Am Dienstag, 21. September, kommt der Künstler Gunter Demnig zum elften Mal nach Würzburg, um ab 10 Uhr weitere Stolpersteine zu verlegen. Insgesamt werden dann 309 Steine vor Wohnungen ermordeter NS-Opfer liegen.
Bei jeder Verlegung setzt der Arbeitskreis Stolpersteine am Abend einen besonderen Schwerpunkt. Diesmal geht es um das Thema „Weinbau in der Zeit des Nationalsozialismus“. Darüber spricht um 19 Uhr Direktor Michael Jansen vom Staatlichen Hofkeller im Stückfasskeller unter der Residenz. Treffpunkt: 18.45 Uhr am Frankoniabrunnen. Ulrich Pakusch vom Mainfranken Theater (Klavier) und Klaus Toyka (Violine) umrahmen den Abend musikalisch mit Werken von Händel und Bach. OB Georg Rosenthal spricht ein Grußwort. Nach der Veranstaltung ist bei einem kleinen Umtrunk Zeit für Gespräche.
„Im Mai oder Juni 1942 kam eine Postkarte von ihm zurück: Adresse unbekannt.“
Prof. Herbert A. Strass über seinen nach Warschau verschleppten Vater
Zu den Menschen, für die am Dienstag Stolpersteine verlegt werden, gehören der Zahnarzt Dr. Max Frank und seine Frau Meta. Der Tochter Margret gelang die Auswanderung in die USA; sie besuchte bis zu ihrem Tod vor einigen Jahren immer wieder die Geburtsstadt, in der sie die Sophienschule besucht hatte.
Der 64-jährige Max Frank und seine 57 Jahre alte Frau wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert, eine ehemalige Festung, in der die Nazis 60 000 Juden zusammenpferchten. Viele starben an den unmenschlichen sanitären Bedingungen; die übrigen wurden meist nach Auschwitz weitertransportiert.
Um der Außenwelt die Illusion zu vermitteln, die in den Osten deportierten Juden würden überleben, durften aus Theresienstadt Karten geschrieben werden, in denen natürlich die wirklichen Zuständen nicht erwähnt werden konnten. Bei einem Besuch in Würzburg brachte die Tochter Margret 1985 zwei solche Karten mit. „Wir sind gesund und es geht uns gut“, schrieb Meta Frank am 29. Juni 1943 an eine Bekannte.
Das letzte Lebenszeichen des Ehepaars ging am 28. Februar 1944 an die Außenwelt; Meta Frank bedankte sich für zwei Karten, die sie kurz zuvor erhalten hatte. Wenig später starb ihr Mann, sie selbst wurde deportiert, wahrscheinlich nach Auschwitz.
Auch der 67-jährige Kaufmann Benno Strauß wurde im April 1942 verschleppt, und zwar in das Warschauer Getto. Sein Sohn Herbert lebte zu diesem Zeitpunkt als Hilfsrabbiner in Berlin. 1942 erklärte sich der 24-jährige Herbert bereit, mit einem Transport in den Osten zu gehen: „Ich empfand es als meine Pflicht, diesen Leuten in ihrer schweren Bedrängnis beizustehen. Ich hatte keine Ahnung, was da passierte.“
Herbert Strauss über seinen Vater: „Wir haben noch korrespondiert. Er schickte mir ein Foto, auf dem er grimmig und streng schaute. Dabei hatte er ein so fröhliches Naturell. Im Mai oder Juni 1942 kam eine Postkarte von ihm zurück: 'Adresse unbekannt'. Ich habe nie wieder von ihm gehört.“
Später erfuhr Strauss, dass sein Vater zu den Ersten gehörte, die aus Warschau in das Vernichtungslager Treblinka gebracht wurden. Dem Sohn und seiner Frau Lotte gelang es, über die grüne Grenze in die Schweiz zu fliehen. In den neunziger Jahren ließ Herbert A. Strauss, inzwischen emeritierter Geschichtsprofessor in New York, einen Gedenkstein für seinen Vater auf dem jüdischen Friedhof in Würzburg setzen.