Der demografische Wandel zeigt sich in Deutschland seit Jahrzehnten: Die Anzahl älterer Menschen steigt, während die Zahl der jüngeren Menschen sinkt. Das hat weitreichende Folgen für den Arbeitsmarkt und das Rentensystem. Wenn die ältere Bevölkerung in Rente geht, fehlen Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt, weil nicht genug Junge nachkommen. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Menschen der sogenannten Babyboomer-Generation nicht einmal bis zum Renteneintrittsalter von 67 Jahren arbeiten, wie eine neue Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt.
Rente mit 67? Hunderttausende Babyboomer gehen früher in Rente
Zu den Babyboomern gehören die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1954 und 1969. Im Jahr 2036 werden sie vollständig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sein und auf dem Arbeitsmarkt eine große Lücke hinterlassen, geht aus einer Pressemitteilung des IW hervor. Die Auswertung des Instituts der Deutschen Wirtschaft mit Daten der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) zeigt, dass die Problematik jedoch jetzt schon gravierend ist: 2023 erhielten bereits 4,5 Millionen der insgesamt 19,5 Millionen Babyboomer eine gesetzliche Altersrente. Und: Zum Stichtag des 31. Dezember 2023 haben bereits 900.000 Babyboomer eine gesetzliche Altersrente bezogen, obwohl sie das gesetzliche Renteneintrittsalter noch nicht erreicht hatten.
Frühzeitig in Rente: Sind die Anreize zu groß?
Zwar wird das Renteneintrittsalter von der Politik schrittweise seit 2012 angehoben, doch das zeigte bisher keine Auswirkungen laut der Studie: Das durchschnittliche Renteneintrittsalter ist nahezu konstant geblieben. Warum gehen Menschen früher in Rente? Weil es, statt Anreize für eine längere Erwerbstätigkeit, großzügige Möglichkeiten für den frühen Ausstieg gebe, vermutet das IW:
- Nach 35 Versicherungsjahren können Arbeitnehmer schon mit 63 Jahren eine Rente mit Abschlägen beziehen.
- Wer 45 Jahre erreicht hat, kann sogar abschlagsfrei zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze aus dem Berufsleben ausscheiden.
IW-Rentenexpertin Ruth Maria Schüler sagt: „Besonders langjährig Versicherte, die ohne Abschläge in Rente gehen, sind Personen, die im Schnitt über ein höheres Haushaltseinkommen verfügen und gut ausgebildet sind.“ Es seien damit oft nicht jene, die besonders hart körperlich arbeiten müssten. Laut einer früheren IW-Erhebung müssen niedrigere Lohngruppen schon aus ökonomischen Gründen auf eine vorzeitige Rente verzichten. Die abschlagsfreie Rente nutzen laut Schüler dagegen häufig Industrie- und Facharbeiter.
Übrigens: Wie lange vor dem geplanten Renteneintritt muss man seine Rente beantragen? Und was ist zu tun, wenn der Rentenbescheid falsch ist, wie kann man Widerspruch einlegen?
Arbeit im Alter soll attraktiver werden
Ändert sich der Trend zum vorzeitigen Renteneintritt nicht, beziehen laut IW-Studie, die der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorlag, ab 2025 erwartungsgemäß jährlich mindestens eine Million Babyboomer vor Überschreiten des Regelalters eine gesetzliche Rente. „Zur Stabilisierung des Rentensystems sollten Beitragszahler möglichst lange einzahlen“, sagt IW-Forscherin Schüler. „Die Bundesregierung muss daher dringend die Frühverrentung stoppen, um die gut ausgebildeten Babyboomer im Arbeitsmarkt zu halten“, fordert IW-Arbeitsmarktexpertin Stefanie Seele.
Tatsächlich wollen SPD und Union, dass ältere Menschen möglichst lange berufstätig bleiben, schreibt die dpa – die Parteien haben dazu die Idee einer Aktivrente aus dem Unionswahlprogramm als Plan übernommen: Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, soll bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei erhalten.
Derweil könnte die Beschränkung der Möglichkeiten zum vorzeitigen Renteneintritt jedoch schwierig werden: Der Erhalt der abschlagsfreien Rente nach 45 Jahren zählte zu den SPD-Kernversprechen im Wahlkampf – entsprechend verspricht das auch der Koalitionsvertrag. Wegen der Milliardenausgaben, die auf die Rentenkasse zukommen, hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Bundestag eine „Rentenreformkommission“ angekündigt, so die dpa. Das Gremium muss erst noch besetzt werden und soll laut Koalitionsvertrag bis zur Mitte der Legislatur Ergebnisse liefern. (mit dpa)
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