Der Moosbach oder Wittigbach führt von Kirchheim in Richtung Taubertal. Acht Regenüberläufe und Regenüberlaufbecken geben bei Starkregen überschüssiges Wasser aus der Kanalisation in den Moosbach und seine Seitenbäche ab. Dabei geht auch Schmutzwasser aus den angeschlossenen Haushalten in den Bach. Nun wurde bekannt, dass die Bauwerke zum Teil schon seit 2005 nicht mehr über eine Genehmigung für die Einleitung von verschmutztem Wasser verfügen.
Vor kurzem hat das Landratsamt nach Aufforderung durch die Regierung von Unterfranken rückwirkend Abgabenbescheide für die Einleitung von verschmutztem Niederschlagswasser seit 2014 verschickt. Im Fall Kirchheims geht es um knapp 65 000 Euro, beim Abwasserzweckverband Wittigbach um etwa 100 000 Euro. Die Abgaben können auf die Abwassergebühren, die die Bürger zu zahlen haben, umgelegt werde.
"Die Erlaubnisse sind irgendwann ausgelaufen und keinen hat es gestört."
Marcus Wessels, Bürgermeister von Wittighausen
Der Abwasserzweckverband Wittigbach und die Gemeinden Kirchheim, Giebelstadt und Geroldshausen drohen nun dem Landratsamt mit Klage und haben sich bereits anwaltlichen Beistand gesichert. Das Landratsamt habe es versäumt, rechtzeitig auf die auslaufenden Genehmigungen hinzuweisen, lautet ihr Vorwurf.
Dem Vorsitzenden des Abwasserzweckverbands und Bürgermeister von Wittighausen, Marcus Wessels, wäre eine außergerichtliche Einigung lieber. "Die Erlaubnisse sind irgendwann ausgelaufen und keinen hat es gestört", meint er. Er sieht daher alle Beteiligten in der Pflicht, die Eigentümer und Betreiber der Anlagen ebenso wie die Behörden: "Wir haben alle Fehler gemacht", fasst er zusammen.

Es habe nie Probleme mit den Anlagen oder Beschwerden gegeben, betont Kirchheims Bürgermeister Björn Jungbauer: "Die Bauwerke funktionieren augenscheinlich." Von einem Umweltskandal könne daher keine Rede sein. Das Dorfgebiet und damit die Belastung der Kanalisation sei lange Zeit kaum gewachsen. Auch die Betriebsbedingungen hätten sich nicht grundsätzlich geändert. Dennoch müsse nun geprüft werden, ob die drei Regenüberläufe, die der Gemeinde gehören, umgebaut oder vergrößert werden müssen.
Dass mit der Genehmigung etwas nicht stimmen kann, war bereits 2014 bemerkt worden, als sich die Gemeinde Kirchheim mit einem Regenüberlauf in den Rimbach und der Erschließung des Baugebiets "Am Schoppen" befasste. Zur Entwässerung des Baugebiets wollte man auf einen vorhandenen Regenüberlauf in der Neuen Bahnstraße zurückgreifen, konnte aber keine Genehmigung finden. Sicher ist: Beide Regenüberläufe wurden 1981 in Betrieb genommen– hierfür gibt es Bescheide – und waren bis 2005 genehmigt. Danach lässt sich keine weitere Betriebsgenehmigung mehr nachweisen. Weder im Landratsamt noch im Wasserwirtschaftsamt.
Keine Genehmigungsunterlagen auffindbar
"Wir haben das Wasserwirtschaftsamt angeschrieben, das zunächst davon ausging, dass es Unterlagen gibt, die dann aber doch nicht mehr auffindbar waren", berichtet Jungbauer. Das Amt erteilte schließlich 2018 eine befristete Erlaubnis. Die Erschließung des Baugebiets konnte beginnen. Die Kanalisation wurde als Trennsystem errichtet, das heißt: Schmutzwasser und Oberflächenwasser werden von vorn herein getrennt geführt. Eine Regenüberlaufbauwerk ist nicht mehr erforderlich. Für die übrigen Ortsbereiche gilt das nicht. Hier arbeitet die Kanalisation - wie früher üblich - noch im Mischsystem.
Weiter den Moosbach abwärts, jenseits der bayerischen Landesgrenze, scheint es mit der Überwachung der Einleitungen in das Bachsystem besser geklappt zu haben. So berichtet Marcus Wessels davon, dass das Landratsamt in Tauberbischofsheim die Gemeinden zwei Jahre im voraus auf des Auslaufen von Genehmigungen hinweist. "Von bayerischer Seite kam nie etwas", sagt er. Sämtliche Genehmigungen für die Bauwerke des Abwasserzweckverbands auf baden-württembergischer Seite lägen deshalb vor.
Alte Kläranlagen wurden zu Regenüberläufen umgebaut
Für die beiden Regenüberlaufbecken des Abwasserzweckverband in Kirchheim und in Gaubüttelbrunn – für sie wurden die früheren Kläranlagen umfunktioniert - und für zwei weitere Regenüberlaufbecken in Geroldshausen und Moos gilt dies nicht. Zudem wundert sich Wessels, dass das Landratsamt in Würzburg die Bescheide zum Teil an die Kommunen, zum Teil an den Zweckverband geschickt hat: "Das Landratsamt wusste wohl nicht genau, wer zuständig ist."
Dass es keine Probleme mit dem Gewässer gibt, möchte Wessels, anders als sein Amtskollege Jungbauer, nicht bestätigen: So klagten Angler, dass im Wittigbach, wie der Moosbach jenseits der Landesgrenze heißt, kaum noch größere Fische geangelt werden. Dies sei wohl die Folge eines zu geringen Angebots an sogenannten Fischnährtierchen, also Kleinkrebsen, Larven und ähnlichem. Sie sind besonders anfällig für einen Mangel an Sauerstoff. Seit Jahren stünde der Wittigbach und der nachfolgende Grünbach deshalb unter Beobachtung des Umweltschutzamts des Main-Tauber-Kreises. Allerdings gebe es "keinerlei Anhaltspunkte" dafür, dass die Regenüberlaufbecken des Abwasserzweckverbands daran schuld sind, so Wessels. Das abgegebene Wasser aus den drei Becken werde regelmäßig unmittelbar am Ausfluss kontrolliert.
Seit einem Jahr liegt eine Neuberechnung der Schmutzfracht vor
Voraussetzung für eine dauerhafte Genehmigung der Überlaufbauwerke sowie die Verlängerung der Betriebserlaubnis der zentralen Kläranlage in Wittighausen ist eine aktuelle Berechnung der Schmutzfracht. Sie ist für das gesamte Gewässersystem oberhalb der Kläranlage in Wittighausen nötig. Ein Fachbüro habe vor über einem Jahr einen Entwurf der Berechnung an das Landratsamt Würzburg weitergegeben. Seither habe sich, so Wessels, nichts mehr getan. Weder ein Bescheid noch eine Aufforderung, die Berechnung zu überarbeiten, sei bislang eingetroffen.
Stattdessen habe das Landratsamt hat im Dezember eine "beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis", befristet bis 2024, erteilt, berichtet der Kirchheimer Bürgermeister Björn Jungbauer. Die Regenüberlaufbecken auf bayerischer Seiten leiten also inzwischen wieder mit Genehmigung Schmutzwasser in den Moosbach oder seine Seitenbäche. Baulich sind sie noch immer auf dem Stand der Erstzulassung – so, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Mischsystem und TrennsystemDas Mischsystem war früher die übliche Bauform einer Ortskanalisation und ist noch in den meisten Kommunen im Einsatz. Dabei werden Schmutzwasser und Regenwasser in einem gemeinsamen Kanal geführt. Regenrückhaltebecken sollen eine Überlastung der Kanäle und Kläranlagen bei starken Niederschlägen vermeiden.Idealerweise leiten die Becken einen ersten Schwall, der noch stark mit Schutzwasser behaftet ist, in die Kläranlage. Das nachfolgende, nur noch gering verschmutzte Wasser wird direkt in den Vorfluter, also den nächsten Bach oder Fluss, geleitet.Inzwischen setzt sich immer mehr das sogenannte Trennsystem durch. Schmutz- und Oberflächenwasser werden dabei in getrennten Kanälen geleitet. Das Schmutzwasser geht in die Kläranlage, das Oberflächenwasser in den Vorfluter.Quelle: meg