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FRANKFURT: Praktiker verliert Rabattschlacht

FRANKFURT

Praktiker verliert Rabattschlacht

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    Prominente Pleite: Wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit beantragt die Baumarktkette Praktiker ein Insolvenzverfahren.
    Prominente Pleite: Wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit beantragt die Baumarktkette Praktiker ein Insolvenzverfahren. Foto: Foto: dpa

    „20 Prozent auf alles“ – diese Rechnung ging nicht auf: Die Baumarktkette Praktiker ist pleite. Wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit beantragte das Unternehmen am Donnerstag die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Der beim Amtsgericht Hamburg gestellte Antrag erstrecke sich über acht Tochterfirmen in Deutschland. Der Insolvenzantrag für die Praktiker AG werde in Kürze nachgereicht, teilte die Holding mit. Nun strebe Praktiker an, in einem „Regelinsolvenzverfahren“ einen Sanierungsplan erstellen zu können.

    Die derzeit 132 Max-Bahr-Märkte sowie das Auslandsgeschäft sind von den Anträgen nicht betroffen, teilte das Unternehmen mit. Die Filialen der Vertriebslinien Praktiker sowie Extra-Bau+Hobby sollen im Rahmen eines vorläufigen Insolvenzverfahrens uneingeschränkt fortgeführt werden. Nachdem der Vorstand am Vorabend über gescheiterte Sanierungsverhandlungen informiert hatte, stürzte die Aktie am Morgen zunächst um rund 70 Prozent ab. Sie erholte sich im Tagesverlauf aber leicht auf rund 0,14 Euro.

    Praktiker wies Ende März knapp 18 000 Vollzeitstellen aus, beschäftigt werden nach Unternehmensangaben aktuell rund 20 000 Mitarbeiter, davon 12 000 im Inland. Je die Hälfte sei bei den beiden Konzern-Marken beschäftigt, teilte ein Sprecher mit. Das Unternehmen betreibt in Deutschland insgesamt 315 Baumarktfilialen (Stand Ende März). Vorstandschef Armin Burger trieb die Umstellung von Praktiker-Filialen auf die ertragsstärkere Marke Max Bahr voran. Das Unternehmen war auch durch seine fehlgeschlagene Rabattstrategie in eine schwere Krise geraten. Wechselnde Vorstandschefs hatten zuvor versucht, das Unternehmen zu stabilisieren. Zuletzt wurden der Einkauf gestrafft und die Konzernzentrale aus dem Saarland nach Hamburg verlegt. Verhandlungen über weitere Finanzierungen waren am Vortag endgültig gescheitert. Einzelne Gläubigergruppen hätten nicht zugestimmt, teilte Praktiker mit. Die Baumarktkette zählt hinter Obi und Bauhaus zu den größten deutschen Filialisten der Branche. Obi will den kriselnden Konkurrenten nicht übernehmen, wie der Chef der Obi-Mutter Tengelmann, Karl-Erivan Haub, am Donnerstag sagte. Das Exposé zu Praktiker habe man viermal auf dem Tisch gehabt. „Es wurde immer preiswerter, aber nicht besser“, betonte er.

    Die Vertreterin zweier Praktiker-Großaktionäre, Isabella de Krassny, setzt weiter auf eine Rettung. „Wenn jetzt alle Beteiligten an einem Strang ziehen, lässt sich Praktiker auch in der Insolvenz sanieren“, wird die Österreicherin in der „Wirtschaftswoche“ zitiert. Nach ihren Angaben müssten für die weitere Sanierung rund 80 defizitäre Praktiker-Filialen geschlossen und Finanzmittel in Höhe von mindestens 40 Millionen Euro bereitgestellt werden. Die Managerin machte vor allem Banken und Warenkreditversicherer für das Scheitern des jüngsten Rettungskonzeptes verantwortlich.

    Praktiker-Märkte gibt es in Würzburg und Stockstadt bei Aschaffenburg, ferner in Kulmbach und Hof (Bayern/Oberfranken) sowie in Meiningen und Suhl (Thüringen). Im Würzburger Markt gab es am Vormittag eine Versammlung, teilte eine Mitarbeiterin mit, über dessen Verlauf wollte sie nichts sagen. Der Marktleiter und der Betriebsratsvorsitzende seien nicht zu sprechen, hieß es später.

    Als Ende 2007 nach einem 400 000 Euro teuren Umbau das „Easy-to-Shop-Prinzip“ vorgestellt wurde, arbeiteten in Würzburg 67 Mitarbeiter. Aktuell sollen dort „um die 50“ beschäftigt sein und in Stockstadt „um die 70“, sagte der ver.di-Sekretär Peter König. Er sieht derzeit mehr Fragen als Antworten, nur eines steht für ihn fest: Bei Praktiker habe es Managementfehler gegeben „fast wie bei Schlecker“. Da habe auch der Sicherungstarifvertrag nicht mehr helfen können, sagt er.

    Ver.di hatte 2012 mit der Praktiker-Spitze Gehaltseinbußen der Belegschaft vereinbart, um das Unternehmen zu retten. Durch Verzicht auf Weihnachtsgeld, Prämien und Einschnitten bei der Altersversorgung der 11 000 deutschen Praktiker-Mitarbeiter sollten bis 2014 jährlich 17,3 Millionen Euro gespart werden.

    Spektakuläre Handelspleiten in Deutschland

    September 2012: Der insolvente Versandhändler Neckermann wird geschlossen. Zum 1. Oktober verlieren rund 2000 Beschäftigte des Traditionsunternehmens in Frankfurt und Sachsen-Anhalt ihre Jobs. Das Unternehmen war 1950 als Neckermann Versand KG gegründet worden.

    Juni 2012: Für die ehemals größte deutsche Drogeriekette Schlecker ist Schluss. Der monatelange Überlebenskampf nach dem Insolvenzantrag Ende Januar war vergeblich. 25 000 Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz.

    Dezember 2009: Beim Versandhändler Quelle gehen nach 82 Jahren endgültig die Lichter aus. Im Juni hatte der Arcandor-Konzern Insolvenzantrag für sich sowie die Töchter Karstadt Warenhaus und Quelle gestellt. Anders als bei Karstadt findet sich für Quelle kein Investor. Mit der Internetseite Quelle.de kehrt der Markenname im August 2011 zwar zurück. Allerdings steckt dahinter ein anderes Geschäftsmodell – eine Plattform für Händler.

    Juli 2008: Die Warenhauskette Hertie meldet wegen Finanzproblemen des britischen Haupteigentümers Insolvenz an. Im März 2009 wird das Insolvenzverfahren eröffnet, Mitte August schließen die letzten 20 Kaufhäuser. Die Firmengeschichte begann 1882. text: dpa

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