

    Im Kern besteht ein Fernseher aus zwei Elementen: Da ist zum einen das Panel, also der eigentliche Bildschirm. Er wird zugekauft, von Samsung, LG oder eben von Sharp. Man müsse nicht alles selber machen, erklärt PR-Mann Raithel, „wir müssen uns aufs Wesentliche konzentrieren“. Und das ist nach Loewe-Einschätzung das sogenannte „Chassis“. Damit ist die auf einer Platine untergebrachte Schaltung gemeint, quasi ein Computer im Fernseher. Hier werden alle Funktionen gesteuert. Und die, wenn man den zahlreichen Testberichten, die Raithel in dicken Heften dokumentiert, glauben will, dafür sorgt, dass ein Loewe-Fernseher aus den Panels eben doch oft ein noch etwas besseres Bild als die Konkurrenz herausholt.

    Tja, der leidige Vergleich mit den Anderen. Um dem zu entgehen, werden Loewe-Fernseher nur über autorisierten Fachhandel vertrieben. Bei Internetshops sind die Teile gar nicht zu kriegen, wäre wohl auch nicht der passende Vertriebsweg. Denn auch wenn der Einstieg in die Loewe-Welt bei 650 Euro – für einen kleinen 22-Zoll-Fernseher – beginnt: Für ein 40-Zoll-Gerät mit entsprechender Ausstattung muss man schon ein paar Tausender anlegen. Und wer Premium-Wohnzimmerkino in XXL-Größe erleben will, kann 20 000 Euro in Kronach loswerden.

    Angefangen hat alles wie so oft – mit einer kleinen Werkstatt. 1923 gründeten die beiden jüdischen Brüder Sigmund und David Loewe die Radiofrequenz GmbH. Radio, das war damals Hightech. Doch die beiden hatten mehr vor, wollten Ton und Bewegtbild kombinieren, Fernsehen eben. Und tatsächlich zeigte man gemeinsam mit dem legendären Physiker Manfred von Ardenne 1931 auf der Funkausstellung in Berlin die erste elektronische Fernsehübertragung der Welt.

    Dann aber kamen dem jungen Unternehmen die Nazis in die Quere, die Loewes verließen das Land. Erst 1948 ging es weiter, die erste Baracke steht auf einem Feld vor der Innenstadt von Kronach. Ein Jahr später wird das Unternehmen vollständig auf Siegmund Loewe rückübertragen. Nun beginnt in den Wirtschaftswunderjahrzehnten der Siegeszug der deutschen Unterhaltungstechnik. Loewe ist technologisch stets vorn dabei. Doch Ende der 70er Jahre werden die Zeiten härter, neue Wettbewerber aus Japan machen den erfolgsverwöhnten Deutschen das Leben schwer. Auch Loewe leidet. Der Ausweg: Die Kronacher setzen konsequent auf Qualität und innovatives Design. 1985 wird mit dem Art 1 eine Design-Ikone vorgestellt. Loewe wird endgültig zur Premiummarke.

    Man hat erkannt: Premiumprodukte made in Germany – das funktioniert nicht nur bei Autos. Und so sollen künftig auch Kunden über den deutschsprachigen Raum hinaus für die edlen Fernseher aus Oberfranken begeistert werden. Doch Raithel wiegelt ab: „Wir sind da sehr vorsichtig.“ Schließlich sei Loewe im Weltmaßstab mit knapp 1000 Mitarbeitern eher ein Zwerg. Immerhin: In der Kronacher Forschungsabteilung tüfteln 150 Entwickler, eine bemerkenswert hohe Quote.

    Nachwuchsprobleme? Nein, sagt Raithel, die Personalsuche sei kein Problem. Man sei in der Region verwurzelt, kooperiere mit den umliegenden Hochschulen, der Name Loewe helfe. Eine große TV-Familie also. So dürfte das fußballtorgroße Plakat auf dem Parkplatz auch richtig verstanden werden, mit dem sich Loewe bei den Mitarbeitern bedankt. „Danke für eure farbechte Leidenschaft“ steht da – in der Industriestraße in Kronach.

    Von Grundig, Metz oder Telefunken – was aus deutschen Fernsehgeräte-Marken wurde

    Es waren die goldenen Zeiten des Fernsehens: Kanzler Willy Brandt gab auf der Funkausstellung 1967 den Startschuss fürs Farbfernsehen. Bei Shows wie „Einer wird gewinnen“ oder „Dalli Dalli“ versammelte sich die Nation an den Fernsehgeräten – die allesamt von deutschen Herstellern stammten. Viel ist von dieser alten Fernseher-Herrlichkeit nicht mehr geblieben. Ein Überblick über eine Branche mit großen Namen:

    Neben Loewe ist Metz der einzige der Traditionshersteller, der noch in Deutschland produziert – und zwar ebenfalls in Franken. Seit 1938 entwickelt und fertigt Metz in Zirndorf bei Fürth seine Geräte. Auch das Familienunternehmen aus Mittelfranken setzt auf gehobene Kundschaft. Und vertreibt seine Produkte ebenfalls nur über den Fachhandel.

    Das fränkische TV-Geräte-Trio macht natürlich noch Grundig komplett – und das lange Zeit als Marktführer. So arbeiteten in den 80er Jahren bis zu 28 000 Mitarbeiter für Grundig, und noch Ende der 90er Jahre stammte jeder fünfte verkaufte Fernseher in Deutschland vom Vorzeigeunternehmen aus Fürth (Radiogerät „Heinzelmann“). Nach einem langen Niedergang in Raten und der Insolvenz gibt es heute allerdings wieder Fernseher unter dem Markennamen Grundig – sie stammen aus der Türkei. Seit 2004 produziert eine Tochter des türkischen Haushaltsgeräte-Konzerns Beko (Sponsor der deutschen Basketball-Bundesliga) Grundig-Fernseher. Geräte made in germany stellt allerdings noch ein anderes Nachfolge-Unternehmen her: Die Grundig Business Systems in Bayreuth ist einer der führenden Anbieter von Diktiergeräten.

    Auch die Markennamen Telefunken und Graetz gehören heute einem türkischen Unternehmen – dem nach Branchenangaben größten europäischen TV-Geräte-Hersteller Vestel A.S. Die Marke Saba gehört laut Markenregister der Thomson multimedia Sales GmbH in Hannover. Seit einigen Jahren taucht noch der altbekannte Markenname Nordmende ab und an im Handel auf. Der indische Unterhaltungselektronik-Konzern Videocon hat die Markenrechte der deutschen Traditionsmarke erworben.

    Ein vergleichsweise junger Name fehlt in der Liste noch: TechniSat. Ursprünglich ein Spezialist für Sat-Anlagen hat sich das 1987 gegründete Unternehmen zu einem Vollanbieter von Fernsehgeräten gemausert. Wie die fränkischen Urgesteine Loewe und Metz setzen auch die Ostdeutschen konsequent auf „made in germany“.

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