AIDS-Parcours – das klingt nach ausweichen, springen und klettern. Und halt auch nach Aids. Doch was jüngst im Pfarrsaal der Kirche Heilige Familie in Lichtenfels stattfand, hatte mit Klettern und Springen nichts zu tun, höchstens mit Ausweichen. An mehreren Stationen konnten sich Schüler des Landkreises unter Anleitung an mehreren Terminen dazu schlau machen, wie sie der gefährlichen Immunschwächekrankheit gar nicht erst begegnen.
14 Schüler sollte eines Vormittags auch Klassenlehrerin Tabea Tröster aus der Mittelschule Altenkunstadt mitbringen. Man stieg die Stufen hinunter in den Pfarrsaal, den die Aids-Beratung Oberfranken, die Caritas-Erziehungsberatung und das Landratsamt unter Teilhabe der Diakonie eingerichtet hatten. Im Beamtendeutsch kam im Vorfeld dazu die Sprache auf eine „erlebnisorientierte und aktivierende Präventionsaktion“.
Zeiten ändern sich
Da hatten es die Schüler anschaulicher, denn ihnen standen Schrifttafeln, Informationskarten und Gesprächskreise zur Verfügung. Vor allem aber drei geschulte und geduldige Referenten: Stephanie Hammond vom Gesundheitsamt (Landratsamt), Anke Scott von der Caritas-Erziehungsberatungsstelle und Dominik Beck von der Aidsberatungsstelle der Diakonie. Allesamt Sozialpädagogen.
Die Scheu nehmen

Dominik Beck hatte jetzt Schülerinnen vor sich sitzen. Ruhige Mädchen um die 13, 14, 15 Jahre. Aufmerksam still waren sie. Und Beck versteht es, ihnen die Scheu vor dem Thema zu nehmen. Der 30-Jährige stellte mittels Schautafel dar, wo überall im Leben künftig für die Schüler die Tücken einer Übertragung lauern.
Birgt das durch Messer einschneidende Erlebnis einer Blutsbrüderschaft Gefahren? Oh ja! Birgt auch ein Händedruck Risiken? Oh nein! Doch während einer Schwangerschaft, so erfuhren die Mädchen, werde es Frauen empfohlen, einen Aids-Test zu machen.
Und dann sagte Beck noch etwas, gleich im Vorfeld, mit ernster Miene und lustigen Augen: „Ich muss heute auch so Wörter wie Analverkehr in den Mund nehmen (…) und entschuldige mich auch dafür.“ Seit fünf Jahren ist der junge Mann auf seiner Stelle. Was er über Blutkreisläufe, Viruskopien, öffentliche Toiletten oder die Zellandockung von Viren zu sagen hat, gelingt ihm auf eine Weise, mit der die Peinlichkeit erspart bleibt.
Behutsam, ohne Peinlichkeit
Über all das zu reden, forderte von ihm selbst keine Überwindung von Scham. „Ich sehe das relativ nüchtern“, erklärte er und sprach von einer „Behutsamkeit, die man sich erarbeiten muss, weil man mit 15-Jährigen nicht reden kann wie mit 25-Jährigen.“
Zu Kondomen
Behutsam ging es auch auf der anderen Seite des Pfarrsaals zu. Teil dieser Behutsamkeit war dort auch eine Art Sichtschutz, denn hier könnten Peinlichkeiten aufkommen. An diesem Platz wurden die Geschlechter getrennt voneinander informiert. Das ist Absicht, denn wer will in dem Alter schon mit dem anderen Geschlecht zusammen sein, wenn der rechte Gebrauch eines Kondoms mittels Holzpenissen veranschaulicht wird.
Stephanie Hammond hatte hier das Sagen. Sie sprach auch von Verfallsdaten. Tatsächlich können Kondome aus dem Automaten Probleme mit sich bringen. Sie können vor dem Einräumen vielleicht sogar unsachgemäß in der Sonne gelegen haben. All das können Gefahrenherde sein, all das hat schon dann und wann in vielen Fällen zu Aidserkrankungen geführt.
Darum riet die junge Frau vom Gesundheitsamt zum Kauf in Drogerien oder Apotheken. Doch sie erklärte auch den Zyklus einer Frau, das hormonelle Verhüten mittels Vaginalring und wie und ob Eizellen in die Gebärmutter gelangen.
Aber irgendwann hatte sie, als Jungs vor ihr saßen, auch eine geschickte Frage: „Von Frauenärzten weiß man ja, aber ihr als Männer, wo geht ihr eigentlich hin?“ Das Wort Urologe fiel, es kam sogar aus der Schülerschaft.
Das erste Mal: Wann?
Zurück zu Dominik Beck und auf einen Plausch. Die Zahl der HIV-Neuinfektionen bleibt seines Wissens nach derzeit stabil und hat sich seit 2016 pro Jahr „bei 2000 bis 2500 eingependelt“. Ein guter Grund also, sie noch verringern zu wollen und darum solche Veranstaltungen wie diese anzubieten. Doch wann ist heutzutage eigentlich das „erste Mal“? Laut einer Jugendsexualitäts-Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wäre das „im Schnitt mit 17“. Wie weit und wie und ob es mit eigenen Erfahrungen gediehen ist, darüber und dazu tauschte man sich aus. Im Vorraum des Pfarrsaals, dort, wo Anke Scott einen Stuhlkreis bildete und Schüler spielerisch wurden. Man würfelte um Themenkomplexe und dann tauchten sie auf, die Fragen: „Was denkst du, wenn Mädchen Kondome bei sich haben?“ - „Welche unterschiedliche Arten der Spirale gibt es und wie wirken diese?“ -„Schützt Treue vor einer Infektion mit einer sexuell übertragbaren Krankheiten?“
Geschützter Raum
Es ging also auch um Bezug und Beziehung. „Bei uns geht es viel um das Zwischenmenschliche“, bestätigte denn auch Scott. Schüler sollen hier einen geschützten Rahmen haben, „wo jeder sich öffnen kann, wenn er mag“. Und ja, hier darf auch mal gekichert werden. Doch viel drehte sich hier um das Thema Liebe und Partnerschaft.
Der Schüler Elias ist Achtklässler und 14 Jahre alt. Seinen Nachnamen mag er bei aller Offenheit dann doch nicht nennen, aber dazu befragt, was ihm der Parcours gebracht habe, führte er aus, mehr über Krankheiten und Verhütung erfahren zu haben. „Man weiß ja nicht, was es alles so gibt.“ Ob ihm etwas peinlich war? „Ne, ich bin eh so einer, dem fast nichts peinlich ist.“ Doch seinen Nachnamen nennen wollte er immer noch nicht.