Anfang Februar hörten wir in Thüringen erneut viele Stimmen: „Wehret den Anfängen.“ Ein Rückblick: Vor 90 Jahren nahmen Künstler, Wissenschaftler, Journalisten und Intellektuelle den Kampf gegen die Nationalsozialisten auf. Früh erhob sich in Lichtenfels und Staffelstein Widerspruch von zahlreichen Einzelpersonen, die sich vor 1933 gegen den Nationalsozialismus stellten und auf künftige Gefahren hinwiesen, denn die ersten Tendenzen zur Zusammenarbeit mit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei waren offensichtlich und sichtbar. Die NSDAP hatte mehr und mehr Erfolge verzeichnet. Einer der Gegner der NSDAP am Obermain war der Romansthaler Anton Ostler.
In der „braunen“ Hochburg gegen die Nazis gestellt
Staffelstein ist vielen als „braune“ Hochburg des örtlichen Nationalsozialismus am Obermain in Erinnerung. Ostler erhob hier mutig seine Stimme. Als Mitglied der Bayerischen Volkspartei, Vorstandsmitglied des „Christlichen Bayerischen Bauernvereins„ und Gründer der „Jungbauernschaft“ war er im Staffelsteiner Raum bekannt.
Anfang März 1930 hatte Hans Schemm, Leiter des NSDAP-Gaues Oberfranken und Mitglied des Bayerischen Landtages, vor den Bauern aus dem Bezirk Staffelstein eine Rede gehalten. Erbost über die Ausführungen Schemms veröffentlichte Anton Ostler am 15. März einen Leserbrief im Staffelsteiner Tagblatt, in dem er Schemm und den Nationalsozialismus in Bezug auf seine Politik gegenüber den Bauern scharf kritisierte.
Wortgefechte nach Leserbrief im Staffelsteiner Tagblatt
Darin stand: „Der nationalsozialistische Abgeordnete Hans Schemm Bayreuth hat am vergangenen Sonntag in Staffelstein die Katze aus dem Sack gelassen, so dass wir Landwirte wissen, wohin der Hase läuft. Nach den Aussagen Schemms sind die Nationalsozialisten die größten Feinde der grünen Front und damit die Feinde des deutschen Bauernstandes, und deshalb müssen sie von uns aufs Schärfste bekämpft werden.“
Schutzhaft und Misshandlungen ab 1933
Aufgrund dieses Leserbriefes entwickelte sich ein heftiges Gefecht zwischen einem anonymen Mitglied der NSDAP-Ortsgruppe Staffelstein und Ostler, in dessen Verlauf dieser den Nationalsozialismus grundsätzlich kritisierte. Auf Ostlers schriftliche Veröffentlichung musste er sich von der NSDAP-Ortsgruppe beleidigende Antworten gefallen lassen. Er wurde als „Dummkopf und Spinner“ hingestellt.
Nicht nur in dieser Zeitungskontroverse kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Ostler und den Nationalsozialisten. Auf zahlreichen Versammlungen hielt Ostler couragierte Reden. Manches Mal wurde er auf seinem nächtlichen Heimweg von Staffelstein nach Romansthal von Nationalsozialisten verprügelt. Ostler, der ihnen schon vor deren Machtübernahme unliebsam aufgefallen war, wurde am 11. März 1933 als einer der ersten politischen Gegner für einige Stunden in Schutzhaft genommen, vier Tage später im Gasthof zur Post verhaftet und mit Gewalt ins Lichtenfelser Gefängnis gebracht.
Von dort ging es nach Coburg. Schon auf der Fahrt wurde er mit Gewehrkolben blutig geschlagen und zum Coburger Zollhof gebracht. Vier Männer standen abwechselnd zwei zu zwei immer zum Schlagen bereit. Sie schlugen auf Ostler ein, bis er ohnmächtig zusammenbrach. Wochenlang musste er das Krankenbett hüten.
Als „gebrochener“ Mann in die NSDAP eingetreten
Nach diesen Misshandlungen zwangen die Nationalsozialisten Anton Ostler, sämtliche Ämter niederzulegen. Er zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. 1937 wurde ihm eine Stelle als Fachberater für Gartenbau im Landkreis Staffelstein angeboten, wenn er dafür in die NSDAP eintreten würde. Der „gebrochene“ Mann trat ein und nahm die Stelle an.
Nach dem Krieg versuchte Ostler, die heimischen Nazis, die ihn 1933 misshandelt hatten, gerichtlich zu belangen. Das Verfahren wurde vom Oberstaatsanwalt des Landgerichts Coburg nach zwei Jahren eingestellt. Drei der Beschuldigten waren in der Zwischenzeit verstorben, den anderen angezeigten Personen war eine Beteiligung nicht nachzuweisen. Nur in einem Fall kam es zu einer Anklage wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlicher Körperverletzung, die mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen endete.
In der Nachkriegszeit das öffentliche Leben in der Region mitgeprägt
Seine neue politische Heimat wurde die CSU. Er war sofort im neugebildeten Kreistag tätig. 1958 ging er als Kreisfachberater für Obst- und Gartenbau in den Ruhestand. 1964 starb Ostler mit 71 Jahren.
Es gehört zur Tragik von Anton Ostler, dass seine weitgreifenden Initiativen im gesellschaftspolitischen Bereich durch das Dritte Reich jäh unterbrochen wurden. Nach 1945 konnte er an seine Ideen wieder anknüpfen. In der Nachkriegszeit hat er das öffentliche Leben in der Region am Obermain mitgeprägt.
Die Kurzbiographie Anton Ostlers im Buch „Staffelsteiner Lebensbilder - Staffelsteiner Schriften“, Band 11, informiert ausführlich über diesen aufrechten Mann. (red)