Die Nachricht schlug im Hause Noell ein wie eine Bombe. Voraussichtlich im Landkreis Würzburg will ein neu gegründetes Unternehmen ("consens Transport Systeme") ebenfalls die Riesenstapler für den Container-Transport herstellen. Eine Kampfansage an die die NCS beziehungsweise die ausgegliederte Tochter Noell Mobile Systems & Cranes GmbH (NMS). Sie ist mit einem Rekordumsatz von über 110 Millionen Euro und über 400 Mitarbeitern in diesem Jahr Weltmarktführer bei den Riesenstaplern, die rund um den Globus in See- und Binnenhäfen zum Einsatz kommen. Dabei werden die Geräte zu 75 bis 80 Prozent in Würzburg hergestellt.
Dies will der Konkurrent anders angehen. Lieferanten außer Haus sollen die Komponenten fertigen, am neuen Standort in der Nähe von Würzburg würde nur montiert. Trotzdem hat man wie berichtet bis Jahresende 2005 rund hundert Arbeitsplätze in Aussicht gestellt.
Das eigentlich Heikle an der Firmen-Neugründung: Nach Informationen dieser Zeitung sind daran mindestens zwei Führungskräfte der NMS beteiligt - Helmut Hemesath, bis dato Bereichsleiter für die Container-Stapler, und Björn Riechers, zuständig für Marketing und Verkauf. Auch der Ex-Fertigungsleiter für die Stapler soll zur Führungscrew des neuen Unternehmens gehören.
Kein Wunder, dass bei der NMS - sie wurde als größtes Überbleibsel der traditionsreichen, vor vier Jahren zerschlagenen Noell-Gruppe vom italienischen Konzern Fantuzzi Reggiane übernommen - die Alarmglocken schrillen. Der Staatsanwalt ist eingeschaltet. Der Verdacht: möglicher Geheimnisverrat und Verstoß gegen das Wettbewerbsgesetz. Das Arbeitsgericht hat eine einstweilige Verfügung gegen die abtrünnigen NMS-Mitarbeiter erlassen. Damit dürfen sie im Moment nicht in Konkurrenz zur Alt-Firma treten. Vergangene Woche durchsuchte die Kripo ihre Büro- und Privaträume. Hemesath und Riechers bestritten auf Anfrage die Vorwürfe aufs Heftigste. Man wolle keinen "Krieg" gegen Noell führen. Es gehe um die berufliche Zukunft. Die Ermittlungen im Nacken verlautbaren die beiden zum neuen Unternehmen im Moment ebenso wenig wie Bruno Grimm, der als Alleingesellschafter von "consens" im Handelsregister eingetragen ist.
Grimm steht hinter der in Würzburg angesiedelten Firmengruppe Viktor Seifert, die Dienstleistungen in den Bereichen Transport, Lagerung und Logistik anbietet. Zur Gruppe gehört ferner eine gleichnamige Verwaltungs- und BeteiligungsGmbH.
Bei einer Betriebsversammlung hat die NMS-Spitze gestern versucht, die Belegschaft zu beruhigen. Auch Gewerkschaft und NMS-Betriebsrat sind entsetzt. IG-Metall-Bevollmächtigter Walther Mann erinnert die abtrünnigen Führungsleute an ihre Verantwortung gegenüber ehemaligen Mitarbeitern. Veränderungen müssten innerbetrieblich bewerkstelligt werden. Mann befürchtet einen Verdrängungskampf, bei dem unterm Strich Arbeitsplätze verloren gehen. Der Fall ist für den altgedienten Gewerkschafter "ein absolutes Novum". Betriebsratsvorsitzender Matthias Knöpflein kündigte an, mit aller Kraft um die Arbeitsplätze zu kämpfen und gegen "Machenschaften" vorzugehen.
Die NMS-Geschäftsführer Rudolf Bock und Guido Luini betonten gegenüber dieser Zeitung die Bedeutung des Standortes Würzburg. Luini: "Wir haben keinen Grund, die Produktion zu verlagern." Heuer schreiben NCS und NMS erstmals schwarze Zahlen. Und man investiere in die Zukunft. So ist eine Prüfstrecke für die Stapler in Planung.