Afrika - aus deutscher Warte war das über Jahrzehnte der Kontinent von Kriegen und Katastrophen. Bestenfalls interessant für Entwicklungshelfer. Aber dort wirtschaften? Noch immer dümpelt der Anteil Afrikas an deutschen Auslandsinvestitionen bei einem winzigen Prozent vor sich hin, der Export bei ein bis zwei Prozent. Dafür hat China auf dem Kontinent in großem Stil gehandelt und gebaut, das Land dominiert die afrikanischen Märkte, etliche Staaten sind in Peking hochverschuldet. Nicht wenige halten das für eine ökonomisch-politische Zeitbombe.
Förderprogramme für deutschen Mittelstand in Afrika
Doch glänzen einige afrikanische Länder mit einer eigenen wirtschaftlichen Dynamik, die auch in Bayern aufhorchen lässt. CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller weist auf die Chancen des Wachstumsmarktes hin und hat Förderprogramme für deutsche Mittelstandsunternehmen sowie afrikanische Firmen und Start-Ups aufgelegt. Auch Ministerpräsident Markus Söder lenkte den Blick im Frühjahr auf den Nachbarkontinent, speziell auf Äthiopien mit seinen Wachstumsraten von sieben bis zehn Prozent.

In der Hauptstadt Addis Abeba eröffnete Markus Söder, begleitet von einer Wirtschaftsdelegation, im April das Bayerische Afrikabüro unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Es solle, so Söder, "Anlaufpunkt und Drehscheibe für den Kontakt mit Äthiopien und ganz Afrika sein". Auch soll es Verbindungen zur Afrikanischen Union schaffen, die ihren Sitz in Addis Abeba hat, und Firmen an Entwicklungsprojekten beteiligen.
Besuch des Ministerpräsidenten hat für Aufmerksamkeit gesorgt
Bahnbrechende Wirtschaftsprojekte sind sieben Monate später noch nicht auf den Weg gekommen. Groß ist bei bayerischen Unternehmen die Vorsicht – und auch die Unkenntnis über afrikanische Verhältnisse. Genau hier will das Afrikabüro Hilfestellungen geben. Der Besuch Söders habe, so sieht es die kommissarische Leiterin Linda Schraml, in jedem Fall Interesse bei bayerischen Firmen geweckt.

Etwa zwei Anfragen kämen pro Woche. Mit rund 20 Unternehmen habe sie bislang Beratungsgespräche geführt, sagt Schraml, wobei ein Drittel zunächst nur den äthiopischen Markt beobachten wolle. Besondere Chancen sieht sie in Umwelttechnologie, Müllentsorgung, Abwasser- oder Sicherheitstechnik, Prozessen der Industrialisierung - und in den erneuerbaren Energien.
In der Staatskanzlei ist man mit den ersten Schritten des Afrikabüros nicht unzufrieden. Das Büro sei "zentraler Baustein unserer Afrika-Strategie", sagt CSU-Minister Florian Herrmann. Unternehmen und Partner wüssten die Anlauf- und Kontaktstelle zu schätzen. "Wir wollen keinen Investitionskolonialismus", so der Staatskanzleichef, "sondern machen uns stark für langfristige Partnerschaften als Basis für Stabilität und Entwicklung".
Äthiopien wirbt mit Niedrigstlöhnen um Investoren
Äthiopien selbst wirbt um ausländische Investitionen - unter anderem mit Niedrigstlöhnen in der Textilbranche, die um zwei Drittel geringer sind als in Bangladesch. 20 Industrieparks will das Land aufbauen. Um nicht der Ausbeutung von Näherinnen Vorschub zu leisten, drängten Bundesentwicklungsminister Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) jüngst bei ihrem Besuch in Addis Abeba auf Mindeststandards in der äthiopischen Textilindustrie.

Immerhin, VW hat Anfang des Jahres eine Absichtserklärung für eine Fertigung und Montage in Äthiopien unterzeichnet. Aber aktuell sind keine zwei Dutzend deutsche Firmen in dem Land vertreten, die meisten von ihnen nur mit einer Handelsrepräsentanz. Bayerische Unternehmen? Praktisch Fehlanzeige. Eine Ausnahme ist der Oberpfälzer Abfüllanlagenhersteller Krones.
Oberpfälzer Anlagenbauer hat Sprung nach Äthiopien gewagt
Das Unternehmen mit Sitz in Neutraubling hat im April 2018 eine Niederlassung in Addis Abeba eröffnet, seine fünfte auf dem Kontinent nach Nigeria, Angola, Südafrika und Kenia. Das Geschäft läuft - doch sei der Start nicht einfach gewesen, sagt der aus Südafrika stammende Niederlassungsleiter Arie De Keijzer. Er sieht in Äthiopien großes Potenzial, die Getränkeindustrie expandiere, in vier Produktionslinien hat Krones zuletzt investiert.
Zu den Partnern zählen äthiopische und internationale Brauereien ebenso wie Coca-Cola oder Mineralwasser-Produzenten. Wöchentlich stimmt sich der Niederlassungsleiter mit der Zentrale bei Regensburg ab. Er spricht von einem "kalkulierten Risiko", das man in Äthiopien eingehe. Hier die wirtschaftlichen Chancen, dort mögliche Gefahren durch politische Instabilität.

Schwierigkeiten nimmt Krones in Kauf. Die größte: der Devisenmangel. Dringende Importe wie Ersatzteile müssen in Dollar oder Euro bezahlt werden. Doch die Devisen werden von der Nationalbank nicht im gewünschten Umfang ausgegeben. "Wer hier investiert, braucht Zeit, muss hartnäckig sein - und auch ein bisschen verrückt", sagt De Keijzer in seinem Büro im sechsten Stock in Addis.
Im Keller desselben Hauses dann eine Überraschung: Kupfer- und Edelstahlkessel glänzen, ein Zehn-Hektoliter-Sudhaus des traditionsreichen Bamberger Brauereimaschinenherstellers Kaspar Schulz. Mit der Anlage braut Banshebi Tejiwe seit 2006 Bier nach dem bayerischen Reinheitsgebot, pro Tag etwa 350 Liter, abgefüllt wird nur in Fässer.
Ostafrikas erste Hausbrauerei mit Sudhaus aus Bamberg
"Garden Bräu" nennt sich Ostafrikas erste Hausbrauerei. Der 67-jährige Äthiopier betreibt hier die beliebte Gaststätte "Beer Garden Inn" im Bayernlook und auf fünf Etagen das gleichnamige Hotel. Tejiwe hat an der Braumeisterschule Ulm gelernt, an der TU Weihenstephan sein Diplom gemacht und ein Aufbaustudium Getränketechnologie draufgesattelt.

Mit seiner deutschen Ehefrau und zwei Kindern ging er zurück nach Äthiopien und startete Mitte der 90er Jahre durch. Zunächst als technischer Leiter einer äthiopischen Brauerei, dann mit Dematech, seiner eigenen Firma für Getränketechnik. Hier ist mittlerweile Krones eingestiegen. Über das äthiopische Unternehmen können die Bayern leichter Ersatzteile importieren.
Größtes Problem für Unternehmen ist der Devisenmangel
Staatlich regulierte Wirtschaft, Bürokratie, lange Wartezeiten - in einem Land wie Äthiopien braucht es unternehmerischen Idealismus. Wegen des Devisenmangels muss Banshebi Tejiwe über Monate im Voraus den Brauhopfen aus der Hallertau ordern. Neue Geräte sind nur schwer anzuschaffen. Und auch das Hotel bekommt die Dollar- und Euroknappheit zu spüren.

"Wir kennen die Wünsche unserer Gäste", sagt Tejwes Tochter Ariane Addisitu, die Hoteldirektorin. "Aber wir müssen mit dem zurechtkommen, was wir haben." Das klingt bescheiden aus dem Mund der 43-jährigen Deutsch-Äthiopierin, dabei hat sich das "Beer Garden Inn" mit seinen 32 Zimmern auch bei ausländischen Besuchern einen guten Namen gemacht.
Investoren zum Beispiel für Hotelerweiterung gesucht
Trotz aller Hürden und Devisenprobleme setzt die Familie auf die Zukunft: Ein Hotelanbau mit weiteren 109 Zimmern, Spa-Bereich und Schwimmbad ist im Rohbau. Für den Innenausbau und die Fertigstellung ist Banshebi Teijwe noch auf Suche nach Geldgebern und Investoren. Die können, so hofft er, auch aus Bayern kommen. Demnächst will er deshalb im Bayerischen Afrikabüro vorbeischauen.
