Eigentlich stellt die Firma „ALMA driving elements GmbH“ in Schollbrunn (Lkr. Main-Spessart) Vakuumantriebe und Reinräume für die Produktion von Halbleiterprozessoren, Handydisplays und Solarpanels her. Die Geschäftsräume erinnern allerdings mehr an eine Galerie als an ein mittelständisches Unternehmen mit 65 Mitarbeitern: In den langen Gängen hängen Lithographien. Auf dem Boden stehen runde, verzierte Platten aus Edelstahl, die wie Schallplatten aussehen. Die Farben in den einzelnen Räumen sind aufeinander abgestimmt, alles wirkt wie eine große Kunstinstallation.
Kunst soll Mitarbeiter inspirieren
Initiatorin des Kunstprojekts am Arbeitsplatz ist Margit Firmbach. Seit 13 Jahren ist sie Geschäftsführerin des Unternehmens. Für ihr Konzept ist die Firma Ende Juni beim Wettbewerb TOP 100 als innovativstes Unternehmen des deutschen Mittelstandes ausgezeichnet worden. „Hier geht es nicht um eine hübsche Kunstausstellung: Die Absicht ist es, Innovation zu fördern und nicht, um Urlaub zu machen“, erklärt Firmbach. „Da geht es um kleine Ablaufverbesserungen bis hin zur Entwicklung neuer Produkte. Die Mitarbeiter sollen die gedankliche Freiheit entwickeln, über den Tellerrand hinauszuschauen und innovativ zu sein“, erklärt Johannes Schwab. Firmbach bezeichnet ihn als ihren „philosophischen Unternehmensberater“. Eigentlich ist er freischaffender Künstler mit einem Atelier in Wertheim (Lkr. Main-Tauber).
Demut, Hingabe, Respekt
Als Firmbach nach einem Gesellschafterwechsel vor rund eineinhalb Jahren alleine an der Spitze des Unternehmens steht, wendet sie sich für den Aus- und Umbau des Unternehmens an den Künstler. Schnell geht es nicht nur um die Frage der Gestaltung, sondern auch um die Unternehmensführung selbst. Das Ergebnis: Die Kunst soll eng mit der Firmenphilosophie verknüpft werden. In Anlehnung an den Firmennamen, der auf die einstigen Gründer zurückgeht, entwickelt Schwab die Idee der Alma Mater – eigentlich die Schutzpatronin der Universitäten und „Nährmutter“ der Studierenden, die sie mit Bildung und Wissen versorgt. Firmbach erklärt, sie habe vom Ursprung des Alma-Mater-Gedankens gleich inspiriert gefühlt: „Als ich die Bedeutung des Begriffs Alma Mater kennengelernt habe, da wuchs für mich die Vision mit den drei Säulen: Demut, Hingabe, Respekt.“
Diese drei Säulen sollen „den Mensch und das Produkt in den Fokus rücken“. Firmbach: „Dass wir mehr Augenmerk drauf legen als ein anderes Unternehmen soll unser Wettbewerbsvorteil sein.“ Das gelte nicht nur in der Produktion, sondern auch im kollegialen Miteinander: In vielen Besprechungsrunden gehe es oftmals um Schuldzuweisung. Wenn man sich allerdings selber zurücknehme, entstehe ein höheres Wohlgefühl und eine respektvolle Atmosphäre. Das steigere letztlich auch die Produktivität.
Leitbild soll nicht nur Hülle sein
Leitbilder sind in der Unternehmenswelt nichts Neues – lassen sie sich nicht auch ohne „Alma-Marter-Konzept“ vermitteln? „Heutzutage sind diese Werte eben mehr und mehr zu einer Floskel geworden, die nichts zu bedeuten haben“, findet die Geschäftsführerin. Gerade bei Corporate Identity und Leitbildern entstehe sehr leicht eine Hülle, die dem Unternehmen übergezogen werde – das komme bei den Mitarbeitern nicht an, sagt Schwab. Bei ALMA soll die Firmenphilosophie hingegen aktiv in den Alltag des Betriebs eingebunden werden.
„Viele sind überrascht gewesen, dass so etwas zum Thema wird und dass man versucht, Werte im täglichen Leben zu leben, aber auch gegenüber dem Produkt zu zeigen“, sagt Firmbach. Die Mitarbeiter seien von Anfang einbezogen worden. Sicherlich sei es nicht zu leisten, dass jeder zu 100 Prozent dahinterstehe: „Aber ich denke auch, das weicht auf. Alle sind an einem unterschiedlichen Punkt angelangt: Der eine macht sich noch lustig drüber, der andere lässt sich davon inspirieren.“ Teil des „Alma-Mater-Konzepts“ sind auch künstlerische Workshops, die den Mitarbeitern angeboten werden. Einige haben beispielsweise an einem Kommunikationstraining teilgenommen, andere runde Edelstahlplatten gestaltet, um ein vertieftes Gefühl für das Material zu entwickeln.
Spürbarer Effekt auf Produktivität
Doch nicht nur bei den Mitarbeitern sei ein positiver Effekt zu spüren gewesen – auch ihren Kunden hat die Geschäftsführerin das Konzept vorgestellt. Der Kontakt sei deutlich partnerschaftlicher, die Vertrauensbasis größer: Bei den typischen Einkäuferanrufen habe sich der Ton geändert, auch ein Lieferverzug „äußere sich anders“. Auch wenn die tatsächliche Effizienzsteigerung durch das Kunstprojekt nicht mit Excel-Tabellen oder prozentuellen Wachstumsprognosen messbar ist – Firmbach ist überzeugt: Das „Alma-Mater-Konzept“ hat bereits jetzt einen positiven Effekt auf die Arbeitsatmosphäre, die Produktivität und letztlich auch auf den Gewinn.