Nicht stolpern im herkömmlichen Sinne, sondern innehalten und erinnern, dafür ist die Aktion der Stolpersteine gedacht, die der Kölner Künstler Gunter Demnig vor rund 30 Jahren ins Leben gerufen hat. Sieben dieser Stolpersteine mit den Messingplatten, in die der Künstler die Namen und Lebens-und Sterbedaten der einstigen jüdischen Mitbürgerinnen-und bürger eingeschlagen hat, wurden kürzlich in Giebelstadt verlegt.

Bevor Gemeindemitarbeiter Klaus Gransitzki den Stein in den Untergrund einpasste, fanden sich in der Untere Kirchgasse 3 rund 30 Teilnehmende zu der berührenden Aktion ein, die von Ivonne Göbel musikalisch begleitet wurde. Unter den Gäste hieß Bürgermeister Helmut Krämer Monika Berwanger willkommen, die sich seit langem mit dem jüdischen Friedhof in Allersheim beschäftigt und Angehörige der jüdischen Familie Mannheimer, die einst in dieser Gasse wohnte.
Ben Hackett möchte wieder nach Giebelstadt ziehen
Siegfried Mannheimer, der Sohn von Otto Mannheimer, der als letzter jüdischer Mitbürger auf dem Friedhof in Allersheim beerdigt wurde, war mit seinem Sohn und zwei Enkeln aus Israel angereist. Aus England kam der Ben Hackett, der Enkel von Otto Mannheimer, der bei seinen Großeltern aufgewachsen war. Wie er erzählt, wolle er in Kürze wieder nach Giebelstadt ziehen. Darüber freut sich nicht zuletzt sein Jugendfreund Roland Mark.
Als ehrenamtlichen Mitarbeiter des Gemeindearchivs haben Roland Mark und Heinz Gaßner mit Unterstützung von
den Lebensweg der jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner recheriert, an deren Geschichte mit den Stolpersteinen erinnert wird.Jette Mannheimer wurde 1878 in Giebelstadt als Tochter des Viehhändlers Seligmann Neumann geboren. 1898 heiratete sie den Büttharder Viehhändler David Mannheimer, der im Ersten Weltkrieg für seine besondere Tapferkeit mit dem "Bayerischen Militärverdienstorden III. Klasse mit Krone und Schwertern" ausgezeichnet wurde.
Im Ersten Weltkrieg für besondere Tapferkeit ausgezeichnet
Nach dem Tod von David Mannheimer am 28. Juli 1933 wurde seine Frau Jette gedrängt, das familieneigene Wohnhaus zu verkaufen. Sie zog 1937 nach Würzburg. Von dort wurde sie am 23. September 1942 mit dem fünften Deportationszug ab Würzburg in das Ghetto Theresienstadt deportiert und im Mai 1944 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Ihr einziger Sohn Otto, geboren 1899, floh vor den Nazis nach Belgien und kehrte nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit seiner Familie wieder nach Giebelstadt zurück.

In der Mergentheimer Straße erinnern drei Stolpersteine an Hirsch, Rudolf und Betty Schmidt. Der Kaufmann Hirsch Schmidt, geboren 1853, bewohnte als Witwer zusammen mit seinem Sohn Rudolf und seiner Schwiegertochter Betty das Haus Nummer 95 1/2. Im Januar 1939 wurde der 85-Jährige, im jüdischen Altersheim in Würzburg in der Konradstraße 3 untergebracht und starb dort am 8. November 1941.
Juden wurden zum Verkauf ihres Eigentums gezwungen
Durch die "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben" sowie die "Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens" vom Herbst 1938 waren Rudolf und Betty Schmidt gezwungen, ihr Geschäft aufzugeben und das Haus zu verkaufen. Der Erlös ging teilweise auf ein Treuhandkonto des Gauleiters Dr. Otto Hellmuth und zum größten Teil auf ein Sperrkonto bei einer Bank.
Im März 1942 wurden Rudolf und Betty Schmidt als die zwei letzten jüdischen Einwohner von Giebelstadt auf einem offenen Lastwagen zu einem Sammelplatz nach Kitzingen gebracht. Ihr zurückgelassenes Mobiliar wurde versteigert. Am 24. März.1942 wurde das Ehepaar Schmidt mit dem zweiten Deportationszug von Würzburg nach Izbica im Distrikt Lublin (Polen) gebracht, wo beide ums Leben kamen.
In der heutigen Flugplatzstraße 3 erinnern die Stolpersteine an Carolina, Gitta und Henriette Krämer. Carolina Krämer wurde 1873 in Berlichingen und heiratet im jahr 1900 den Giebelstadter Metzger Moses Krämer. Dieser starb 1908 in Werneck aufgrund eines unbekannten psychischen Leidens.
Opfer der Verbrechen an Menschen mit Behinderung
Ihre 1904 geborene Tochter Gitta lebte ab 1930 in der Heil- und Pflegeanstalt in Lohr am Main. Von dort wurde sie am 1. April 1940 in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar bei München gebracht und ist am 20. September 1940 in Hartheim bei Linz in Österreich im Zuge der Massenverbrechen der Nationalsozialisten an Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen umgebracht.
1930 mussten Carolina und Henriette Krämer in ein Anwesen in der heutigen Flugplatzstraße 7 umziehen. 1939 wurde das Haus an einen Friseur verkauft. Carolina und ihre Schwägerin wohnten noch im Dachgeschoss bis sie im November 1939 zwangsweise in die jüdische Gemeinschaftsunterkunft in Würzburg umgesiedelt wurden, wo Carolina Krämer am 1. September 1940 starb.
Heinriette Krämer musste ins jüdische Altersheim in der Dürerstraße umziehen. Am 10. September 1942 wurde die 77-Jährige mit dem vierten Deportationszug zunächst nach Theresienstadt, anschließend in Vernichtungslager Treblinka (Polen) verschleppt und dort am 29. September 1942 ermordet.
Am Ende Stolperstein-Verlegung dankte Bürgermeister allen, die dazu beigetragen haben, dass die Erinnerung an ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht verloren geht und die Stolpersteine als kleine Mahnmale dafür liegen, dass sich dieses dunkle Kapitel der Vergangenheit niemals wiederholen darf.