Wie wichtig die zuverlässige Versorgung mit reinem Trinkwasser ist, wurde im nördlichen und westlichen Landkreis Würzburg zuletzt im Sommer 2018 bewusst, als im Versorgungsnetz der Fernwasserversorung Mittelmain (FWM) eine erhöhte Keimbelastung festgestellt wurde und Tausende von Haushalten aufgefordert werden mussten, ihr Leitungswasser nur noch abgekocht zu verwenden. Die Folgen der Verkeimung wären sehr viel geringer gewesen, wenn es möglich gewesen wäre, einzelne Gemeinde über eine andere Leitung zu versorgen. Dem will die FWM nun mit dem Bau einer Verbindungsleitung zwischen Kist und Reichenberg Rechnung tragen.
6,3 Kilometer ist die Leitung lang, die quer durch den Guttenberger Wald führen wird. Sie besteht aus Gußeisen und wird schätzungsweise fünf Millionen Euro kosten. Bis zu 2500 Kubikmeter Trinkwasser täglich können über die neue Leitung vom Netz der Fernwasserversorgung Franken ins FWM-Netz eingespeist werden. Dadurch entsteht ein Ringschluss im Leitungsnetz, der es erlaubt, einzelne Leitungsstrecken außer Betrieb zu nehmen, ohne dass die nachfolgenden Anschlussnehmer auf dem Trockenen sitzen, erklärt FWM-Werkleiterin Eva von Vietinghoff-Scheel. Nicht nur für Kist steige damit die Versorgungssicherheit, sondern auch für die übrigen Gemeinden im westlichen Landkreis.
Ursprünglich sollte die Verbindungsleitung bereits 2014 gebaut werden. Dann kam es zu Unstimmigkeiten zwischen der FWM und der Trinkwasserversorgung Würzburg, die damals noch eng zusammenarbeiteten. Die Verbandsversammlung verhängte einen Baustopp. Erst seit das Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg (KU) 2016 die Betriebsführung des FWM übernommen hat, kam wieder Bewegung in die Sache. KU-Vorstand Alexander Schraml bezeichnet den Ringschluss deshalb als längst überfällig.
Leitung durch Bannwald und Schutzgebiete
Die Schwierigkeiten, mit denen FWM-Baureferent Klaus Rüger dabei zu tun hat, sind allerdings erheblich. Die geplante Leitungstrasse führt durch Wirtschaftswald, Bannwald und verschiedene Schutzgebiete. Deshalb könne nur in Abschnitten gebaut werden: Teile der Strecke im Sommer, um die winterlichen Forstarbeiten nicht zu behindern, andere Teile im Winter, um geschützte Arten wie Fledermäuse nicht gefährden. Die Bauzeit verlängert sich deshalb auf einen Zeitraum zwischen eineinhalb und zwei Jahren.
Auch technisch ist die Verlegung eine Herausforderung. Die Leitung soll unter bestehenden Waldwegen hindurch führen. Statt wie üblich ein Baufeld von 12 bis 18 Metern steht nur ein sechs Meter breiter Streifen zur Verfügung. Dafür müssen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Bäume gefällt werden.
In den ersten Plänen wollte man die Leitung noch entlang der Kreisstraße zwischen Reichenberg und Kist verlegen und die Trasse als Radweg ausbauen. Dazu wären weit mehr Eingriffe in die Natur nötig gewesen, sagt Rüger. Der Wunsch der beiden Gemeinden nach einem Radweg entlang der gefährlichen Straße bleibt deshalb unerfüllt.
"Deshalb ist es ganz wichtig, Versorgungssicherheit für Kist zu schaffen."
Volker Faulhaber, Bürgermeister
Trotzdem werde die Verbindungsleitung in Kist einhellig begrüßt, so Bürgermeister Volker Faulhaber. "Bis jetzt liegen wir am Ende des Leitungsasts", sagt er. Die Gemeinde ist die höchstgelegene im Landkreis Würzburg, jede Störung ab dem Hochbehälter Kühruh bei Leinach würden die Kister direkt zu spüren bekommen. "Deshalb ist es ganz wichtig, Versorgungssicherheit für Kist zu schaffen."
Warum es im Sommer zu einer erhöhten Keimbelastung und damit zu Einschränkungen für rund 50 000 Landkreisbürger kam, sei übrigens weiterhin nicht bekannt, so Werkleiterin Eva von Vietingshoff-Scheel. Ein Rohrbruch, wie zunächst spekuliert, sei als Ursache unwahrscheinlich. Möglicherweise sei allein der heiße Sommer schuld gewesen, nachdem auch anderer Versorger Keimprobleme hatten.
Chlorung wird wieder zurückgefahren
Seitdem wird die Keimbelastung dreimal wöchentlich untersucht. Eine erhöhte Belastung sei seitdem nicht mehr aufgetreten, sagt Klaus Rüger. Die Chlorung des Trinkwassers werde deshalb stufenweise wieder zurückgefahren.
Der Baubeginn für die neue Leitung ist 2021 geplant, so Vietinghoff-Scheel. Derzeit fänden Verhandlungen mit den betroffenen Grundstückseigentümern statt. Bereits im nächsten Jahr sollen der über 40 Jahre alte Hochbehälter und das Pumpwerk an der Gemarkungsgrenze zwischen Kist und Eisingen erneuert werden. Der neue Hochbehälter fasst dann rund 2000 Kubikmeter.

Damit hat auch der weithin sichtbare Kister Wasserturm ausgedient. Bislang wurde das Wasser vom Hochbehälter in den Wasserturm gepumpt und über das natürliche Gefälle ins Ortsnetz verteilt. Der Wasserturm müsste ebenfalls dringend saniert werden, sagt Bürgermeister Faulhaber. Außerdem herrschen im Gemeindegebiet je nach Höhenlage unterschiedliche Druckverhältnisse.
Künftig soll das Versorgungsnetz in zwei Höhenzonen aufgeteilt und direkt über eine Druckerhöhungsanlage im Hochbehälter versorgt werden. Mit der Folge, dass das Wasser aus allen Kister Wasserhähnen mit dem annähernd gleichen Druck fließt. Der Wasserturm, der längst zum Wahrzeichen der Gemeinde geworden ist, hat dann keine Funktion mehr. Abreißen will man ihn nicht, versichert Faulhaber. Derzeit sei man auf der Suche nach einer künftigen Verwendung.