Auf dem Besprechungstisch in dem Würzburger Altbau liegen große Papierbögen verteilt. Darauf sind Grundrisse von Gebäuden zu sehen. Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass es sich um ein klassisches Architekturbüro handelt. Stattdessen gehören hier Skizzenrollen und Zeichenstifte längst der Vergangenheit an.
Kunde kann schon vorher ins Haus
Die Mayarchitekten zeichnen ihre Entwürfe auf Tablets und arbeiten vernetzt. Ihre Kunden müssen nicht bis zur Schlüsselübergabe warten, denn sie betreten ihre Häuser als virtuelle 3D-Modelle – schon bevor diese gebaut sind.
Möglich macht das die vernetzte Planungsmethode Building Information Modeling, kurz BIM. Diese Methode dient den Mayarchitekten als Arbeitsgrundlage. Ergebnisse ihrer vernetzten Planung sind in ganz Deutschland zu sehen: eine Penthouse-Wohnung in Berlin, ein Haus auf Rügen und eine Vinothek in der Münchner Residenz.
3D schon in den Kinderschuhen verwendet
Schon an ihrem ersten Projekt hat das Architekturbüro mit seinen zehn Mitarbeitern digital gearbeitet. Frisch von der Uni gekommen, hat Architekt Christian Hofmann mit zwei Studienkollegen den Wettbewerb zur Erweiterung des Steinburghotels in Würzburg gewonnen.
Darunter war auch Andreas Ebner, einer der beiden Geschäftsführer der Mayarchitekten. Der Auftrag ließ den Architekten keine andere Wahl: Sie mussten sich selbstständig machen. Direkt nach der Gründung 2007, damals noch unter dem Namen Hedarchitekten, planten sie die Erweiterung des Hotels auf der Steinburg – digital und in 3D. „Da war das Ganze noch in den Kinderschuhen“, erinnert sich Hofmann, Gesellschafter der Mayarchitekten.
Was das Besondere an BIM ist
Beim Projekt Steinburghotel habe sich bereits herausgestellt, dass die Architekten an dem 3D-Modell intensiv mit Fachplanern zusammenarbeiten müssen. Während das Architekturbüro die übergreifende Planung übernimmt, sind Fachplaner für einen bestimmten Projektabschnitt zuständig.
Das Besondere an BIM ist, dass der Zehn-Mann-Betrieb ein 3D-Gebäudemodell entwirft. Auf das können alle am Bau beteiligten Firmen wie Elektrotechniker, Haustechniker und Tragwerksplaner über ihre eigenen Rechner zugreifen. „Bei BIM müssen wir andere Wege gehen, um unser Ziel zu erreichen“, erklärt Hofmann. „Die Architektur selbst ändert sich dadurch nicht.“
BIM nutzt auch der Liegenschaftsverwaltung
Ein Vorteil dabei sei, dass das Architekturbüro Fehler leichter vermeiden könne. Sie sehen alles auf einen Blick, auch die Problemstellen. „Es ist wichtig, dass alle Detailpunkte schon im Voraus geklärt sind“, sagt der 36-Jährige.
„Das digitale Gebäudemodell lebt vor allem von dem I im BIM“, sagt Hofmann und meint damit I wie Information. Sowohl die Mayarchitekten als auch die Fachplaner können die Infos aus dem Modell nur nutzen, wenn die Daten von jedem einzelnen Bauteil stimmen. Diese können später auch für das Facility Management nützlich sein, also für die Liegenschaftsverwaltung. Dafür gibt es eine Voraussetzung: „Das Gebäudemodell muss während des Baus informativ aktuell gehalten werden, nicht nur zeichnerisch“, so der Architekt.
Was BIM aus Architekten macht
Während der vernetzten Planung laufen alle Fäden im Architekturbüro zusammen. „BIM bietet für den Berufsstand die Chance, wieder als Gesamtkoordinator eines Projekts in Aktion zu treten“, sagt Heiner Farwick, Präsident vom Bund Deutscher Architekten. Dadurch würden die Aufgaben in Architekturbüros umfangreicher. „Dieser Aufwand, der allen Beteiligten zugute kommt, muss angemessen honoriert werden“, fordert Farwick.
Schnittstellen sind eine Herausforderung
An der Umsetzung der vernetzten Zusammenarbeit hapert es noch. Gebäudemodelle mit Fachplanern abzugleichen und Informationen auszutauschen, sei nicht immer einfach, so Architekt Hofmann. „Die Schnittstellen zwischen den Fachdisziplinen sind eine große Herausforderung.“
Essentiell dafür: die Kommunikation in Workshops und die Freigabe von Zugriffsrechten. Den Mayarchitekten kommt es deshalb zugute, dass eine Etage über ihnen das Ingenieurbüro Starz sitzt, das die Tragwerksplanung übernimmt. Das bedeutet kurze Wege für eine funktionierende Kommunikation.
Architekt: Nicht gegen BIM wehren
Von den Veränderungen durch BIM lassen sich viele Architekturbüros abschrecken. Eine Befragung der Bundesarchitektenkammer von April 2018 zeigt, dass nur neun Prozent der deutschen Architektur- und Planungsbüros BIM anwenden. Hofmann vermutet, dass viele die Risiken des vernetzten Arbeitens schlecht abschätzen können und deshalb darauf verzichten. Außerdem sei die Einarbeitung in das Thema sehr zeitintensiv. Trotzdem ist der Architekt überzeugt: „Wenn sich jemand gegen BIM wehrt, hat er verschlafen.“
Geändert haben sich auch die Dokumentations- und Entwurfsprozesse der Würzburger Architekten. Seit einem Jahr sind sie digitalisiert. Mit einem Touchpen können die zehn Mitarbeiter präziser und effektiver skizzieren als auf Zeichenbögen.
Per QR-Code ins Wohnzimmer
Zurzeit arbeitet Hofmann zum Beispiel an dem digitalen Entwurf eines Drogeriemarkts. „Genauer bekomme ich das nur mit erheblichem Mehraufwand hin“, erklärt Hofmann, „Grundstück ausdrucken, Skizzenrolle drüberlegen, zeichnen, einscannen.“ Der digitale Entwurf dient als Grundlage für das 3D-Gebäudemodell. Das können die Mayarchitekten dem Bauherrn dank BIM in verschiedenen Stufen präsentieren: von fotorealistischen Bildern im Computer bis zum Betreten des virtuellen Hauses.
Mit seinem Smartphone scannt Hofmann einen QR-Code ein. Auf dem Bildschirm erscheint das Esszimmer einer Villa in Waldbrunn. Der Architekt dreht sich mit dem Smartphone um die eigene Achse. Er sieht die Küche und dann die Treppe, die ins nächste Stockwerk führt. Es ist, als würde man sich von einem festgelegten Standpunkt aus in der Villa umsehen. Setzen die Bauherren eine Virtual-Reality-Brille auf, können sie sogar in der Villa herumlaufen – digital zumindest.
Vor- und Nachteile für den Kunden
Dass ihre Kunden das Haus vor der Fertigstellung virtuell betreten können, ist für die Würzburger Architekten Vor- und Nachteil zugleich. Einerseits können sie sich zwar sicher sein, dass den Kunden das Gebäude gefällt. „Aber der Überraschungseffekt fällt komplett weg“, sagt Hofmann. Die Herausforderung liege deshalb darin, die richtige Stufe zum richtigen Zeitpunkt zu präsentieren.
BIM wird weitere Kreise ziehen
Der 36-Jährige hat eine klare Vorstellung davon, wie die Digitalisierung die Arbeit der Mayarchitekten in Zukunft weiter verändern wird. Er denkt an einen Raum, der speziell für 3D-Präsentationen eingerichtet ist. Darin werden Gebäudemodelle an die Wände projiziert. Der Raum soll so auch die Zusammenarbeit mit Fachplanern erleichtern.
Vielleicht werden die Papierbögen auf dem Besprechungstisch dann überflüssig. Hofmann ist sich jedenfalls sicher: „Unsere Arbeit mit BIM wird sich weiterhin eklatant verändern.“
Unsere Serie „Arbeitswelten der Zukunft“ zeigt anhand vieler Beispiele aus der Region, wie sich die Digitalisierung auf Berufe und Unternehmen ausgewirkt hat – oder noch auswirken wird. Alle Beiträge zur Serie finden Sie auf
Nächste Folge: Bankangestellte.
BIM-Praxiswerkstatt Über einzelne Architekturbüros hinaus tut sich in Mainfranken Einiges beim Building Information Modeling (BIM). So wird es von 23. bis 26. Oktober in Würzburg eine „BIM-Praxiswerkstatt“ geben. Veranstalter sind die Institut für Wissen in der Wirtschaft GmbH und BIM-Expertin Kirstin Bunsendal (beide Würzburg). Das Seminar soll unter anderem Grundlagen und rechtliche Aspekte vermitteln. Einzelheiten: www.bim-praxiswerkstatt.de (aug)