Wenn Ökonom Axel Börsch-Supan an den von Bundeskanzler Friedrich Merz ausgerufenen „Herbst der Reformen“ und den damit verbundenen Folgen für die Rente denkt, fallen seine Begriffe eindeutig aus: Es werde von der Regierung die „Zeichen der Zeit“ grob missachtet, von größtem Unsinn, der produziert werden könnte und einer „irren Dummheit“ spricht der Experte. Er warnt in einem Interview vor einem Reformstau - und das, obwohl es aus seiner Sicht Wege und Möglichkeiten gebe, schon jetzt der Rentenentwicklungen gegenzusteuern. Welche das sind und was er von der Entscheidung hält, zunächst eine Kommission einzusetzen, die bis 2027 Reformen vorschlägt, lesen Sie in diesem Text.
Wie will die Bundesregierung die Rente reformieren?
Bei der Rente gibt es für die aktuelle Bundesregierung so einige Baustellen. Es gilt schließlich, einerseits die finanzielle Tragfähigkeit in einer sich alternden Gesellschaft herzustellen, auf der andere Seite soll die Generationengerechtigkeit gewahrt werden. Dass Babyboomer zunehmend frühzeitig in Rente gehen, kommt beispielsweise noch erschwerend hinzu. Der von Merz ausgerufene Herbst der Reformen betrifft auch das beschlossene Rentenpaket 2025 mit Ausweitung der Mütterrente sowie die Stabilisierung des Rentenniveaus.
Bis jedoch Vorschläge für eine tiefgreifende Rentenreform vorgelegt werden, wird noch etwas Zeit ins Land gehen: So berichtet die Tagesschau, dass eine Kommission eingesetzt wird, die nach der Sommerpause bis Anfang 2027 Ergebnisse liefern soll. Kritiker sehen einen Reformstau, der weiter anwachsen wird. So etwa betonte das Deutsche Institut für Altersvorsorge bereits noch zu Zeiten der Ampelregierung 2023, dass nach Ansicht von Wirtschafts- und Finanzjournalist Karsten Seibel, noch zu wenige Reformen auf den Weg gebracht worden seien.
Auch Ökonom Axel Börsch-Supan hält mit seiner Kritik an den Entwicklungen nicht hinter dem Berg. Im Interview mit der Wirtschaftswoche hat er die Situation aus seiner Sicht zusammengefasst und kommt vereinfacht gesagt zum Schluss, dass Warten jetzt für Deutschland nicht die beste Option ist.
Übrigens: Laut Rentenatlas gingen allein 2024 mehr als anderthalb Millionen deutsche Renten ins Ausland.
Experte warnt vor Reformstau: Was könnte das fürs Rentenalter bedeuten?
Für Wirtschafts- und Rentenexperte Börsch-Supan ist das Vorgehen der Regierung in Sachen Rente klar: Gröber als mit der Festschreibung der Haltelinie und der Mütterrentenausweitung könne man die „Zeichen der Zeit“ nicht missachten. Dass das Rentenniveau bis 2045 konstant gehalten werde, koste mehr als 500 Milliarden Euro, für die Mütterrente kämen weitere fünf Milliarden obendrauf. Viel Zeit zu warten, bleibe da kaum. Die Koalition, so sein Eindruck, lege es nicht darauf an, sich in der Thematik in die Haare zu kriegen, „selbst wenn das heißt, den größten Unsinn zu produzieren“.
Weil die Rente im Wahlkampf nicht gerade populär sei und die Kommission erst bis rund ein Jahr vor dem nächsten Bundestagswahlkampf Vorschläge einbringen soll, sei auch die Frage relevant, ob diese überhaupt auf die nächste Regierung Einfluss haben könne. Mit der Haltelinie jedoch den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel aufzugeben, gleiche einer „irren Dummheit“. Der Faktor zeichnet das Verhältnis von Rentenbeziehern und Beitragszahlern nach und hat entsprechend eine dämpfende Funktion für Rentenerhöhungen. Börsch-Supan erklärt: „Das ist zudem ungerecht, weil sie die Lasten einseitig zu Ungunsten der Jüngeren verschiebt.“
Der Expert spricht sich dafür aus, das Rentenalter anzuheben. „Wir können nicht alle länger leben und kürzer arbeiten. Das hält die Rentenversicherung nicht durch“, sagt er. Dass Menschen länger arbeiten, könne man nicht nur durch die Aktivrente erwirken, sondern „eben, indem das Rentenalter über 2030 hinaus weiter steigt“.
Übrigens: Bei der Regierungspressekonferenz Ende Juli 2025 verwies der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille auf den Koalitionsvertrag, in dem stehe, „dass die Bundesregierung das Renteneintrittsalter nicht erhöhen will“. Nach Ansicht von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) seien längere Lebensarbeitszeit und ergo ein späterer Rentenbeginn aber im Grunde unausweichlich.
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