In den Hallen der weltgrößten Agrarmesse Grüne Woche gibt es Stände für Bayern, Niedersachsen und Brandenburg. Und angeboten werden dort Spezialitäten aus diesen Ländern. Im Supermarkt locken ebenfalls immer mehr Produkte mit dem Charme des Regionalen. Doch die Lage im Regal ist oft unübersichtlich – ob die Wurst, die Salatsoße und die Zutaten wirklich aus der beworbenen Gegend kommen, können Kunden teils nicht erkennen.
Acht von zehn Deutschen sind aber bereit, für Milch, Fleisch und andere Lebensmittel aus ihrer Region mehr Geld zu bezahlen als für anonyme Massenware aus dem Supermarkt. Nach dem Willen von Verbraucherministerin Ilse Aigner sollen diese Produkte vom nächsten Jahr an mit einem speziellen Siegel gekennzeichnet werden, dem sogenannten Regionalfenster. Es zeigt dem Konsumenten auf einen Blick, ob die Erdbeeren in einer Marmelade, das Getreide in einem Brot oder die Milch im Joghurt tatsächlich aus der näheren Umgebung kommen.
Verpflichtend einführen will die CSU-Politikerin das neue Siegel allerdings nicht. Stattdessen sollen die Hersteller sich freiwillig von einer unabhängigen Organisation zertifizieren lassen. Da sich regionale Produkte zu besseren Preisen verkaufen ließen, könne die Industrie dafür auch die Kosten dafür übernehmen, argumentiert sie. Eine Umfrage des Emnid-Institutes für Aigners Ministerium bestätigt den Trend zur heimischen Kost: Knapp die Hälfte aller Verbraucher achtet danach beim Einkauf darauf, dass ihre Lebensmittel aus ihrer Heimat stammen: Sie haben Vertrauen zu den örtlichen Bauern, sie schätzen die kurzen Transportwege, wollen Arbeitsplätze vor Ort sichern und verbinden mit dem Begriff „Region“ generell ein positives Lebensgefühl. Umgekehrt allerdings fühlen sich nur 17 Prozent verlässlich über die Herkunft von regionalen Produkten informiert. Erst im vergangenen Jahr hatte eine Stichprobe der Verbraucherzentrale Hessen teilweise absurde Ergebnisse geliefert: Danach wurden unter dem Oberbegriff „So schmeckt Hessen . . .“ auch französische Zwiebeln und griechischer Feta verkauft – nur weil sie in Hessen verarbeitet oder verpackt worden waren. Bei einer ähnlichen Untersuchung der Zeitschrift ÖkoTest stammten lediglich 14 von 53 Lebensmitteln tatsächlich aus der auf dem Etikett angegebenen Region. Die geplante Regio-Plakette soll in Zukunft detailliert darüber Auskunft geben, aus welcher Region ein Produkt kommt, ob es darüber hinaus fremde Zusätze enthält und welche unabhängige Instanz all das geprüft hat. Für einen als original Allgäuer Produkt deklarierten Ananas-Joghurt zum Beispiel hieße das: Die Milch kommt von Bauern aus dem Allgäu, die Frucht aus Costa Rica – zu Joghurt verarbeitet aber wurde beides wiederum im Allgäu. „Entscheidend ist die Transparenz“, sagt die Verbraucherministerin. In einem zweiten Schritt kann sie sich auch noch ein ähnliches Siegel für das Tierwohl vorstellen: Es würde dann auf einer Packung Milch dokumentieren, ob die Kühe im Stall oder auf der Weide gehalten wurden, und auch bei einem tiefgefroreren Huhn darüber informieren, ob es im Käfig oder im Freiland aufgewachsen ist.
Der bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner begrüßt die Initiative. „Verbraucher erwarten klare Aussagen zu Herkunft und Verarbeitung sowie unabhängige Kontrollen.“ Unverarbeitete Erzeugnisse wie Fleisch und Milch müssten dabei zu 100 Prozent aus der Region kommen. Das vor zehn jahren eingeführte Gütesiegel „Geprüfte Qualität – Bayern“ erfülle diese Bedingungen bereits, so Brunner. Eine Einigung mit den Ländern bei der nächsten Agrarministerkonferenz im April dürfte für die Bundesministerin dabei nicht allzu schwierig sein.
„Regionalität ist auf dem aufsteigenden Ast“, weiß auch Armin Kullmann, Agrarexperte der Uni Frankfurt. Kurze Transportwege, durchschaubare Produktionsketten, Schutz der regionalen Wirtschaft – was früher Idealisten interessierte, überzeuge immer mehr Verbraucher. „Man sagt: Regional ist das neue Bio“, meint Kullmann. Quer durch die Republik gebe es Initiativen für Regionalvermarktung. Auch der Handel hat den Trend erkannt und setzt auf das, was mehr als 500 regionale Initiativen über Jahre vorangebracht haben. mit material von dpa