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BRÜSSEL: Letzte Frist für Defizitsünder

BRÜSSEL

Letzte Frist für Defizitsünder

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    Euromünze auf einer portugiesischen Flagge. Spanien und Portugal sollen vorerst von Geldbußen verschont bleiben.Jens Büttner, dpa
    Euromünze auf einer portugiesischen Flagge. Spanien und Portugal sollen vorerst von Geldbußen verschont bleiben.Jens Büttner, dpa Foto: Foto:

    Spanien und Portugal leben seit Jahren über ihre Verhältnisse. Doch als die Brüsseler Kommission am gestrigen Mittwoch nach wochenlangem Streit die beiden Schuldensünder abstrafen sollte, zuckte sie zurück. „Die Länder stehen vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen“, begründete Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis die Entscheidung. „Sie haben mehrere Krisen überstanden, aber sie sind jetzt zurück auf dem Wachstumspfad.“ Man wolle eine beginnende Gesundung der Staatsfinanzen nicht durch Sanktionen erschweren.

    Eine erstaunliche Wendung. Denn beide Euro-Mitglieder überziehen die Drei-Prozent-Defizit-Hürde seit 2009 – teilweise sogar erheblich. 2015 rutschte Madrid mit 5,1 Prozent ins Minus, Lissabon immerhin mit 4,4 Prozent. Der Grund, so hatten die Befürworter für harte Strafen im Vorfeld der gestrigen Sitzung immer wieder betont, seien keineswegs nur weltweite Finanzkrisen, sondern eben auch teure Wahlversprechen der Regierungen, die sich damit die Gunst der Bürger erkaufen wollten.

    Auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise hatte die Währungsunion den Stabilitätspakt verschärft und für solche Fälle „fortgesetzter unsolider Haushaltsführung“ erstmals Gegenmaßnahmen vereinbart: bis zu 0,2 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung können verhängt werden. Das Geld müsste in den Topf des dauerhaften ESM-Rettungsschirms fließen. In den vergangenen Tagen war zwar erwartet worden, dass die Kommission diesen Rahmen nicht ganz ausschöpfen würde. Aber auf rund 1,1 Milliarden Euro für Madrid und 179 Millionen Euro für Lissabon hatten Beobachter die zu erwartenden Sanktionen schon geschätzt. Es kam anders.

    Die Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker, der sich stets als Verfechter einer straffreien Lösung gezeigt hatte, verzichtete zwar auf Sanktionen, forderte aber die Einhaltung der Drei-Prozent-Marke spätestens Ende des Jahres (Portugal) beziehungsweise bis Ende 2018 (Spanien) und kündigte an, die beiden Ländern 2017 zustehenden Mittel aus dem Strukturfonds einzufrieren.

    Wirklich konsequent zeigt man sich allerdings auch da nicht. Denn zunächst sollen darüber Diskussionen mit den Europa-Abgeordneten geführt werden, die ein Mitspracherecht haben. „Ein feiges Spiel“, schimpfte daraufhin der CSU-Europa-Politiker Markus Ferber. „Ich bin immer für eine Beteiligung des Parlamentes, aber in diesem Fall ist die Taktik der Kommission offensichtlich. Sie drückt sich vor der Entscheidung, um am Ende dem Parlament den Schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben.“ Noch deutlicher wurde der Linken-Politiker Fabio di Masi: „Strafen für vermeintliche Defizitsünder wären ohnehin so absurd wie einem Koma-Patienten Blut abzuzapfen. Der Pakt ist tot.“

    Das muss nicht sein. Denn das komplizierte Verfahren billigt der Kommission nur ein Vorschlagsrecht zu. Binnen zehn Tagen können die Finanzminister des Euro-Raums die Entscheidung der Kommission akzeptieren, zurückweisen oder korrigieren. In diesem Kreis aber haben die Befürworter von Sanktionen, die endlich ein Exempel statuieren wollen, offenbar eine Mehrheit. Unklar ist allerdings, wie das Gremium mitten in der Sommerpause so zügig zusammenkommen soll.

    Ein schriftliches Verfahren, wie es bei anderen Entscheidungen mit Zeitdruck auch schon mal angewendet wird, scheint juristisch zweifelhaft, weil der Stabilitätspakt ausdrücklich ein „explizites Handeln“ der Ministerrunde erfordert. Das Gezerre um die Schuldensünder geht also noch ein paar Tage weiter.

    „Der Pakt ist tot!“

    Fabio di Masi, EU-Linken-Politiker

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