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Thüngersheim: Handwerker als Erfinder: Pfiffige Idee für Schnarcher

Thüngersheim

Handwerker als Erfinder: Pfiffige Idee für Schnarcher

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    Konrad Hofmann mit der von ihm erfundenen Schlaftherapieschiene.
    Konrad Hofmann mit der von ihm erfundenen Schlaftherapieschiene. Foto: Pat Christ

    Zahntechniker Konrad Hofmann ist auch Erfinder - und hat damit möglicherweise schon Menschenleben gerettet. Das Geheimnis seiner Erfindung steckt in zwei kleinen "Flossen": Die fixieren den leicht nach vorn gezogenen Unterkiefer, wodurch die Atemwege während des Schlafs offen bleiben.

    Wo genau die "Flossen" auf der Schlaftherapieschiene stecken, ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Auch können die "Flossen" unterschiedlich dick sein. "In dieser Flexibilität besteht meine Erfindung", sagt Hofmann aus Thüngersheim (Lkr. Würzburg).

    Der 59-Jährige ist gelernter Feinmechaniker, im Würzburger Fraunhofer-Institut für Silicatforschung durchlief er seine Lehre. Später entdeckte er, dass seine eigentliche Passion in der Zahntechnik liegt. "Ich denke, die Kombination beider Berufe ist daran schuld, dass ich so erfinderisch bin", sagt Hofmann, der in seiner Branche als Exot gilt.

    In Thüngersheim werden jährlich 4000 dieser Schlaftherapieschienen mit den charakteristischen "Flossen" an den Seiten für Patienten in Deutschland hergestellt.
    In Thüngersheim werden jährlich 4000 dieser Schlaftherapieschienen mit den charakteristischen "Flossen" an den Seiten für Patienten in Deutschland hergestellt. Foto: Pat Christ

    Nur wenige Zahntechniker tun sich mit eigenen Erfindungen hervor. Konrad Hofmann hingegen ist Inhaber gleich mehrerer Patente. Allein die auf den Zähnen getragene Therapieschiene mit den austauschbaren "Fixierflossen" an den Seiten ist zweifach patentiert: Hofmann besitzt ein Patent für die "Flossen" sowie eines für das Halterungssystem, in das die "Flossen" eingesteckt werden.

    Hinter vielen spektakulären Erfindungen stecken persönliche Geschichten. So ist das auch bei Hofmanns Innovation. "Mein Schwager starb mit 52 Jahren an Schlafapnoe", erzählt er. Seitdem lässt ihn das Thema "Apnoe" nicht mehr los.

    Wenn Apnoe zur Lebensgefahr wird

    Denn Hofmanns Schwager ist bei weitem kein Einzelfall. Bei vielen Menschen sacken Unterkiefer, Zungenmuskel und Gaumensegel im TIefschlaf zurück. Dadurch können sie nicht mehr gut atmen. Kommen durch die Apnoe bedingte Atemaussetzer hinzu, steigt die Gefahr, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

    Hofmanns erste Zahnschienen-Erfindung liegt mehr als zehn Jahre zurück. Die Schiene auf den Markt zu bringen, sei heikel gewesen, erzählt er. Denn plötzlich tauchte eine Zeichnung aus Amerika von einer Schiene auf, die seiner Erfindung ähnelte. Ein Rechtsstreit war zu befürchten.

    Warum Hofmann mit dem Patent nichts mehr zu tun hat

    "Den hätte ich vielleicht sogar gewinnen können. Aber woher hätte ich das Geld nehmen sollen?", erzählt der Handwerker. Nach wie vor ist Hofmann der Erfinder, doch mit dem Produkt hat er nichts mehr zu tun: Er verkaufte das Patent an eine australische Firma, die weltweit im Bereich Schlafapnoe-Behandlung aktiv ist.

    2012 wurde Hofmanns Schienensystem mit den austauschbaren "Fixierflossen" an der Unterkieferschiene, die in eine Führung an der Oberkieferschiene eingleiten und so den Unterkiefer vorne halten, patentiert. Diesmal stieß Hofmann auf keine Hindernisse.

    Ohne Patentanwalt geht gar nichts

    Doch auch der ganz normale Patentierungsprozess stellte ihn vor bürokratische und finanzielle Herausforderungen. "Ohne einen Patentanwalt kann man das nicht schaffen", sagt der Thüngersheimer. Sein Anwalt recherchierte weltweit, ob es Hofmanns Erfindung vielleicht doch irgendwo schon gibt. Erst, als er sicher war, dass es sich um eine Weltneuheit handelt, setzt er den Text für die Patentanmeldung auf.

    Im Hofmanns Fall wurde das Patent vom Europäischen Patentamt erteilt. Das allerdings heißt nicht, dass es nun überall in Europa gilt. Die Erfindung muss noch einmal von den Patentämtern jedes einzelnen Staates überprüft werden, in dem die Idee vermarktet werden soll: "Insgesamt waren das rund 25 Länder."

    Weil es sich bei der Schlaftherapieschiene um ein medizinisches Produkt handelt, mussten außerdem in jedem Land entsprechende Zulassungsverfahren durchlaufen werden. Die Kosten für die internationale Patentanmeldung beliefen sich auf etwa 5000 Euro. Für jedes weitere Land fielen 3000 bis 4000 Euro an.

    Konrad Hofmann fertigt für einen Patienten eine von ihm erfundene Schlaftherapieschiene nach dem Abdruck eines Zahnarztes an.
    Konrad Hofmann fertigt für einen Patienten eine von ihm erfundene Schlaftherapieschiene nach dem Abdruck eines Zahnarztes an. Foto: Pat Christ

    Inzwischen arbeitet Hofmann mit einer australischen Firma zusammen, die sein eigenes Unternehmen gekauft hat. Dadurch ist es ihm möglich, die Schiene weltweit an den Mann und die Frau zu bringen.

    In Thüngersheim werden jedes Jahr rund 4000 "Unterkiefer-Protrusions-Schienen", wie der Fachausruck heißt, für deutsche Patienten angefertigt. Am Hauptsitz Australien sowie in den weiteren 16 Tochtergesellschaften, unter anderem in den USA, Kanada, Japan, Singapur, auf den Philippinen und in Hongkong, werden jährlich 45 000 Schienen für Schnarcher, Knirscher und Apnoe-Patienten produziert.

    Für Hofmann ist nach dem Patent vor dem Patent: Aktuell hat er eine neue Schienenerfindung in der Pipeline. "Sie wird digital hergestellt", verrät er. Wie die bereits etablierte Schiene besteht sie aus einem besonders haltbaren Kunststoff, den Hofmann ebenfalls erfunden hat.

    "Den möchte ich aber nicht patentieren lassen", sagt er. Würde das doch bedeuten, dass er die Inhaltsstoffe offenlegen müsste. Das will der Tüftler keinesfalls. Damit ist er in guter Gesellschaft: Auch für Coca-Cola wurde nie ein Patent angemeldet. Weil hier das Rezept ebenfalls geheim bleiben soll.

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    Erfindungen im Handwerk: Drei FragenWie viele Erfindungen Handwerker in der Region gemacht haben, dazu gibt es keine Zahlen. Dennoch misst ihnen Hauptgeschäftsführer Ludwig Paul von der Handwerkskammer in Würzburg einen hohen Stellenwert zu.Im Handwerk scheinen Erfindungen schwieriger zu sein als in der Industrie. Warum ist das so?Ludwig Paul: Das Gegenteil ist der Fall, das Handwerk zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, individuelle Lösungen zu schaffen. Aus diesem Antrieb entstehen immer wieder neue Ideen, innovative Produkte und Dienstleistungen. Vielleicht mündet nicht jede von Handwerkern gemachte Innovation in ein Patent, dennoch ist der Erfindergeist im Handwerk deutlich spürbar.Beraten Sie innovative Handwerker?Paul: Die Beratung rund um so genannte Schutzrechte ist Bestandteil der Unternehmensberatung, die unsere Handwerkskammer kostenfrei für ihre Mitgliedbetriebe anbietet. Ein Teil der Beratungen entfällt hier auf Markenrechte, gefolgt von Anfragen zu Patenten und Gebrauchsmustern. Die Berater der Handwerkskammer arbeiten hier auch mit anderen regionalen Institutionen zusammen, etwa dem Technologie- und Gründerzentrum Würzburg.Wie wichtig ist es denn für Sie, dass Handwerker aus unserer Region innovativ sind?Paul: Das ist mir sehr wichtig, denn Innovationsfähigkeit ist etwas, dass das Handwerk auszeichnet. Durch die Fähigkeit, immer wieder neue Entwicklungen aufzugreifen und umzusetzen und neue technische Möglichkeiten zu nutzen, können Handwerksbetriebe auf individuelle Kundenwünsche reagieren. Und das ist ein Alleinstellungsmerkmal des Handwerks gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen wie etwa der Industrie.

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