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WÜRZBURG: Mainfrankens banger Blick nach Osten

WÜRZBURG

Mainfrankens banger Blick nach Osten

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    Mitarbeiter von Gazprom an einer Gaspipeline: In der mainfränkischen Wirtschaft wächst wegen des Russland-Konflikts die Sorge vor steigenden Energie- und Rohstoffpreisen.
    Mitarbeiter von Gazprom an einer Gaspipeline: In der mainfränkischen Wirtschaft wächst wegen des Russland-Konflikts die Sorge vor steigenden Energie- und Rohstoffpreisen. Foto: Foto: Maxim Shipenkov, dpa

    Jahrelang lief für das mainfränkische Unternehmen beim Export nach Russland alles reibungslos. Zuletzt aber konfrontierten Grenzbeamten den deutschen Spediteur plötzlich mit einem neuen Formular. Eines, so der verblüffte Fahrer, das man „nicht mal eben schnell an der Grenzstation ausfüllen“ könne.

    „Wir sind gerade dabei zu klären, was es damit auf sich hat“, sagt Marion Oker, Außenhandelschefin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt. Die Fälle, in denen Firmen von Problemen beim Russlandgeschäft berichten, sie häufen sich, sagt sie. So sei bei einem anderen Unternehmen ein Auftrag, den man fest eingeplant hatte, ohne Angaben von Gründen storniert worden. Einen Firmennamen will Oker lieber nicht nennen.

    Kein Geheimnis ist es, dass die Leoni AG, mit Sitz in Nürnberg und Kitzingen, in Russland und der Ukraine mit Werken vertreten ist. Seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise Ende Februar blickt man in der Konzernzentrale unweit des Nürnberger Hauptbahnhofs angespannt nach Osten. Noch aber, sagt Pressesprecher Sven Schmidt, „hat der verschärfte Ukraine/Russland-Konflikt keine Auswirkung auf unsere Produktionen in beiden Ländern“.

    Der Flugzeugabschuss über der Ostukraine vor einer Woche hat die Unternehmen aufgeschreckt, das so wichtige Russlandgeschäft scheint in Gefahr zu geraten. Bereits Ende Juni hatte der Maschinenbau-Branchenverband VDMA berichtet, dass ein Auftragseinbruch und Finanzierungsprobleme im Russlandgeschäft den deutschen Unternehmen zunehmend Sorgen machen. Eine Umfrage bei Mitgliedsbetrieben ergab schon damals, dass Anfragen und Aufträge aus Russland um über 60 Prozent zurückgegangenen seien. Die Rede war von Auftragsstornierungen, Verzögerungen bei der Grenzabfertigung und Zahlungsausfällen. Alles Störfaktoren, die sich früher oder später in den Bilanzen niederschlagen.

    Lukas Kagerbauer ist bei der mainfränkischen IHK der Mann für die Zahlen. Und die stimmen ihn bedenklich. „Die Ergebnisse der bundesweiten IHK-Konjunkturumfragen zeigen, dass der Ukraine-Konflikt bereits realwirtschaftliche Auswirkungen hat“, sagt er dieser Zeitung. Das derzeit positive mainfränkische Konjunkturklima sei massiv bedroht, wenn der geopolitische Konflikt zwischen der Ukraine und Russland eskaliert – und dies zu einem deutlichen Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise führt. „Das würde alle energieintensiven Unternehmen empfindlich treffen“, sagt Kagerbauer. Zwei Drittel der mainfränkischen Industriebetriebe würden daher in steigenden Preisen derzeit das größte konjunkturelle Risiko sehen.

    Auch Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und früherer Daimler- und Metro-Manager, warnt: „Der Konflikt in der Ostukraine ist zu einer massiven Belastung für die wirtschaftlichen Perspektiven im östlichen Europa geworden“. Unabhängig von noch anstehenden Wirtschaftssanktionen dürften in diesem Jahr die deutschen Exporte nach Russland und der Ukraine um über sechs Milliarden Euro sinken. „Dadurch stehen bei uns mindestens 25 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel“.

    Doch vonseiten der Wirtschaft gibt es durchaus auch Verständnis für „eine klare und geschlossene Haltung der europäischen Politik gegenüber Russland“. Der das sagt ist Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Es sei jedoch ebenso wichtig, so Brossardt gegenüber dieser Zeitung, „bestehende Wirtschaftsbeziehungen aufrechtzuerhalten und aktiv zu pflegen, das kann stabilisierend wirken.“ Schon jetzt sei der gesamte Handel Bayerns mit den mittel- und osteuropäischen Staaten betroffen, „da diese mit Russland wirtschaftlich eng verwoben sind“. Deshalb könne sich die Krise, „wenn sie fortdauert, zu einer echten Wachstumsbremse entwickeln.“

    Mainfranken und Russland

    6200 deutsche Unternehmen exportieren nach Russland oder haben in eigene Werke und Niederlassungen investiert. So macht Siemens glänzende Geschäfte – ebenso die deutschen Autobauer. Und der fränkische Sportartikelgigant adidas betreibt zwischen Moskau und Sibirien an die 1000 Läden. Russland – ein lukrativer Milliardenmarkt, an dem auch mainfränkische Unternehmen teilhaben.

    Die Moskauer Tochter der Bosch-Rexroth-Gruppe aus Lohr etwa beschäftigt rund 120 Mitarbeiter. Doch auch die Knauf-Gruppe aus Iphofen – mit 14 eigenen Werken einer der größten deutschen Investoren in Russland überhaupt – oder der Moderiese s. Oliver aus Rottendorf sind im Riesenreich vertreten. Und auch Druckmaschinenpionier Koenig & Bauer hat eine russische Tochtergesellschaft: Im vergangenen Oktober feierte man deren zehnjähriges Bestehen. Insgesamt sind laut einer Umfrage der IHK Würzburg-Schweinfurt etwa 130 mainfränkische Unternehmen im Russlandgeschäft tätig. Text: md

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