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Bombendrohung gegen Oktoberfest: München im Ausnahmezustand – Was am Mittwoch geschah

Oktoberfest 2025

„Geht nicht auf die Wiesn. Es könnte ein bombiges Erlebnis geben“ 

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    Eines von vielen beklemmenden Bildern aus München: Ein Polizist geht am Mittwoch über das Oktoberfestgelände, das nach einer Bombendrohung geschlossen ist.
    Eines von vielen beklemmenden Bildern aus München: Ein Polizist geht am Mittwoch über das Oktoberfestgelände, das nach einer Bombendrohung geschlossen ist. Foto: Matthias Schrader, AP/dpa

    Es sind beängstigende Bilder, die am Mittwoch über Stunden hinweg aus München kommen. Bilder brennender Autos ebenso wie die einer Geister-Wiesn aufgrund einer Bombendrohung. Wo sich am Samstag auf dem Oktoberfestgelände noch Menschenmassen derart drängten, dass es zu einer Massenpanik hätte kommen können, herrschen am Mittwoch Leere – und Ungewissheit. Die Menschen fragen sich zunächst: Kommt es nun zur Katastrophe? Und später: Wie nah war man an der Katastrophe?

    Gegen 11 Uhr ist am Tatort jedenfalls noch immer nicht völlig klar, was dort wirklich geschah. Sicher ist, dass die um diese Uhrzeit vorgesehene Öffnung der Wiesn mindestens bis 17 Uhr verschoben wird. Und dass beides miteinander zusammenhängt. In der U-Bahn hatte es schon von 10.30 Uhr an Durchsagen gegeben, das Festgelände „wegen eines Polizeieinsatzes“ zu meiden. „Was ist passiert?“, fragten drei Amerikaner mittleren Alters in der U3. „Eine Bombendrohung“, antwortete ein anderer Fahrgast. „Oh, that’s scary“, fanden die Amerikaner. Angsteinflößend.

    Polizei berichtet von „unspezifischer Sprengstoffdrohung“ mit Blick aufs Oktoberfest

    Der Tatort befindet sich in der Lerchenau und ist gegen 11 Uhr weiträumig abgesperrt. Spezialkräfte der Polizei blockieren in voller Kampfmontur die angrenzenden Straßen. Spurensicherer in weißen Schutzanzügen sind zwischen den Alleebäumen und Vorgärten genauso zu sehen wie Sprengstoffexperten. Ein Polizeisprecher bestätigt, dass ein inzwischen verstorbener Mann, der in den frühen Morgenstunden verletzt rund 500 Meter weiter am Lerchenauer See gefunden worden war, eine „unspezifische Sprengstoffdrohung“ mit Blick auf das Oktoberfest bei sich hatte.

    Der Mann, ein Deutscher mit Wohnsitz in Starnberg, hat nach ersten Erkenntnissen der Polizei offenbar mit Sprengfallen nicht nur Autos in Brand gesetzt, er hat in dem Einfamilienhaus, das offenbar seinen Eltern gehört, auch einen Vollbrand ausgelöst.

    „Ein derart starker Brand entsteht nicht von allein“, erklärt ein Sprecher der Feuerwehr, der mit seinen Kollegen und einer Armada an Löschwagen an der nächsten Kreuzung wartet. Weil weitere Sprengfallen in dem Haus vermutet werden, kann die Feuerwehr den Brand gerade nicht löschen. Alle Bewohner im Umkreis von 200 Metern wurden vorsorglich in Sicherheit gebracht, eine Schule gesperrt. „Das Feuer kokelt langsam aus“, sagt der Feuerwehrmann, während eine Polizeidrohne surrend am Himmel über München kreist.

    Die Polizei geht von einem familiären Hintergrund der Tat aus – von einem Erbstreit ist unter den Schaulustigen die Rede. Ein vermeintliches linksradikales Bekennerschreiben im Internet werde „wie alle anderen Hinweise geprüft“, heißt es von der Polizei. Stunden Später ist sich Polizei-Vizepräsident Christian Huber sicher: „Das sind Trittbrettfahrer“. Doch dazu später mehr - auch zu den Fragen, die nach diesem dramatischen Tag in München bleiben.

    „Wir sind vom vielen Blaulicht der Einsatzfahrzeuge aufgewacht“, erzählt eine geschockte Anwohnerin

    Noch bevor die Sonne aufging, gegen 4.40 Uhr, waren plötzlich Flammen aus einem Einfamilienhaus in der beschaulichen Glockenblumenstraße im nördlichen Münchner Stadtteil Lerchenau geschlagen. Kurz darauf meldeten Anwohner beim Notruf der Polizei Knallgeräusche. Insgesamt drei Autos standen da überdies in der angrenzenden Lerchenauer Straße sowie rund 300 Meter entfernt in der Dahlienstraße in Flammen: ein alter Mercedes-Transporter, ein älterer schwarzer Mercedes, ein weißer Kleinwagen.

    „Wir sind vom vielen Blaulicht der Einsatzfahrzeuge aufgewacht“, erzählt am Vormittag eine geschockte Anwohnerin: „Wir wussten überhaupt nicht, was passiert ist. Dabei ist das sonst hier eine sehr ruhige Gegend.“

    Bedrohungslage in München: Die Bilder vom Polizeieinsatz

    Ein Transporter ist ausgebrannt und voller Löschschaum. Ein Brand in einem Münchner Einfamilienhaus hat einen Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr ausgelöst. Es kam deswegen zu größeren Verkehrsbehinderungen, eine Gefahr für die Bevölkerung bestehe nicht, sagte ein Polizeisprecher am Morgen +++ dpa-Bildfunk +++
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    29 Bilder
    Eine Explosion, ein Brand und eine Leiche – in München herrscht am Mittwoch Alarmzustand. Wegen einer Sprengstoffdrohung bleibt das Oktoberfest zwischenzeitlich geschlossen.

    Mit der Ruhe ist es zu diesem Zeitpunkt in der Landeshauptstadt längst vorbei. Spätestens nach der Eilmeldung von 9.40 Uhr, die die Deutsche Presse-Agentur über Medien in ganz Deutschland verbreitet hat: „Feuer in München – Polizei prüft Zusammenhang mit Wiesn“.

    Wie sicher das Oktoberfest ist, das ist seit Tagen ein großes Thema, weit über München hinaus. Nach massiver öffentlicher Kritik melden sich am Dienstag der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter und Wiesnchef Christian Scharpf zu Wort. Endlich, aus Sicht von Oktoberfest-Besuchern und Kommentatoren. Sie warfen den beiden vor, sich nicht schnell und deutlich genug geäußert zu haben. Was sie sagten, wurde als beschwichtigend, als verharmlosend empfunden. Reiter bittet am Dienstag in einem Instagram-Video um Entschuldigung „bei denjenigen, die beispielsweise mit Kindern einfach in Panik geraten sind und sich einfach absolut unwohl gefühlt haben“. Scharpf erklärt sich und sein nachgebessertes Sicherheitskonzept vor Journalistinnen und Journalisten. Und zu erklären und nachzubessern, gibt es einiges, nachdem die Wiesn 2025 am frühen Samstagabend mit viel Glück an einer Katastrophe vorbeigeschrammt ist.

    Ausgebrannter Transporter: Wie genau steht dieser Fall im Zusammenhang mit der Wiesn-Sperrung? Am Mittwochmorgen gibt es diverse Spekulationen.
    Ausgebrannter Transporter: Wie genau steht dieser Fall im Zusammenhang mit der Wiesn-Sperrung? Am Mittwochmorgen gibt es diverse Spekulationen. Foto: Roland Freund, dpa

    Wegen des enormen Andrangs musste das Festgelände wegen Überfüllung gesperrt werden. Menschen gerieten in Panik, und Durchsagen, die sie beruhigen hätten sollen, bewirkten das Gegenteil. Wer in der Menge war, äußerte sich überaus betroffen. „Abartig“ sei es gewesen, „brutal“. Scharpf räumt am Dienstag einen „Fehler“ ein und beteuert, alles zu tun, dass so etwas nicht mehr vorkomme. Der frühere Oberbürgermeister von Ingolstadt hat im März erst den Posten des Referenten für Arbeit und Wirtschaft in der Landeshauptstadt angetreten. Die Überfüllung vom Samstag ist seine erste große Bewährungsprobe als Wiesn-Chef. Dass nur einen Tag nach der Pressekonferenz, auf der er Tatkraft zu demonstrieren versuchte, eine weitere Bewährungsprobe auf ihn warten würde, war Scharpf spätestens am Vormittag klar, als er den Münchner Stadträten sein Konzept vorstellen wollte. Kurz zuvor platzte die Nachricht rein, dass die Wiesn wegen des Drohbriefs geschlossen werden müsse. Seine erste Wiesn hatte sich Scharpf anders vorgestellt: „Was für ein Wahnsinn“, sagt er später.

    Mittwoch, gegen 12 Uhr, am Tatort. Ein Polizeisprecher erklärt den Inhalt des vermeintlichen Bekennerschreibens. Man habe „im Münchner Norden einige Luxuskarren abgefackelt und Hausbesuche abgestattet“. Doch von Luxusautos kann bei den ausgebrannten Fahrzeugen nicht die Rede sein. Zudem erscheint die bodenständige Lerchenau, nicht weit vom Münchner BMW-Werk und dem Olympiapark, mit ihren eher bescheidenen Reihenhäusern und Doppelhaushälften denkbar ungeeignet für linksradikale Gewaltfantasien. „Wir schließen ein politisches Motiv derzeit aus“, heißt es von der Polizei. Auch seitens des Tatverdächtigen „besteht kein Bezug zur Antifa“.

    Es werden Erinnerungen an das Oktoberfest-Attentat von 1980 wach

    Währenddessen auf der Theresienwiese: Das Gelände, auf dem bereits geschätzte 3,5 Millionen Besucherinnen und Besucher aus aller Welt gefeiert, getrunken und getanzt haben, so die vor Kurzem von der Festleitung mitgeteilte Halbzeitbilanz, wirkt wie ausgestorben. Wären da nicht all die Polizeiautos, die in den Straßen vor dem Festgelände stehen. Nur vereinzelt verirren sich Menschen in Tracht zu den Oktoberfest-Eingängen. Weit kommen sie nicht. Security-Personal in gelben Warnwesten und Polizei sichert das Gelände, vereinzelt verlassen es Menschen, die auf ihm arbeiten.

    Inge Hötzinger ist unter ihnen. Die 78-Jährige kümmert sich in der Entenbraterei um die Reservierungen. Gegen 9.30 Uhr habe sie die erste Warnung erhalten, erzählt sie. Eine Viertelstunde später mussten die Angestellten das Zelt verlassen. Für sie weckt die Terrorgefahr Erinnerungen an das Oktoberfest-Attentat 1980. Damals arbeitete sie auf der Wiesn als Bedienung. Heute, mehr als 45 Jahre danach, kommen die Bilder wieder in ihr hoch. Damals, erinnert sie sich, habe es laut geknallt und dann habe eine Putzfrau ihr von ganz viel Blut überall erzählt. Jetzt sei sie traurig, dass so etwas erneut hätte passieren können. „Warum muss das sein? Jetzt darf man nicht mehr lustig sein“, sagt sie niedergeschlagen. Sie warte auf den Anruf des Chefs, ob sie vielleicht am Abend aufs Gelände dürfe. Vor dem Gelände steht Nico Stippe in Lederhose und rot-weiß-kariertem Trachtenhemd an der Gepäckstation. Am Morgen habe er sein Gepäck abgegeben, um nach dem Feiern zurück nach Hamburg fliegen zu können. Die Gepäckstation aber ist geschlossen, er ruft verzweifelt bei der hinterlegten Nummer an.

    Eine Nebenstraße weiter haben sich drei Wiesn-Bedienungen aus dem Hacker-Zelt versammelt. Auch sie mussten am Vormittag das Gelände verlassen. Wie es weitergeht? Ungewiss. Milena Gassner sagt, sie habe am Morgen eine kleine Panikattacke gehabt, weil sie die Situation nicht einordnen habe können. Da Bedienungen nur durch Verkäufe etwas verdienen, bedeutet die Sperrung einen nicht unerheblichen Verdienstausfall für sie. Das sei heute nicht so wichtig, sagt Madlen Simbeck neben ihr. In erster Linie sei es wichtig, dass niemand zu Schaden komme und es alles gut gehe.

    Absperrgitter vor dem Zugang zum Oktoberfest. Das Gelände ist, so heißt es am Vormittag, bis mindestens 17 Uhr geschlossen.
    Absperrgitter vor dem Zugang zum Oktoberfest. Das Gelände ist, so heißt es am Vormittag, bis mindestens 17 Uhr geschlossen. Foto: Michael Faulhaber, dpa

    Das hängt maßgeblich an der Polizei, die Sprengstoffhunde aus ganz Bayern nach München holt, um das Oktoberfestgelände und den abgesperrten Bereich drumherum abzusuchen. Und tatsächlich: Es geht noch einmal gut. Wieder. Um 15.41 Uhr verschickt die Deutsche Presse-Agentur die Eilmeldung: „Oktoberfest öffnet um 17.30 Uhr“. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter wendet sich auf Instagram zu Wort. Das größte Volksfest der Welt öffne noch am Abend. Die Polizei habe ihn gerade informiert, dass es aus deren Sicht unbedenklich sei, wenn die Wiesn fortgesetzt werde. In einem Kommentar zu seinem Video schreibt Reiter: „Die Sicherheit aller Besucherinnen und Besucher hat für mich oberste Priorität.“

    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betont am Abend vor Medienvertretern, dass Reiters Entschluss absolut richtig gewesen sei. Bei dieser Pressekonferenz gibt es zahlreiche Details, die das Drama von München weiter ausleuchten, bei dem neben dem mutmaßlichen Täter ein weitere Mensch ums Leben kam.

    Mutmaßlicher Täter tötete sich kurz vor der Festnahme

    Offfenbar argwöhnte der 57-Jährige, er wäre nicht der Vater seiner Tochter. Ein Gutachten, so schildert es Herrmann am frühen Mittwochabend, kam zu einem anderen Schluss. Es bestätigte die Vaterschaft des Mannes, doch das wollte dieser nicht akzeptieren. Das Institut, das die Expertise erstellt hatte, sei bestochen worden, behauptete er und wandte sich mit dieser Geschichte sogar an den Petitionsausschuss des Landtags. Vergeblich. Drehte der der Mann deswegen durch, schoss auf seine Familie, legte Sprengfallen in Haus und Garten?

    Als Einsatzkräfte bei dem brennenden Haus ankamen, flüchtete der 57-jährige aus dem Garten. Er kam bis an den Lerchenauer See, ein Polizeihubschrauber spürte ihn auf. Kurz vor der Festnahme, so die Polizei, tötete sich der 57-Jährige mit einem selbst gebauten Schussapparat. Woher der Mann sein Kenntnisse über Waffen und Sprengstoff hatte, ist bislang unklar. Auch polizeilich war der Starnberger bislang nicht in Erscheinung getreten.

    Seine 81-jährige Mutter fand die Polizei im Garten mit einer Schussverletzung am Oberarm. Sie gilt als mittelschwer verletzt, die Tochter (21) trug leichte Verletzungen davon. Sie wurde von Polizisten aus dem ersten Stock des brennenden Hauses gerettet, war bereits kurz davor, in die Tiefe zu springen. Offiziell als vermisst gilt der 90-jährige Vater. Laut Polizei war am Mittwochabend klar, dass sich im Obergeschoss des Hauses eine weitere Leiche befindet. Doch bevor sie geborgen werden kann, muss das Feuer endgültig erloschen und die Ruine nach weiteren Sprengfallen abgesucht sein.

    Auf der Theresienwiese wird derweil wieder gefeiert. Kaum macht die Nachricht von der Wiedereröffnung die Runde, stellen sich die ersten schon wieder an den Oktoberfest-Eingängen an. Ganz vorne wartet Franziska Helshorn mit ihren Freundinnen darauf, dass sie endlich aufs Gelände können. Ein mulmiges Gefühl habe sie nicht, sagt sie. Schließlich sei das Oktoberfest ja so gut abgesucht wie selten. Wie die „unspezifische Sprengstoffdrohung“ aus dem Brief des toten Tatverdächtigen lautet, hat man inzwischen in der Pressekonferenz von Polizei und Innenminister erfahren: „Geht nicht auf die Wiesn. Es könnte ein bombiges Erlebnis geben“. An der Warnung aus dem Münchner Norden war wohl nichts dran. Kurz vor der Öffnung stehen Tausende vor den Eingängen, um Punkt 17.30 Uhr strömen sie auf die Wiesn.

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    1 Kommentar
    Martin Deeg

    Nun ja. Der Mann wandte sich "sogar" an den Petitionsausschuss? Offenbar wurde er auch hier nicht ernst genommen - eine mittlerweile vielfach verbreitete Erfahrung, wie mir scheint: Bürger und ihre Anliegen werden schlicht nicht ernst genommen, je emotionaler diese sind, desto weniger.....

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