Am Dienstag erhielten die fränkischen Wälzlagerhersteller SKF und Schaeffler überraschend Besuch: Ermittler der EU wollen herausfinden, ob die Kugellager-Riesen Preise abgesprochen und Märkte untereinander aufgeteilt hatten. Diese Razzien fanden in mehreren Ländern statt. Kartelle mit verbotenen Absprachen sind kein Kavaliersdelikt. Sie behindern oder verhindern Wettbewerb, meist zum Nachteil für Verbraucher. Kein Kunde möchte mehr bezahlen, nur weil Hersteller oder Lieferanten sich insgeheim über einen höheren Preis verständigen. Aufgedeckte illegale Preisabsprachen von hohem Verbraucherinteresse betrafen zum Beispiel Kaffee oder Brillengläser. Hierzulande kümmern sich mehrere Behörden darum, verbotene Preisabsprachen aufzudecken: In Deutschland das Bundeskartellamt sowie die Landeskartellämter – und auf EU-Ebene die Brüsseler Kommission. Die ist immer im Spiel, wenn sich Kartelle maßgeblich auf den Wettbewerb in mehreren EU-Ländern auswirken.
Was besagt das Kartellverbot?
Es gilt ein generelles Kartellverbot. Darunter fallen Vereinbarungen und Absprachen, die den Wettbewerb behindern, einschränken oder verfälschen. Als sogenannte Hardcore-Kartelle gelten Absprachen über Preise, Mengen, Kundengruppen oder die Gebietsaufteilung von Märkten. Das Verbot kann auch Vereinbarungen über Lieferungen von Waren betreffen.
Warum sind Kartelle schädlich?
Sie schaden der Wirtschaft, weil sie einem fairen Wettbewerb widersprechen und eine freie Betätigung von anderen Unternehmen behindern. Für Verbraucher, aber auch Behörden oder Kommunen, haben Absprachen meist höhere Preise zur Folge.
Wie werden Kartelle entdeckt?
Oft gibt es Hinweise von Konkurrenten, Abnehmern, Lieferanten oder anderen „Kartellopfern“. Auch melden sich Mitglieder eines Kartells selbst bei den Kartellämtern. Diese Selbstanzeigen haben nach Einführung der sogenannten Bonusregelung oder auch Kronzeugenregelung durch das Bundeskartellamt deutlich zugenommen. Die Aufdeckung durch Kronzeugen macht nach Angaben des Bundeskartellamts „gut die Hälfte“ der Fälle aus. Die Regelung besagt, dass das Kartellamt bei Personen oder Unternehmen, die an einem Kartell beteiligt sind, von einem Bußgeld absehen oder es reduzieren kann, wenn sie zur Aufdeckung beitragen.
Welche konkreten Fälle wurden aufgedeckt?
Die Palette in den vergangenen Jahren reicht von Absprachen zu Kaffee, Instant-Cappucino, Mehl, Brillengläsern, Zement, Betonrohren, Kontaktlinsen, Dachziegel, Flüssiggas oder Mörtelsilos bis hin zu Bahnschienen. Im laufenden Jahr wurden bereits Millionenbußen gegen Hersteller von Feuerlöschfahrzeugen, von Spanplatten oder gegen Händler von Schweröl für Schiffe verhängt. Überprüft werden auch noch Süßwarenhersteller. Derzeit laufen überdies Ermittlungen im Lebensmitteleinzelhandel und bei Supermarktketten mit dem Verdacht, dass es zwischen Herstellern und Händlern zu Preisabsprachen gekommen ist.
Was sind die Folgen für Kartellsünder?
Die Kartellbehörden können Bußgelder verhängen. Gegen einzelne Personen sind bis zu 1 Million Euro möglich, gegen Unternehmen können Geldbußen in Höhe von bis zu 10 Prozent des letztjährigen Gesamtumsatzes festgesetzt werden. Das Bundeskartellamt verhängte 2009 Bußgelder in Höhe von 297,5 Millionen Euro und in 2010 in Höhe von 255 Millionen Euro.
Wie aktiv sind die Kartellwächter?
Das Bundeskartellamt hat alle Hände voll zu tun und arbeitet trotz Personalausbau und einer „Sonderkommission Kartellbekämpfung“ am Rande der Kapazität. Die Behörde durchsuchte 2009/2010 in 27 Verfahren insgesamt 172 Unternehmen. Auch zu den immer wieder ins Gespräch kommenden Benzinpreisen gab es umfassende Branchenuntersuchungen. Preisabsprachen konnten den marktbeherrschenden Mineralölkonzernen aber nicht nachgewiesen werden.