Schon unmittelbar nach Kriegsende hatte es Pläne für erste Aufführungen gegeben. Unter dem Eindruck der Zerstörung Würzburgs schrieb der Schriftsteller Leo Weismantel das Stück "Die Parabel vom Weinberg", das noch 1945 in der Inszenierung von Luigi Malipiero, dem späteren Prinzipal des Torturmtheaters Sommerhausen, im Chor der schwer beschädigten Augustinerkirche aufgeführt werden sollte. Der Plan scheiterte.
Am 5. Dezember 1945 erhielt dann Hans Scherer, früher Bassist am Stadttheater, von der amerikanischen Militärregierung eine Lizenz zum Theaterspiel. Seine "Würzburger Bühne" startete am 16. Februar 1946 in einer Behelfsunterkunft in Heidingsfeld mit einem Stück von Klabund, schreibt Josef Kern in der Festschrift "200 Jahre Theater Würzburg". In Thüngersheim folgten im März 1946 eine Operette und im April drei Einakter von Schnitzler, Tschechow und Goetz.
Inzwischen hatte sich in der Stadt als zweiter Theater-Veranstalter der "Kulturverband Mainfranken" gebildet. Initiator und Vorsitzender war Michael Meisner, damals Landrat von Würzburg, später Verleger der MAIN-POST und Autor vieler Bücher und Theaterstücke. In seinen Memoiren "Bekenntnisse eines Außenseiters" hat er die Entstehung der Vereinigung geschildert. In einem Gespräch, so Meisner, wandte sich Regierungspräsident Adam Stegerwald 1946 an den verblüfften Landrat: "Sie sind doch künstlerisch interessiert", sagte Stegerwald und fuhr fort: "Da hab' ich von den Amerikaner eine Million Mark bekommen, die von der Gaubühne der Nazis stammen; wir sollen sie für kulturelle Zwecke verwenden. Das machen Sie!"
Träger des Kulturverbandes waren die Städte Würzburg, Schweinfurt und Aschaffenburg sowie der Bezirk Unterfranken. "Und weil in Amerika jeder Flohzirkus einen Präsident hat, musste ich auch einen solchen spielen", schrieb Meisner später. Besondere Unterstützung erhielt der Landrat vom amerikanischen Besatzungsoffizier Ernst Cramer. Dieser war 1938 als jüdischer Häftling im KZ Buchenwald interniert gewesen, in die USA emigriert und als amerikanischer Staatsbürger und Soldat nach Deutschland zurückgekommen. Meisner schildert ihn als "einen der fairsten Menschen, die mir in meinem Leben begegnet sind."
Cramer war es auch, der dem Kulturverbands-Präsidenten den Berliner Heinz Fiebig als Intendanten für das neue Theater präsentierte. Er kam von der Ufa und hatte dort mehrere Dutzend Filme als Produktionschef betreut. Auch geeignete Schauspieler zu finden war leicht, denn es gab in jenem Sommer 1946 nur wenige Bühnen in Deutschland.
Viel schwieriger verlief dagegen die Suche nach einem Theatergebäude. Schließlich fand sich im Turnhallenbau der Lehrerbildungsanstalt am Wittelsbacherplatz, der späteren Pädagogischen Hochschule, ein passendes Domizil. Waren auch die Wände noch nicht verputzt, so wurde doch am 20. August 1946 eine rauschende Eröffnung gefeiert.
"Der US-Offizier und ich bespritzten uns wie mit einem Feuerlöscher"
Michael Meisner Landrat, Theaterchef und Verleger
An ein Missgeschick bei dieser Feier erinnert sich Michael Meisner: "Irgend jemand hatte eine Flasche Sekt - die erste, die man nach dem Krieg sah - aufgetrieben, mit der (der Besatzungsoffizier) Colonel MacMahon und ich anstoßen sollten. Der sie auf die Bühne brachte, verstand sie nicht zu öffnen und stieß sie auf den Boden auf, um sie mir zu überreichen. Der Pfropfen knallte heraus, und nun bespritzten MacMahon und ich uns gegenseitig wie mit einem Feuerlöscher. Das Publikum raste vor Vergnügen."
Fiebig inszenierte als einer der ersten Theaterleiter in Deutschland im Oktober 1946 Thornton Wilders "Unsere kleine Stadt". Im Dezember kam Humperdincks "Hänsel und Gretel" als erste Nachkriegs-Oper auf die Bühne am Wittelsbacherplatz, im Januar 1947 folgte die Operette "Der Vetter aus Dingsda" von Eduard Künneke. Bekannte Namen zierten den Theaterzettel, darunter der legendäre Schauspieler Werner Krauss, den der Landrat mit dem Auto aus Stuttgart abholen musste, da noch keine Züge fuhren, und der nicht weniger berühmte Gustaf Gründgens. Auch der Kabarettist Werner Finck trat in Würzburg auf.
Ernst Cramer blieb ein beständiger Unterstützer des Unternehmens. "Seine Hilfe ging so weit, dass er des Nachts im Gebäude der Militärregierung von der Gangdecke elektrische Glühbirnen klaute, damit wir Theater spielen konnten", schrieb Michael Meisner.
Später machte Cramer Karriere im Springer-Verlag, unter anderem als stellvertretender Chefredakteur der "Welt", Mitglied des Aufsichtsrats und Vorstandsvorsitzender der Axel-Springer-Stiftung. Diese Funktion hat er noch heute inne.
Im März 1947 schlossen sich der "Kulturverband" und die "Würzburger Bühne" zusammen. Bis Mitte 1948 wurden 439 Veranstaltungen mit gut 190 000 Besuchern gezählt - 143 Schauspiel-, 127 Opern- und 97 Operetten-Aufführungen sowie 17 Sinfoniekonzerte.

Ab 1948 firmierte das Haus als "Theater am Wittelsbacherplatz", sein Intendant war ab Februar 1950 Hans Scherer. Das Provisorium, vom Publikum liebevoll "Kulturscheune" genannt, blieb bis zur Spielzeit 1965/66 in Betrieb. Erst 20 Jahre nach der Eröffnung des Provisoriums, am 4. Dezember 1966, wurde das neue Stadttheater am Kardinal-Faulhaber-Platz eingeweiht.