Jeder vierte Autofahrer in Deutschland kann sich laut Umfragen vorstellen, ein Auto eines chinesischen Herstellers zu kaufen – die Billigpreise locken. „China wird auf den Markt kommen, das ist nicht aufzuhalten“, sagt Karl Schlössl, Geschäftsführer des Importeurs China Automobile Deutschland. Von den Vorwürfen, mit denen er sich derzeit herumschlagen muss, zeigt sich der Bayer unbeeindruckt. Der Geländewagen CEO, den BMW für eine Kopie seines X5 hält, sei kein Plagiat – in Italien, Spanien und Russland werde er seit Jahren verkauft.
Doch Schlössl betont: „In China ist man mächtig sauer auf die Deutschen, die Chinesen sehen das als Politikum an.“ Weil der CEO des Herstellers Shuanghuan nur gut 25 000 Euro koste und damit etwa halb so viel wie ein BMW X5, versuchten mächtige deutsche Konzerne den Chinesen Steine in den Weg zu legen. Neben dem CEO hatte auch der chinesische Kleinwagen Nobel für Aufregung gesorgt: Er gilt als Kopie des Smart Fortwo.
Jürgen Pieper, Autoexperte der Privatbank Metzler, bekräftigt: „Die Chinesen sind für die Deutschen derzeit noch keine Gefahr, weil sie sich im Billigsegment bewegen. Diese Preisbrecher müssen die Deutschen noch nicht fürchten.“ Denn selbst zu Schnäppchenpreisen lasse sich ein qualitätsschwaches Auto in Deutschland nicht etablieren.
Mit schlechten Ergebnissen bei Crash-Tests verpatzten bereits zwei chinesische Hersteller den Marktstart in Europa: Dem Geländewagen „Landwind“ von Jiangling bescheinigte der Automobilclub ADAC das schlechteste Ergebnis seit 20 Jahren. Er wurde ebenso wie die Limousine BS 6 von Brilliance zurückgezogen, in denen laut ADAC die Überlebenschancen für den Fahrer bei einem Seitenaufprall nahe null lägen. Kritiker spotten bis heute über die „China-Kracher“. Auf der Frankfurter IAA geht Brilliance mit einem nachgebesserten Modell an den Start.
Fachleute sehen noch weitere Gründe, warum Autos aus China bislang nur in wenigen europäischen Garagen stehen. „Chinesische Händler haben das Problem, ihre Marke in Europa zu positionieren und Händler für den Vertrieb zu finden“, sagt Jens Tischendorf vom Beratungsunternehmen A.T. Kearney. Management und Image der Marken seien unterentwickelt. Zudem seien Namen wie Shuanghuan für Europäer Zungenbrecher.
„Die chinesischen Strategen wissen, dass sie einen langen Atem brauch“
VDA-Chef Matthias Wissmann
Auf der IAA 2005 waren die Chinesen erstmals hoffnungsvoll an den Start gegangen. Dieses Mal fehlten die Hersteller Geely und Chery – sie sagten nach Veranstalterangaben aus „logistischen Gründen“ ab.
Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, mahnt, den Chinesen eine Chance zu geben und nicht auf sie herabzuschauen. „Man sollte nicht nach ersten misslungenen Crash-Tests ein Pauschalurteil fällen – langfristig werden die Chinesen sich auf dem Weltmarkt mit Fleiß und Wissen ihren Anteil erobern.“ Allerdings brauche das noch Zeit: „Die chinesischen Strategen wissen seit Konfuzius, dass sie einen langen Atem brauchen – ich gehe davon aus, dass sie den haben werden“.
Autoimporteur Schlössl, dessen China Deutschland GmbH seit drei Monaten mit Geländewagen von drei chinesischen Herstellern um Kunden buhlt, nennt denn auch keine Absatzziele für den CEO: „5, 50, 500 – alles ist mir recht. Hauptsache wir sind auf dem Markt.“
Eine Umfrage des Beratungsunternehmens Accenture stützt den Optimismus der Chinesen: 28 Prozent der knapp 1300 befragten Führerschein-Besitzer glauben, dass chinesische Automobilproduzenten innerhalb der nächsten fünf Jahre in Deutschland so erfolgreich sein werden wie koreanische Marken.
Online-Tipp
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