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LANGENPROZELTEN/HOFSTETTEN: Eiszeit: Klirrende Kälte ließ den Main zufrieren

LANGENPROZELTEN/HOFSTETTEN

Eiszeit: Klirrende Kälte ließ den Main zufrieren

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    Rückweg mit dem leeren Schlitten: Die bekannten Personen sind Ferdinand Kleinheinz (Zweiter von links) und Hubert Pfister (Dritter von links).
    Rückweg mit dem leeren Schlitten: Die bekannten Personen sind Ferdinand Kleinheinz (Zweiter von links) und Hubert Pfister (Dritter von links). Foto: Foto: Theo Betz

    Vor 50 Jahren erstarrte ganz Deutschland vor der klirrenden Kälte, „in einem der strengsten und längsten Winter seit Menschengedenken“, wie heute noch gelegentlich zu hören ist. Die Flüsse waren auch in unserer Region monatelang zugefroren und vor allem die nur durch Fährverbindungen erreichbaren linksmainischen Dörfer Harrbach, Kleinwernfeld und Hofstetten waren zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten.

    Theo Betz, Seniorchef der gleichnamigen Gaststätte, kann sich wie viele Langenprozeltener und Hofstettener noch gut an die Winter erinnern, die in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Main mehrfach mit einer bis zu 40 Zentimetern dicken Eisschicht überzogen. Diese löste sich oft erst im März krachend mit Eisgang und folgendem Hochwasser auf. Bis es so weit war, hatte der Fährmann Engelbert „Bert“ Pfister alle Hände voll zu tun, um wenigstens für den Personenschelch eine Fahrrinne frei zu halten, bis die Eisdecke stark genug war, um sie gefahrlos zu betreten.

    Je nach der Stärke des Eises fuhren dann auch Autos, Lastwagen und Fuhrwerke von einem Ufer zum anderen. Betz besitzt einige Dias aus dem Nachlass eines Holzhändlers die zeigen, wie Hofstettener im Februar 1956 aus Angst vor dem zu erwartenden Eisgang das am Holzplatz gestapelte Grubenholz auf selbst gebauten Schlitten zum vermeintlich weniger bedrohten Seichtufer nach Langenprozelten brachten.

    Der Gastwirt erzählt auch, dass er im Winter 1962/63 sogar ein Schwein für die Schlachtung über das Eis getrieben hat. „Das war nicht so einfach, denn die Tiere bockten oft und wollten nicht auf den Schelch oder aufs Eis.“ Der Bert wusste sich und anderen in solchen Fällen zu helfen: „Er stülpte der Sau einen alten Schlauch von einem Motorradreifen über Kopf und Vorderbeine, zwei Mann hoben sie damit an, dann begann sie mit den Hinterfüßen zu trippeln und ging weiter,“ erinnert sich Betz an die unkonventionellen Methoden des Fährmanns, der auch als leidenschaftlicher Jäger bekannt war.

    Für den Bert war die immer schmaler werdende Fahrrinne für den Schelch extrem wichtig. Sie möglichst lange offen zu halten, war sein ganzer Stolz. Das dünne Eis wurde morgens mit der ersten Fahrt gebrochen, indem die Insassen kräftig schaukelten und kräftige Männer vorne auf der Plattform mit dem Fahrbaum die Eisschollen zur Seite schoben. Das war nicht ungefährlich, weil die Blechhaut des Schiffleins nur wenige Millimeter stark war und man wegen des schwachen Dieselmotors mitunter einige Male Anlauf nehmen musste, bis sich der Bug über das Eis schob. Die mehr oder weniger starken Männer belächelten aber die Angstschreie der Frauen. Um das Einfrieren des Wasserfahrzeugs an der Anlegestelle zu verhindern, ließ der Fährmann den Motor nachts mit niedriger Drehzahl laufen und fuhr im freien Wasser auch mehrmals hin und her.

    In einer Phase, als sich der Frost zum Jahreswechsel 1962/63 abschwächte, fuhr der 430 PS starke Eisbrecher Arthur Kaspar von Würzburg kommend in mehreren Tagen mainabwärts. Das hatte zur Folge, dass sich die eisfreien Bahnen der Fähren von Harrbach, Kleinwernfeld und Hofstetten wieder mit Treibeis zusetzten. Nachdem am 10. Januar erneut starker Frost einsetzte, begann die Arbeit der Fährleute von vorne. Gelegentlich griffen Pfister und seine Helfer sogar zur Säge, um das Eis an der Anlegestelle abzutragen.

    Die Landpolizei Gemünden wies am 15. Februar darauf hin, dass das Befahren der Eisdecke verboten sei. Ein Verbot, an das sich niemand hielt. Am 28. Februar lagen noch zwölf Frachtschiffe sowie zehn weitere Wasserfahrzeuge und Arbeitsboote im Schutzhafen, meldete der Gemündener Anzeiger. Noch am 6. März zeigte das Thermometer minus 18 Grad, als endlich wärmeres Wetter vorhergesagt war, sprengte drei Tage später das Technische Hilfswerk in Gemünden die Eisdecke an der Saalemündung, was zu 40 Metern hohen Fontänen führte, wie in den alten Zeitungen zu lesen ist.

    Obwohl bereits Tauwasser auf dem Eis stand, überquerten ganz Wagemutige immer noch den Fluss. Schließlich waren es wieder die Eisbrecher Frankenwarte (Baujahr 1939, 270 PS) und Arthur Kaspar (Baujahr 1955, 430 PS), die unter großen Mühen das Eis zum Bersten brachten. Mit dem einsetzenden Hochwasser trieben die Eisschollen in den Uferbereich und nahmen alles mit, was im Weg stand.

    Waldemar Krebs aus Hofstetten erinnert sich daran, dass sein Vater als Baumschulbesitzer den Verlust vieler junger Obstbäume zu beklagen hatte, die im Uferbereich von den Eismassen erdrückt wurden. Die letzten großen Eisplatten schmolzen auf den Wiesen unterhalb des Hofstettener Sportplatzes erst in der Maisonne.

    Wer Fotos mit Motiven von den strengen Wintern am Main hat und zur Verfügung stellen will, kann sich bei Ferdinand Heilgenthal melden: Tel. (0 93 51) 44 48.

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