"Die Stimmung im Haus ist gut", sagt Marcus Lingel bei einem Pressegesprach zur Lage der Mitarbeiter in der Hammelburger Niederlassung der Merkur Bank. In dem Gebäude am Viehmarkt mit seinen 110 Beschäftigten ist demnach offenbar jene Unsicherheit gewichen, die die Bankenübernahme zunächst ausgelöst hatte. "Wir sind ja nicht gekommen, um Synergiegewinne abzuschöpfen, sondern um weiter zu wachsen", sieht Lingel seine Strategie bestätigt.
Die Zusammenführung des Geldhauses in München mit 160 Mitarbeitern und der 250 einst bei der Bank Schilling Beschäftigten sei eine Herausforderung, erläutert der Bankenchef mit Verweis allein schon auf die technische Migration.
Bilanzsumme von 2,5 Milliarden Euro angepeilt
Dass dies offenbar gelungen ist, untermauert Lingel mit Zahlen. "Wir haben alle Geschäftsbereiche addiert, da ist nichts herausgefallen", beschreibt er die Entwicklung. Erstmals steuere die Merkur Bank zum Jahresende auf eine Bilanzsumme von 2,5 Milliarden Euro (2,3 Milliarden Ende 2019) zu. Auf 200 Millionen Euro hat die Bank zum Ende des dritten Quartals ihre Eigenkapitalquote erhöht. Das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit stieg auf 11,8 Millionen Euro. "Das ist ein Sprung von 49,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum", freut sich Lingel.
Eine weitere Zahl wertet der Bankier als Indiz dafür, dass die Bank in ihrem erweiterten Kerngebiet gut angekommen ist. "Unser Nettodepotvolumen ist fast um 100 Millionen Euro gewachsen. 40 Millionen Euro davon alleine in Franken." Der Kundenstamm von Vermögensanlegern wachse.
Zuversicht trotz Corona
Diese Entwicklung unterstreiche seinen Anspruch, aus der Region für die Region da zu sein. Lingel zeigt sich zuversichtlich, dass die heimischen Unternehmer dank veränderter Geschäftsmodelle und neuer Absatzmärkte gut durch die Corona-Krise kommen.
Aktiv sei seine Bank bei der Vermittlung von Sonderkrediten durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Bisher habe sie in ihrem Gebiet fast 150 Kredite mit einem Volumen von 100 Millionen Euro vermittelt.

Den Optimismus, den der hemdsärmelige Bankenchef mit seinem schwäbischen Dialekt versprüht, spürt man auch bei seinen Mitarbeitern im Bankhaus am Hammelburger Viehmarkt. Sie bekommen demnächst womöglich neue Kollegen: Mit Blick auf die guten Zahlen plant Lingel die Einstellung zehn neuer Mitarbeiter. Das Vorhaben wertet er auch als "Lackmustest" für den Arbeitsmarkt im Landkreis Bad Kissingen.
Lingel kann es sich sogar vorstellen, den einen oder anderen Standort mit Wachstumsperspektiven durch eine neue Filiale zu erschließen. Allerdings schließt er auch nicht aus, dass unter den aktuell 21 Filialen seiner Bank einige sind, die keine Zukunft haben. Orte nennt er nicht. Der Denkprozess habe erst begonnen.
Eigenverantwortung im Fokus
Der Bankier versteht sich als Leiter einer von noch einem guten Dutzend inhabergeführten Privatbanken in ganz Deutschland. Damit meint er jene, deren Chefs Eigenverantwortung leben und sich nicht an der Laufzeit von fünfjährigen Vorstandsverträgen orientieren. "Ich hab lebenslänglich", sagt er schmunzelnd. Das schlage sich auch in der Geschäftsstrategie nieder. Eigene Fonds betreibt die Bank nicht, um nicht in Interessenkonflikte zu geraten. "Dafür bieten wir noch einen Zins", fügt er an. Einen Prozent Zins gibt es bei einer Depotanlage von mindestens 25 000 Euro und 1,5 Prozent bei einer neuen Vermögensverwaltung ab 250 000 Euro.
Durch angepeiltes Wachstum und die personelle Konstanz sieht Lingel seine Bank für die kommenden Jahre gut aufgestellt. Zwar werde der Druck im Bankensektor weiter zunehmen. Gerade die zunehmende Regulatorik sei eine große Herausforderung. "Aber sie bietet auch eine Riesenchance", ergänzt Lingel. Wenn man entsprechend unternehmerisch denke, könne man die Regulatorik kundenfreundlich umsetzen. Mit seiner klaren Werteorientierung sei er den Großbanken gegenüber klar im Vorteil.
Honorarkonsul für Mosambik
Diese Werteorientierung möchte er auch anders ausleben. Lingel ist Honorarkonsul der Republik Mosambik. Bereits 1992 hatte sein Vater diese Aufgabe übernommen. Heute führt Marcus Lingel diesen ehrenamtlichen Posten weiter und ist in dem Münchner Bankhaus für die afrikanischen Staatsbürger da. Dort geben drei Mitarbeiter auch Visa aus.
Im Blick habe er mit seinem Engagement den Wissenstransfer in eines der ärmsten Länder der Welt. Dazu unterstützt er einen Verein, der bereits 3000 Schüler in 30 Schulprojekten unterrichtet hat. Einmal im Jahr reist Lingel selbst nach Afrika, um sich davon zu überzeugen, dass die eingesammelten Spenden zu 100 Prozent an den Zielorten ankommen. "Weil ich von der Gesellschaft viel bekomme, gebe ich gerne etwas zurück", so das Credo des Bankiers.