Kelle, Abziehlatte, Glätter – Said Ali Mohammadi musste in den vergangenen Monaten eine Menge schwieriger Wörter lernen. Der 17-jährige Afghane leistet in der Firma Rüttger GmbH in Iphofen bei Kitzingen eine Einstiegsqualifizierung ab. Doch nicht nur er muss lernen. Auch für seinen Chef, der zum ersten Mal einen Flüchtling ausbildet, ist vieles neu. Zum Glück gibt es Thomas Gauer, Willkommenslotse der Handwerkskammer (HWK) für Unterfranken, der ihm in allen Fragen hilft.
Seit genau einem Jahr unterstützt die Kammer in Würzburg regionale Betriebe durch vier Willkommenslotsen. Die Unternehmen werden während des gesamten Einstellungs- und Arbeitsprozesses begleitet. Welche Probleme auch immer auftauchen, sei es mit Behörden, seien es Schwierigkeiten finanzieller Art oder auch innerbetriebliche Konflikte: Thomas Gauer und seine Kollegen versuchen, eine Lösung zu finden, damit es mit der Arbeit oder der Ausbildung gut weitergeht.
Mit Said Ali Mohammadi kam Thomas Gauer über die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Kontakt. Die trägt in Kitzingen eine Wohngruppe für junge unbegleitete Flüchtlinge. Said Ali, der mit 14 Jahren nach Deutschland floh, lebt hier seit November 2015. Die Einrichtung suchte für den Teenager eine Möglichkeit, in einen Beruf hineinzuschnuppern. Ob der Willkommenslotse eine Idee hätte? Thomas Gauer ging im Geiste die ihm bekannten Betriebe im Kitzinger Landkreis durch und stieß auf Rudolf Rüttger in Iphofen. Gut konnte er sich vorstellen, dass der an dem Jugendlichen interessiert wäre. Und genauso war es.
Rüttger, der im Moment 24 Handwerker beschäftigt, ist ständig auf der Suche nach guten Leuten. Wie viele andere Handwerksbetriebe in der Region, bekommt er den Mangel an Fachleuten sowie das abnehmende Interesse von Jugendlichen an einer handwerklichen Ausbildung immer deutlicher zu spüren. Zu Jahresbeginn ließ er Said Ali ein Praktikum absolvieren und war begeistert: „Er stellte sich vom ersten Tag an geschickt an.“
Der Teenager, der im Iran aufwuchs, hat mit Böden auch schon Erfahrung: „Mein Vater hatte Böden verlegt.“ Dabei habe er ihm als Junge geholfen. An Motivation, zu dem, was er bereits kann, Neues dazuzulernen mangelte es dem jungen Flüchtling nicht. Das ist laut Gauer typisch: Flüchtlinge wollten arbeiten, sagt er. Haben sie endlich eine Stelle, hängen sie sich richtig rein.
Nach einer Besprechung mit dem Willkommenslotsen im Anschluss an das Praktikum entschied Rudolf Rüttger, Said Ali ab März eine halbjährige Einstiegsqualifizierung (EQ) anzubieten. Das ist so etwas wie eine „Ausbildung light“ für Jugendliche, für die eine Lehre rein fachlich noch zu schwierig wäre oder die emotional noch nicht stabil genug sind. Die EQ-Teilnehmer, deren Lohn von der Arbeitsagentur bezuschusst wird, lernen den Beruf in der Praxis und in der Theorie kennen, erläutert der Handwerksmeister: „Alle vier bis sechs Wochen hat Ali Blockunterricht in der Berufsschule.“ Im September will Rüttger den Jugendlichen in die reguläre Lehre zum Estrichleger nehmen. Doch hier tauchte kürzlich ein Problem auf, schildert seine Schwester Monika Baußenwein, die im Familienbetrieb mithilft: „Ali Saids Aufenthaltsgenehmigung läuft Mitte September ab.
“ Was bedeutet das? Mit dieser Frage wandte sie sich besorgt an Thomas Gauer. Der beruhigte: Mit großer Sicherheit werde der Jugendliche für die Dauer der Ausbildung eine Duldung bekommen. Notwendig sei es aber auf jeden Fall, jetzt schon eine Arbeitserlaubnis für die Lehre zu beantragen. Um die Ausbildung erfolgreich zu durchlaufen, wird der Jugendliche wahrscheinlich Unterstützung benötigen.
Said Ali spricht zwar schon gut Deutsch, allerdings keineswegs perfekt. Gauer informierte Rüttger, welche Nachhilfemöglichkeiten existieren: „Es gibt die assistierte Ausbildung oder ausbildungsbegleitende Hilfen.“ Der afghanische Jugendliche ist nicht der einzige Flüchtling, der im Iphofener Fachbetrieb für Böden tätig ist. Kurz nach ihm stellte Rudolf Rüttger Nihad Suleiman aus Syrien ein. Dies geschah ohne Hilfe eines Willkommenslotsen: „Bei der Weihnachtsfeier der AWO saß Nihad Suleiman zufällig am Tisch meiner Mutter.“
Die Seniorchefin fand sofort Gefallen an dem sympathischen 28-Jährigen, der in seiner Heimat sechs Semester lang Wirtschaft studiert hatte. Als sie hörte, dass der Syrer nach einem Job sucht, gern auch im Handwerk, sprach sie mit ihrem Sohn. Der stellte schnell fest, dass Suleiman das Zeug zum Estrichleger hatte, und gab ihm einen Job als Helfer.
Nachdem Thomas Gauer den Betrieb öfter besucht, um sich nach Ali Said Mohammadi zu erkundigen, lernte er auch Nihad Suleiman kennen. Beim letzten Besuch tauchte eine Frage den syrischen Helfer betreffend auf, die der Willkommenslotse gern entgegennahm. „Es wäre für uns wichtig, dass Nihad Suleiman den Führerschein macht“, erläuterte sein Chef.
Und zwar den für Fahrzeuge bis zu 7,5 Tonnen Gewicht, denn Suleiman soll in Zukunft selbstständig mit dem Anhänger zur Baustelle fahren. Ob es möglich ist, einen Zuschuss für den Führerschein zu erhalten? Thomas Gauer versprach, sich zu erkundigen. Das Iphofener Unternehmen ist für Gauer vorbildlich in Sachen Integration. Auch wenn Nihad Suleiman und Said Ali Mohammadi nach wie vor Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben, sind sie im Betrieb voll akzeptiert.