Bei der Feier an jenem Sonntag schmetterte eine Militärkapelle zackige Lieder, Stadtverwaltung, Militär, Uni und Kriegervereine stellten Abordnungen, es gab Böllerschüsse, ein "Hoch" auf Kaiser Wilhelm II. und abends einen studentischen Fackelzug vom Residenzplatz zum Turm. Die deutsche Welt schien noch in Ordnung, Patriotismus war angesagt, der Erste Weltkrieg kam er erst neun Jahre später.
Der 1898 gestorbene Otto von Bismarck, Reichsgründer und langjährige Kanzler, war in Würzburg populär, obwohl er die Stadt nur zweimal besucht hatte: 1876 mit Kaiser Wilhelm I. und 1894, vier Jahre nach seiner Entlassung, als Privatier.
Als ihr Idol 1898 gestorben war, gründeten seine Verehrer ein Komitee zum Bau eines Wahrzeichens in der Grünanlage zwischen Reußenweg und Mittlerem Schalksbergweg, die der Verschönerungsverein zwei Jahrzehnte vorher angelegt hatte. Heute heißt sie Bismarckwäldchen. Überall im deutschsprachigen Raum herrschte damals dieselbe Euphorie: Insgesamt entstanden in jenen Jahren 238 Türme für den Eisernen Kanzler.
"Götterdämmerung"
Als Material verwendete man in Würzburg hauptsächlich massive Muschelkalk-Quader aus Randersacker. "Götterdämmerung" heißt das Modell des Dresdner Architekten Wilhelm Kreis, das, je nach vorhandenen Geldmitteln und Größe der Bismarck-Begeisterung, in unterschiedlicher Höhe auch in anderen Städten verwirklicht wurde.
Auf der Vorderseite des Würzburger Monuments ist der Reichsadler als Relief zu erkennen. Er hält in seinen Krallen eine Schlange als "Symbol der einstigen Zwietracht deutscher Stämme", wie ein zeitgenössischer Text erläuterte.
Der trutzige Bau war ursprünglich als Aussichtswarte konzipiert, von der man den Blick über die Landschaft genießen konnte. "So richtig populär ist der Turm aber nie geworden", schrieb der Historiker Werner Dettelbacher, "auch wenn man 30 Jahre später Feierstunden und Sonnwendfeuer dorthin verlegt."
"Verwahrloster Zustand"
In anderen Städten, in denen sich die Errichtung von Bismarcktürmen jährt, sind rund um die restaurierten Monumente Feste gefeiert worden. Das berichtet Jörg Bielefeld aus Menden im Sauerland, der seine Begeisterung für die Türme auf einer eigenen Internetseite (www.bismarcktuerme.de) dokumentiert und hier auch den "verwahrlosten Zustand" des Würzburger Turms kritisiert.
Für eine Sanierung fehle sowohl mittel- als auch langfristig das Geld, erklärt dagegen der städtische Pressesprecher Ole Kruse. Immerhin hat zum Jubiläum das Gartenamt Bäume und Büsche im Umfeld des Turms zurückgeschnitten, so dass das Bauwerk, das samt Umgebung seit 1941 der Stadt gehört, besser zur Geltung kommt. Außerdem reparieren die Schreiner des Gartenamts derzeit das Dach eines Pavillons direkt neben dem Bismarck-Bau.
Auch der Verschönerungsverein, auf dessen Gelände der Turm einst stand, hat Wichtigeres vor - zum Beispiel den Kiliansbrunnen vor dem Bahnhof retten. Immerhin, so der Vorsitzende Prof. Dr. Stefan Kummer, will man sich den Turm bei Gelegenheit mal ansehen. Kummer: "Dann entscheiden wir, was wir tun können."