Dieser Tage vor fünfzig Jahren ging einer der längsten und strengsten Winter in Mitteleuropa zu Ende. Am 6. März 1963 zeigte in Mainfranken das Thermometer noch minus 18 Grad. Nachdem ein Wärmeeinbruch vorhergesagt war, sprengte am 9. März das Technische Hilfswerk das Eis an der Saalemündung in Gemünden, wie in den Tageszeitungen von damals im Gemündener Stadtarchiv nachzulesen ist.
Gleichzeitig kamen die Eisbrecher „Arthur Kaspar“, damals schon mit Ballasttank zum Absenken und Unwuchtanlage, die das Schiff schaukeln lässt, sowie die „Frankenwarte“ zum Einsatz. Ihr Ziel: die durchschnittlich 50 Zentimeter dicke Eisschicht auf dem Main zu zerkleinern und damit nach einer heute unvorstellbar langen vierteljährigen Zwangspause möglichst schnell die Schifffahrt wieder zu ermöglichen.
Die Zeit der anhaltend langen und strengen Winter, wie es sie in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts gab, ist vorbei. Die letzte starke Eisschicht in unserer Region verzeichnete das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Schweinfurt, von der Schleusenhaltung Rothenfels bis Viereth bei Bamberg für die Bundeswasserstraße Main zuständig, im Jahr 2006. Die Eisbrecher heißen heute „Angermünde“ – 1957 in Brandenburg vom Stapel gelaufen, umgebaut 1997, mit 600 PS starker Sechszylindermaschine ausgestattet – und „von Grassmann“. Sie haben ihren Liegeplatz am Bauhof des WSA in Würzburg, sagt Bernd Imhof, Leiter der Außenstelle Gemünden.
Die Vorgänger waren ehemals im Gemündener Schutzhafen stationiert, um die Spessartstrecke freizumachen. „Da gab es durch die fehlende Sonneneinwirkung im engen Maintal immer das dickste Eis“, weiß Imhof. „Heute ist die Nähe zum Rhein-Main-Donau-Kanal ausschlaggebend, weil das Wasser dort wegen der fehlenden Fließgeschwindigkeit am ehesten zufriert.“
Doch geändert hat sich noch mehr. Der vom Reichsarbeitsdienst vor dem Krieg gebaute Schutzhafen in Gemünden wird von Frachtschiffen nicht mehr so in Anspruch genommen wie noch in den 1950er und 1960er Jahren, als nicht selten ein Dutzend Kähne bei Eis oder Hochwasser festsaßen und darin festmachten. Die Schiffe sind heute größer und nehmen lieber die einfacheren Liegeplätze an den Schleusen oder auf freier Strecke in Anspruch.
Eines hatten die alten Frachtschiffe den neuen allerdings voraus: Durch den spitzen Bug pflügten sie bei ausreichender Geschwindigkeit durch dickeres Eis. „Bei den neuen ist der Bug rund und da ist trotz starker Maschinen spätestens bei zehn Zentimetern Schluss“, sagt Imhof. „Dann hilft nur noch der Eisbrecher bis zum nächsten Liegeplatz.“
Ein anderes Problem, das Eisgang mit sich bringt, lässt sich ebenfalls nur wie vor fünf Jahrzehnten lösen: Die Eisschollen müssen hinter den Schleusentoren weg, damit diese sich öffnen können. Die Tore und auch die Wehre werden seit den 1990er Jahren nicht mehr mechanisch, sondern hydraulisch bewegt und im Normalbetrieb ferngesteuert. Weil aber die tonnenschweren Schleusentore nach wie vor nach innen anschlagen, muss das in die Kammer getriebene Eis bei extremen Minustemperaturen aus den Winkeln mit Muskelkraft weggeschafft werden. Das geht nur unter dem Einsatz des Fahrbaums, einer langen Stange mit eisernem Haken und Spitze – dem Standardwerkzeug der Schiffer, Fischer, Fährleute und Flößer. Das unmittelbare Gefrieren hinter den Toren und in der Kammer verhindert normalerweise die Sprudelanlage.
Generell sei es so, dass heute genauere Wettervorhersagen einen gezielteren Einsatz erlauben. „Man darf nicht zu lange warten, bis der Schiffsverkehr eingestellt wird, und erst brechen, wenn es sicher wieder taut“, sagt Imhof. Unnötiges Aufbrechen baue die Schollen nur auf und führe zu noch mächtigeren Eisdecken. Wenn es so weit ist, werden die Stauhaltungen, von der Mündung ausgehend, von unten nach oben Zug um Zug „leergeräumt“. Dafür wird die Steuerung der Wehre bei den gerade betroffenen Staustufen auf manuellen Betrieb umgestellt, um die Lage vor Ort besser einschätzen und direkt nachsteuern zu können.
In diesem Jahr war das nicht notwendig, denn obwohl der Winter „gefühlt“ jetzt schon sehr lange gedauert hat, war er doch mehr trüb als frostig. Die Eisbrecher waren aber deshalb nicht untätig: Als Arbeitsschiffe und Schlepper sind sie auch in milden Wintern immer zu gebrauchen.