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MARKTGRAITZ: Der Kirchenbrand in Marktgraitz

MARKTGRAITZ

Der Kirchenbrand in Marktgraitz

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    Rauchschwaden durchzogen das Innere der Kirche, die vollkommen ausbrannte. Nur die Grundmauern des Kirchenschiffes blieben bestehen.
    Rauchschwaden durchzogen das Innere der Kirche, die vollkommen ausbrannte. Nur die Grundmauern des Kirchenschiffes blieben bestehen. Foto: Repro: Fabian Brand

    Die Pfarrkirche Heiligste Dreifaltigkeit in Marktgraitz ist schon 1128 geschichtlich nachgewiesen. Sie war eine der ältesten und wertvollsten Kirchen im ganzen Landkreis Lichtenfels. Im Jahr 1731 vernichtete ein Blitzschlag das Mittelschiff, schon kurz darauf wurde es wieder errichtet und gleichzeitig erhöht. Wertvollster Einrichtungsgegenstand war eine Darstellung der Krönung Mariens, die den Hochaltar zierte.

    Doch in der Nacht vom 22. auf den 23. Februar 1958 geschah das unfassbare: Die uralte Graatzer Kirche wurde ein Raub der Flammen. Am Montag darauf (es war der 24. Februar 1958) berichtete das Lichtenfelser Tagblatt über das Unglück. Auszüge aus dem Zeitungsbericht geben die ganze Dramatik der Ereignisse in Marktgraitz im Februar 1958 wieder.

    Letztmals läuten die Glocken zur Abendandacht

    „Zum letzten Mal läuteten am Samstag um 7 Uhr die Glocken zum Abendgebet und in der Kirche leuchteten noch die Kerzen bei der Abendandacht, die Pfarrer Förster hielt. Der abendliche Glockenruf verklang, der Orgelton verebbte leise, die Kerzen verlöschten an den Altären, der Mesner schloss die Türen ab, in den Stuben der alten Marktgraitzer Häuser hub das Geplauder an, die Wirtschaften erfüllte das frohe Lachen der Jugend. Niemand ahnte zu dieser Stunde, was die Februarnacht an Grauen und Entsetzen bringen sollte. Niemand ahnte die bevorstehende Katastrophe.

    Es war kurz vor Mitternacht. Die letzten Wirtshausgäste gingen heim. Über die trauten Gassen breitete sich die stille Winternacht. Plötzlich ertönte der Ruf: ,Feuer!‘ Aus den Schalllöchern des Kirchturmes schlugen helle Flammen; ein schauriges Bild, wie es noch keiner sah, wurde lebendig. Männer hatten sofort Pfarrer Förster und Bürgermeister Kupper verständigt, die sofort die Ortsfeuerwehr alarmierten, während Nottelefonrufe Landpolizei und Bezirksamt erreichten.“

    Auch das Allerheiligste ist nicht mehr zu retten

    „Die Kirche brennt!“ Von Mund zu Mund ging der Schreckensruf. Im Nu war die gesamte Einwohnerschaft auf den Beinen, bereit mitzuhelfen, das Gotteshaus vor dem Schlimmsten zu bewahren. Aber jede Hilfe war umsonst. Kaum zehn Minuten nach der Entdeckung des Brandes sah man den 36 Meter hohen Kirchturm in hellen Flammen stehen. Pfarrer Förster erkannte die große Gefahr, als er die Tür des Turmes aufschloss und den Glockenstuhl vollkommen in Rauch gehüllt sah. Er versuchte noch, durch die Sakristei in das Innere der Kirche einzudringen, um das Allerheiligste zu retten, konnte sich aber keinen Weg mehr durch die Brandgasse bahnen.

    Unvergesslich wird den Marktgraitzern der Augenblick bleiben, als um Mitternacht die Glocke zwölfmal dumpf und schwer vom brennenden Kirchturm schlug. Das Übergreifen der Flammen auf das Kirchenschiff und die vollständige Vernichtung der Kirche geschah unfassbar schnell.

    Letztlich können nur die Nachbarsgebäude geschützt werden

    Neben der Ortsfeuerwehr waren das Tanklöschfahrzeug der Feuerwehr Redwitz, die Werkfeuerwehr der Siemenswerke, die FFW Trainau und das Tanklöschfahrzeug Lichtenfels mit Kreisbrandinspektor Kübrich erschienen. Es wurde noch versucht, mit insgesamt acht Strahlrohren den Brand einzudämmen, aber hier war menschlicher Hilfe eine Grenze gesetzt. Außer den genannten Wehren waren auch die Feuerwehren aus Mannsgereuth, Trübenbach, Michelau und Neuses am Main zur Hilfeleistung eingesetzt.

    Auch der Turm der Kirche, ein Wahrzeichen von Marktgraitz, war völlig zerstört. Der Turmhelm und der Glockenstuhl wurden ein Raub der Flammen, die Glocken selbst stürzten ins Kirchenschiff.
    Auch der Turm der Kirche, ein Wahrzeichen von Marktgraitz, war völlig zerstört. Der Turmhelm und der Glockenstuhl wurden ein Raub der Flammen, die Glocken selbst stürzten ins Kirchenschiff. Foto: Repro: Fabian Brand

    Stellvertretender Kreisbrandmeister Rainer Schardt, Michelau, leitete die Hilfsmaßnahmen. Auch Landrat Dr. Jüngling war vor Ort. Die Aufgabe der Wehren konnte nur noch in der Abschirmung der Nachbarsgebäude gegen Funkenflug bestehen, dazu in Zusammenarbeit mit der Landpolizei Lichtenfels in der Sicherung des Publikums vor Einsturzgefahren des Kirchturms und der Mauern des Kirchenschiffes.

    Das Turmkreuz landet neben einem Grab im Friedhof

    Schon krachten die ersten Balken. Niederstürzende Mauerteile gefährdeten ebenso sehr die Feuerwehrleute wie das Publikum. Entsetzen verbreitete sich, als der Glockenstuhl unter polterndem Getöse auf das Kirchendach stürzte.

    Das durch das Feuer geschwächte Gebälk konnte die vier schweren Glocken nicht mehr tragen. Es darf als Glück im Unglück bezeichnet werden, dass in der Nacht Windstille herrschte. Bei Ostwind wäre wahrscheinlich das ganze obere Ortsviertel ein Raub der Flammen geworden.

    Das Wanken des Turmes erfasste die Menschen wie ein Menetekel. Wären die alten Quader auf die benachbarten Häuser oder auf die unten liegende Mühle gefallen, ließe sich die Auswirkung des Unglückes gar nicht beschreiben. Das mehrere Meter hohe Turmkreuz schlug neben einem Grab im Friedhof auf. Der Inhalt des Turmknaufes wurde geborgen. Gegen 2.30 Uhr war die Gefahr weiteren Einsturzes der Turmmauern gebannt. Doch wurden die Löschmaßnahmen während der ganzen Nacht und am darauffolgenden Sonntag fortgeführt.

    Das Gnadenbild der „Krönung Mariens“ stammte wohl ursprünglich aus der Werkstatt des Bamberger Künstlers Hans Nußbaum aus der Zeit um 1500. Es wurde einstmals vor den Schweden im Dreißigjährigen Krieg gerettet, indem man es einmauerte. Beim Kirchenbrand von 1958 ging es endgültig verloren.
    Das Gnadenbild der „Krönung Mariens“ stammte wohl ursprünglich aus der Werkstatt des Bamberger Künstlers Hans Nußbaum aus der Zeit um 1500. Es wurde einstmals vor den Schweden im Dreißigjährigen Krieg gerettet, indem man es einmauerte. Beim Kirchenbrand von 1958 ging es endgültig verloren. Foto: Repro: Fabian Brand

    „Der Schaden ist unermesslich. Niemand kann die schönen und wertvollen Stücke der Innenausstattung ersetzen. Nichts, aber auch gar nichts blieb von ihr verschont. Das kostbare Altarbild wurde schon im Schwedenkrieg durch Einmauerung dem Zugriff der Feinde entzogen. Auch eine große Reihe wertvoller Barockfiguren verbrannte. Gerettet werden konnten lediglich die in der Sakristei aufbewahrten Paramente.“

    „Niemand kann die schönen und wertvollen Stücke der Innenausstattung ersetzen. Nichts, aber auch gar nichts blieb von ihr verschont.“

    Aus dem Bericht des Lichtenfelser Tagblatts

    Pfarrer Förster fehlten beim Feldgottesdienst auf dem Marktplatz bei der alten Linde, der am Sonntag gefeiert wurde, die Worte, seinem Schmerz über die Heimsuchung Ausdruck zu geben. Der Erzbischof von Bamberg gab die Erlaubnis zur Abhaltung des Gottesdienstes im katholischen Jugendheim. Weiterhin sicherte er alle Hilfe beim Bau einer neuen Pfarrkirche zu.

    Schon am Tag nach der Brandnacht ist klar, dass neu gebaut werden muss

    Kreisbaumeister Hettrich aus Kronach untersuchte am Sonntag den Turm und sah keine unmittelbare Einsturzgefahr mehr. Er nahm aber an, dass die tiefen Risse im Turm eine vollkommene Abtragung des Marktgraitzer Wahrzeichens notwendig machen. So vermutete das Lichtenfelser Tagblatt schon damals, dass an der Stelle, an der die alte Kirche stand, später ein vollständig neues Gotteshaus stehen würde. Ein Vertreter des Erzbischöflichen Ordinariates Bamberg wurde schon am Sonntagabend zu Gesprächen in Marktgraitz erwartet.

    Ansicht auf die „Graatzer“ Pfarrkirche von Norden. Das Bild entstand in den 1950-er Jahren und zeigt den Zustand des Gotteshauses vor dem Kirchenbrand.
    Ansicht auf die „Graatzer“ Pfarrkirche von Norden. Das Bild entstand in den 1950-er Jahren und zeigt den Zustand des Gotteshauses vor dem Kirchenbrand. Foto: Repro: Fabian Brand

    „Die letzte Brandversicherung der Kirche wurde 1930 vorgenommen. Der gegenwärtige Brandversicherungswert dürfte etwa 100 000 Mark betragen. Das Schicksal der vier Glocken, die in den Chor der Kirche fielen, ist bis zur Stunde noch ungewiss, nachdem innerhalb der Brandruine noch die Kriminalaußenstelle Coburg mit den Erhebungen über die Brandursache beschäftigt ist.

    [...] Während des ganzen Sonntags wurden Augenzeugen vernommen und auch mehrere Kinder, die bereits gegen 9 Uhr abends einen Feuerschein im Turm gesehen haben wollen. Was nun aber auch die Ursache des Brandes sein mag: Eine fast tausendjährige Kirche und zugleich kostbares Kleinod steht nicht mehr.“

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