Der Neubert ist eine der Traditionsmarken der mainfränkischen Wirtschaft. 1876 als Schreinerei im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld gegründet, gehört das Unternehmen seit 2000 zur österreichischen XXXL-Gruppe, der weltweiten Nummer zwei der Möbelbranche. In Würzburg beschäftigt XXXL Neubert 850 Mitarbeiter, in Schweinfurt 250. Helmuth Götz (49) gehörte seit 1994 zur Neubert-Führung; heute ist er Sprecher der XXXL-Geschäftsleitung.
Frage: Herr Götz, im Oktober werden es 30 Jahre, dass Sie bei Neubert angefangen haben. Heute sind Sie Mitglied der Geschäftsleitung der XXXLutz-Gruppe, der weltweiten Nummer zwei der Möbelbranche. Was hat sich verändert?
Helmuth Götz: Zum einen sind Möbel und Einrichten für die Menschen in dieser Zeit sehr viel wichtiger geworden. Individualität, Qualität, Wohlfühlen und gesundes Wohnen haben enorm an Bedeutung gewonnen. Das Sortiment ist entsprechend abwechslungsreicher und umfangreicher. Zum anderen hat auch in unserer Branche der Konzentrationsprozess zugenommen. Neubert ist heute Teil eines großen Unternehmens mit 28 Standorten in Deutschland. Was in all den Jahren geblieben ist, ist die Service-Orientierung. Gute Dienstleistung wurde von uns schon immer erwartet – und auch geboten.
Werden heute andere Möbel gekauft als damals? Gibt es noch Leute, die mit 25 oder 30 das Schlafzimmer „fürs Leben“ erwerben?
Götz: Möbel sind nach wie vor ein sehr langlebiges Gut. Allerdings sind die Gestaltungsmöglichkeiten viel individueller geworden. Auch Möbel unterliegen Modetrends. Der Prozentsatz derer, die sich mit 25 Jahren die Einrichtung fürs Leben kaufen, tendiert gegen null. Möbel und Einrichtung erfüllen in unterschiedlichen Lebensabschnitten und -phasen natürlich auch unterschiedliche Bedürfnisse. Wer kleine Kinder hat, braucht andere Möbel als Singles.
Sind die Möbel nicht funktionaler geworden?
Götz: Sicher! Schauen Sie nur, was sich im Bereich der Küche getan hat. Vor 25 Jahren war diese ein kleiner Raum zum Kochen, heute haben wir die Erlebnisküche. Dort bereitet man gemeinsam Essen zu – und dort genießt man es auch. Die Küche ist heute wieder Lebensmittelpunkt. Auch die Veränderungen bei den Medien wirken sich aus. Wo früher der Fernseher in einem Schrank versteckt wurde, hängt heute ein LCD- oder Plasma-Fernseher, oder gar ein komplettes Heimkino. Die Einrichtung wird darauf abgestimmt.
Den Möbelhändlern geht es offensichtlich gut. Vor allem die führenden Unternehmen wachsen. Gilt das auch für XXXL Neubert in Würzburg und Schweinfurt?
Götz: Wir sind in dieser Region, seit wir den Standort Schweinfurt haben, überproportional gewachsen. Der Umsatzverlust, den wir in Würzburg wegen des Neubaus in Schweinfurt einkalkuliert hatten, ist deutlich geringer ausgefallen als von uns prognostiziert.
Können Sie Zahlen nennen?
Götz: Vor der Eröffnung in Schweinfurt hatte XXXL Neubert in Würzburg rund 90 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Inzwischen erwirtschaften wir in dieser Region über 130 Millionen Euro.
Trügt der Eindruck, dass in Mainfranken der Wettbewerb unter den Einrichtungshäusern besonders groß ist?
Götz: Der Wettbewerb in Mainfranken ist aus meiner Sicht eher geringer ausgeprägt als an anderen Standorten in unserer Branche.
Trotz der vielen mittelständischen Unternehmen, die es hierzulande gibt?
Götz: Die spielen eine wichtige Rolle, der Wettbewerb ist sehr lebendig. Aber wir haben hier bei weitem nicht diese Wettbewerbsschlachten wie in einigen Großstädten, beispielsweise Frankfurt oder München.
Geben die Menschen hier mehr Geld für Möbel aus als im übrigen Bundesgebiet?
Götz: Wir Deutschen sind Möbel- und Einrichtungsweltmeister. Wir liegen bei 740 Euro pro Haushalt und Jahr. Regionale Unterschiede stellen wir dabei nicht fest.
Welche Sparte läuft besonders gut?
Götz: In den vergangenen Jahren eindeutig die Bereiche Küchen, Polstermöbel und alle Arten von Wohnaccessoires.
Wettbewerb bedeutet auch Wettbewerb um Mitarbeiter. Gerade beginnen bei XXXL Neubert in Würzburg und Schweinfurt 46 junge Menschen ihre Ausbildung. Was können Sie ihnen bieten?
Götz: Einmal eine wirklich fundierte Ausbildung durch unser Ausbildungssystem mit firmeneigener Akademie und vielen Qualifizierungsmaßnahmen. Auf der anderen Seite einen sehr abwechslungsreichen, praxisorientierten Arbeitsplatz. Auszubildende arbeiten tatsächlich mit, sie haben auch Kundenkontakt – je nachdem, für welchen Beruf sie sich entscheiden. Wir bilden in acht verschiedenen Fachrichtungen aus. Die Facette der Berufsbilder reicht vom Handelsfachwirt über Kaufleute für Bürokommunikation bis hin zu Kaufleuten für visuelles Marketing oder Kfz-Mechaniker. Ein ganz entscheidender Punkt ist die Perspektive, die wir unseren Auszubildenden – deutschlandweit aktuell 1500 – bieten. Wir haben in den letzten Jahren über 90 Prozent von ihnen dauerhaft übernommen. Ich denke, da haben wir auf dem Ausbildungsmarkt eine absolute Ausnahmestellung. Unser mittelfristiges Ziel ist es, 75 Prozent unserer Führungspositionen mit Mitarbeitern zu besetzen, die bei uns ausgebildet wurden. Gute Ausbildung hat auch eine strategische Funktion. Wir können uns letztlich nur durch die Leistungen unserer Mitarbeiter von den Wettbewerbern unterscheiden.
Gab es Probleme, geeignete Bewerber zu finden?
Götz: In den Bereichen Bürokommunikation, Marketing, Einkauf oder Logistik gibt und gab es überhaupt keine Probleme. Da haben wir nach wie vor eine umfassende Auswahl. An einigen Standorten wird es kritisch, wenn wir Auszubildende für den Verkauf suchen.
Woran liegt das?
Götz: Ich denke, in erster Linie an den Arbeitszeiten. Auch hier gibt es natürlich Regelarbeitszeiten, aber der Samstag ist im Einzelhandel natürlich der wichtigste Tag.
Wie sieht es mit der Bezahlung und der Sicherheit der Arbeitsplätze aus? Zuletzt gab es Streit mit der Gewerkschaft um einen Tarifvertrag.
Götz: Wir bieten sichere Arbeitsplätze, und 80 Prozent unserer Mitarbeiter werden über Tarif bezahlt. Mit der IG Metall gab es eine Auseinandersetzung um den Abschluss eines neuen Tarifvertrags. Wir haben uns entschieden, keinen Tarifvertrag abzuschließen und haben mit unseren Mitarbeitern eine Lohnerhöhung um 3,5 Prozent sowie eine Anhebung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds um bis zu 30 Prozent mit einzelvertraglichen Vereinbarungen abgeschlossen. Über 94 Prozent aller Mitarbeiter haben dem zugestimmt.
Was spricht gegen einen Tarifvertrag?
Götz: Bekanntlich haben in Deutschland 61 Prozent der Betriebe keine Tarifverträge. Das gefällt natürlich den Gewerkschaften nicht, weil es ihren Einfluss begrenzt und auf Betriebsräte verlagert. Auch in den XXXL-Betrieben gibt es keine Tarifverträge. Wir setzen auf betriebliche Lösungen, die den Besonderheiten der Branche, der jeweiligen Standorte, und den Wünschen der Mitarbeiter und Betriebsräte gerechter werden. Nicht alle Betriebe haben die gleichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Mitarbeitern in wirtschaftlich schwachen, zum Beispiel übernommenen Betrieben liegt mehr an einer Standortsicherheit als an Entgeltfragen.
XXXL Neubert hat bis 2009 insgesamt 45 Millionen Euro in Schweinfurt investiert; gerade haben Umbauarbeiten am Neubert-Stammsitz Würzburg begonnen. Was haben Sie genau vor?
Götz: In das Gebäude, das bisher für das Junge Wohnen genutzt wird, soll Mömax, ein trendiger Mitnahmemarkt, einziehen. Hier wollen wir künftig eine deutliche Trennung zwischen den Marken XXXL Neubert und Mömax herbeiführen. Der Verbindungsteil über dem Wiesenweg, wo bisher die Lampenabteilung untergebracht ist, wird abgerissen. Die Lampenabteilung und die Abteilung Junges Wohnen werden in das Haupthaus integriert. Im Haupthaus müssen somit alle Abteilungen umgebaut und völlig neu gestaltet werden. Das Parkdeck ist bereits abgerissen; damit wird ein freier Blick auf beide Gebäudeteile ermöglicht. Um ausreichend Parkplätze bieten zu können, errichten wir auf unserem bisherigen Parkplatz sowie auf den bisherigen Tennisplätzen auch eine Tiefgarage. Damit unser neues Haus auch von außen die Attraktivität des Inneren widerspiegelt, wird derzeit auch ein Architekten-Wettbewerb zur Gestaltung der Außenfassade durchgeführt.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Götz: Der Umbau im Innern beginnt jetzt schon peu a peu. Im Frühling wird der Haupteingang im Wiesenweg in Richtung der jetzigen Tennisplätze verlegt. Gegenüber dem neuen Haupteingang soll dann der 16 Meter hohe, rote Stuhl stehen. Die Tiefgarage wird in zwei Abschnitten, beginnend im März, gebaut, um in jeder Bauphase ausreichend Parkplätze anbieten zu können. Die Eröffnung des umgebauten Hauses ist für Ende 2012 geplant. Wir investieren alles in allem rund 40 Millionen Euro. Damit soll Würzburg zum Juwel der deutschen Einrichtungshäuser werden.
XXXL Neubert engagiert sich auch für das Gemeinwohl. Zum Beispiel in der Leseförderung. Was tun Sie da genau?
Götz: Wir unterstützen aktiv das KLASSE!-Projekt der Main-Post. Seit dem Schuljahr 2010/2011 gibt es das XXXL-Lese-Ecken-Angebot für alle Schulen in Mainfranken. Rund 400 Schulen haben das Angebot angenommen und eine Leseecke bekommen; des Weiteren erhalten sie täglich Tageszeitungen. Auch 2011/12 wird das XXXL-Lese-Ecken-Angebot weitergeführt.
Sie sind auch bekannt für Ihre Benefizaktionen zugunsten sozialer Einrichtungen. Oft sind Prominente mit im Boot: Franz Beckenbauer, Peter Maffay, der „Graf“ oder Hansi Hinterseer. Mit wem dürfen die Mainfranken denn als Nächstes rechnen?
Götz: Mit Peter Maffay. Ich möchte nicht zu viel verraten. Aber es wird eine weitere, wesentlich umfangreichere Kooperation mit der Peter-Maffay-Stiftung geben, wenn im Oktober das neue „Tabaluga“-Album erscheint. Schon jetzt arbeiten wir eng zusammen. Zuletzt haben wir in Rumänien ein großes Projekt der Peter-Maffay-Stiftung vor allem mit gebrauchten Möbeln ausgestattet. Es war für uns bewegend zu sehen, in welchem Umfang wir mit Möbeln aus Reklamationen und Warenrücknahmen in Kooperation mit Vorlieferanten helfen konnten.
XXXLutz-Unternehmensgruppe
Weltweit ist die österreichische XXXLutz-Gruppe mit drei Milliarden Euro Umsatz die Nummer zwei auf dem Möbelmarkt hinter Branchenführer Ikea, der laut Angaben des Bundesverbandes des Deutschen Möbel-, Küchen- und Einrichtungsfachhandels (BVDM) im Vorjahr 23,1 Milliarden Euro umgesetzt hat.
In Deutschland liegt Ikea mit 46 Standorten (unter anderem Würzburg), 14 000 Mitarbeitern und 3,5 Milliarden Euro Jahresumsatz ebenfalls vorn. Auf Platz zwei folgt die Höffner-Möbelgesellschaft mit 24 Häusern der Marken Höffner und Kraft (plus 24 Sconto-Märkte), 8650 Mitarbeitern und knapp zwei Milliarden Euro Umsatz, so der BVDM.
Die XXXLutz-Unternehmensgruppe belegt hierzulande Platz drei mit 28 Häusern der Marken XXXLutz (unter anderem Haßfurt), XXXL Mann Mobilia, XXXL Neubert (Würzburg, Schweinfurt, Hirschaid), XXXL Hiendl, XXXL Bierstorfer, XXXL Emslander und XXXL Gamerdinger (plus 24 Mömax-Märkte), 9300 Mitarbeitern und rund 1,3 Milliarden Euro Umsatz. micz