„Man fühlt sich, als habe ein neues Zeitalter des Autofahrens begonnen“, sagt Günther Deinlein, während er neben seinem Tesla S steht und über sein Smartphone die schwarze Elektrolimousine in einer Parklücke zurecht rückt. Anders als andere Elektroautos sei der Tesla kein Spielzeug, sondern dank knapp 400 Kilometer Reichweite - bei gesitteter Fahrweise - ein tatsächlich sinnvoll nutzbares Auto. „Man fährt mit besserem Gewissen durch die Straßen. Energiewende umfasst nicht nur die Sektoren Strom und Wärme, sondern auch alltägliche Mobilität“, meint Petra Kraus-Deinlein. Ihr Ehemann fügt hinzu: „Nicht nur beruflich, auch privat stehen wir mit Leib und Seele hinter dem Konzept der Energiewende.“
Beide sind Geschäftsführer der Firma „Görtler und Schramm“. Das oberste Ziel des Bau- und Holzbauunternehmens sind sowohl bei Neubauten als auch in der Altbausanierung energieoptimierte Lösungen und somit möglichst wenig Energieverbrauch. Dem entsprechend wurde im neuen Firmengebäude Wert darauf gelegt, dass es sich selbst mit Sonnenenergie versorgt und weitere Wärmeenergie über ein Nahwärmenetz an den angrenzenden Gebäudealtbestand abgibt. Mit dem Einsatz von Sonne und der Ergänzung mit Holz konnte der Gebäudealtbestand solarisiert werden und auf fossile Energieträger verzichtet werden.
Und seit Mai dieses Jahres nennt das Ehepaar nun die rein elektrisch angetriebene Limousine ihr Eigen. Das Modell S des kalifornischen Unternehmens Tesla Motors besticht durch mehrere Besonderheiten: reiner Elektroantrieb, wahnsinnige Beschleunigung, große Reichweite und einen Autopiloten.
„Man beschleunigt, und es ist kaum zu glauben, dass in einem Elektroauto so viel Kraft stecken kann. 315 Kilowatt, sprich 428 PS. Ich bereue keinen Moment, dass wir uns das Fahrzeug zugelegt haben,“ beschreibt Deinlein den außergewöhnlichen Fahrspaß. Das bis zu 250 Stundenkilometer schnelle Fahrzeug kann so rasant beschleunigen, dass einem die Spucke weg bleibt. Im wörtlichen Sinne. In weniger als drei Sekunden von Null auf Hundert, das schaffen nicht viele Autos. Und vor allem nicht so leise: Bis auf Reifen-Abrollgeräusche ist vom Elektroauto kaum etwas zu hören – weder im Fahrzeug noch draußen. „Bis jetzt hat die Lautlosigkeit noch keine Probleme bereitet, ganz im Gegenteil - das Fahrzeug fällt dadurch besonders auf. Erneuerbare Energie - auch im Straßenverkehr - muss Thema unter den Leuten bleiben“, betont Deinlein.
Ein Blickfang
„Das Auto ist natürlich ein Eye-Catcher. Meist kommen dieselben Fragen: Wie weit kommt man damit, wie lange dauert das Aufladen, wieviel Kilowatt hat es? Realistisch sind 300 bis 400 Kilometer Reichweite. Man steckt das Auto am Abend ein und hat am Morgen ein „vollgetanktes“; Fahrzeug. Das ist ein grundlegender Unterschied zu einem Diesel oder Benziner, bei dem kein Heinzelmännchen kommt und das Auto nachts heimlich auftankt“, sagt Deinlein. So sei die Ladedauer eher irrelevant. Außer man arbeite im Außendienst oder fahre jeden Tag hunderte Kilometer. Doch auch hierzu sei das Elektroauto durchaus fähig - wenn auch mit Zwischenstopp, verrät Deinlein: „Wenn ich zum Beispiel nach Frankfurt fahre, muss ich schon mal einplanen zwischendurch 20 bis 30 Minuten an einem schnell ladenden Supercharger aufzutanken. Aber das lässt sich locker mit einem Snack oder Arbeit am Laptop überbrücken.“
Formel-1-Sprints im öffentlichen Straßenverkehr – das ist doch Wahnsinn, werden einige denken. Aber wie die Wagen auf Achterbahnen ist auch das Model S so konstruiert, dass die Masse trotz hoher Geschwindigkeit sehr gut kontrollierbar bleibt. Verantwortlich dafür sind mehrere Besonderheiten des Fahrzeugs - darunter die Straßenlage. Während ein kraftstoffbetriebenes Fahrzeug viel tun muss, um Gewichtsunterschiede zwischen Front und Heck auszugleichen, ist der Tesla mit einer zentralen, mehr als 700 Kilogramm schweren Akku-Einheit bestückt, die den kompletten Unterboden zwischen Vorder- und Hinterachse ausfüllt, und es klebt dadurch geradezu auf der Straße. Angetrieben wird der Tesla von zwei Elektromotoren: einem 350-kW-Motor auf der Hinterachse und einem etwas kleineren für die Vorderachse.
Auf der Überholspur
Der Autopilot des Tesla Model S ist bei normalen Autobahnfahrten und selbst auf Bundesstraßen nutzbar. Das Fahrzeug ist mit einem 77-GHz-Radarsystem ausgestattet, insgesamt zwölf Ultraschallsensoren sowie einer Frontkamera. Das Ehepaar Kraus-Deinlein nutzt seinen Tesla seit rund fünf Monaten, hat bislang knapp 22 000 Kilometer damit zurückgelegt und auch den Autopiloten in diversen Situationen getestet. Von seiner besten Seite zeige sich das System bei längeren Autobahnfahrten: „Zweimal kurz den Autopilot-Schalthebel an der linken Lenkradseite zu sich ziehen, die gewünschte Geschwindigkeit einstellen, und schon fährt das Auto bis auf Widerruf von selbst“, erklärt Deinlein. Von selbst heißt in dem Fall: Das Fahrzeug erkennt über die Frontkamera die Markierungen der Fahrspur und wird über die Steuerelektronik mittig auf dieser Spur gehalten, auch in Kurven. Die GPS-gestützte Fahrzeugnavigation weiß immer im Voraus, wann die nächste Kurve kommt.
„Ich war anfangs skeptisch, aber nach einer gewissen Eingewöhnungszeit überrascht von der Präzision der Lenkautomatik.“
Günther Deinlein
„Erfasst das Front-Radarsystem ein langsameres Fahrzeug auf derselben Spur, bremst es automatisch ab und hält einen vorgegebenen Abstand ein. Beschleunigt das vordere Fahrzeug, beschleunigt der Tesla auch wieder“, beschreibt Deinlein. Er empfindet den Autopiloten als großen Sicherheitsgewinn: „Ich war anfangs skeptisch, aber nach einer gewissen Eingewöhnungszeit überrascht von der Präzision der Lenkautomatik. Selbst enge Kurven auf kleinen Landstraßen schafft das System selbstständig. Ich habe die Hände trotzdem gern am Lenkrad. Sicher ist sicher, und ich möchte ja das Fahren genießen“, so Deinlein. Auch im Stop-and-Go-Verkehr, im Stau oder bei längerer Wartezeit vor einer Ampel sei der Autopilot komfortabel. Ein neues Tor in Richtung Zukunft biete der automatische Spurwechselassistent.
Deinlein muss beim Überholen zwar noch beide Hände ans Lenkrad legen und selbst den Blinker betätigen – dann aber wechselt der Tesla tatsächlich eigenständig und elegant von einer Fahrbahn auf die andere. Der Grund für den obligatorischen Fahrereingriff beim Spurwechsel liegt auf der Hand: Braust ein Fahrzeug auf der Überholspur von hinten heran, fehlt dem System diese Information. Die Entscheidung, ob ein Spurwechsel möglich ist, muss also noch der Mensch selbst treffen.
Das Fahrzeug ist stets über Mobilfunk oder WLAN mit dem Internet verbunden. „Von aktueller Musik bis Ernst Mosch ist per Spracheingabe alles verfügbar. Man wird nicht abgelenkt - ganz im Gegenteil - es verhindert, dass der Blick von der Fahrbahn abschweift“, schwärmt Deinlein. Es dürfte einige Menschen geben, die dem Konzept eines vollvernetzten Fahrzeugs mit einiger Skepsis gegenüberstehen. Spätestens 2018 ist in Europa aber sowieso Schluss mit dem Traum vom „freien Autofahren“. Denn dann müssen EU-Neufahrzeuge mit dem automatischen Notrufsystem eCall ausgestattet sein. Das bedeutet den verpflichtenden Einbau von Satellitennavigationsempfänger und Mobilfunkmodul in jeden Neuwagen. Tesla Motors hat diesen Schritt bereits vollzogen.