Fünf Mal fand das Vorhaben seinen Weg in den Bauausschuss, fünf Mal wurde es über alle Parteigrenzen hinweg abgelehnt (zuletzt am 22. Februar, diese Redaktion berichtete). Trotzdem dürfen sich die Bauherren freuen, denn das Landratsamt hat in der vergangenen Woche grünes Licht für den Umbau und die Sanierung eines Anwesens in der Straße „An der Hummerei“ gegeben. Für diesen Fall hat der Lichtenfelser Bauausschuss im Februar einstimmig beschlossen, dass sich die Stadt eine rechtliche Prüfung vorbehält.
Da die Beteiligten das Vorhaben unterschiedlich bewerten, fragte diese Redaktion nach. Im Übrigen fand auch ein Gespräch mit dem Bauherren statt, der seine Stellungnahme nach der Genehmigung durch das Landratsamt aber wieder zurückgezogen hat.
Die Sicht der Stadt Lichtenfels
Die Bauverwaltung bleibt bei ihren städtebaulichen und planungsrechtlichen Bedenken. In diesem Gebiet gebe es keinen Bebauungsplan, weshalb das Vorhaben nach Paragraf 34 Baugesetzbuch zu beurteilen sei. Dieser regelt, dass Bauvorhaben prinzipiell zulässig sind, wenn sie sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Mit anderen Worten stellt damit die Umgebung laut dem kommunalpolitischen Leitfaden der Hanns-Seidel-Stiftung „Baurecht in der Gemeinde“, Band 2, einen faktischen Bebauungsplan dar.
Nach Ansicht von Bauausschuss und Bauverwaltung passt damit das Vorhaben nicht in die Umgebung. Denn das „villenartige Gebäude mit seinem Flachdach, dem Penthousegeschoss mit umlaufender Dachterrasse und der aufgeständerten PV-Anlage“ steche deutlich aus der Kleinsiedlung mit ihren Sattel-, Walm- und Pultdächern hervor.
Flachdächer gebe es bisher nur auf unbedeutenden Nebengebäuden wie Garagen oder Gartenhäusern. Deshalb schaffe dieser neue Gebäudetyp in diesem Baugebiet einen Präzedenzfall, heißt es in der Vorlage der Bauausschusssitzung vom 22. Februar. „Letztendlich bietet die Dachterrasse im obersten Geschoss einen Rundumblick in die Nachbargärten, was von den Bewohnern der Siedlung insgesamt kritisch gesehen wird. Das Bauvorhaben wird deshalb vor dem Hintergrund der nachbarlichen Rücksichtnahme und der Gleichbehandlung als äußerst kritisch gesehen. Mittlerweile liegen auch mehrere Beschwerdeschreiben von Anwohnern vor.“

In diesen Schreiben wird vor allem „die Aufstockung mit einem Penthouse und Aussichtsterrasse“ kritisiert. Ein solches sei für die Bewohner sicher schön, „nicht aber für die Nachbarn, denen man zukünftig in den Garten schaut.“ Das moderne Haus passe nicht in die Kleinsiedlung und es wird befürchtet, dass andere Bauherren das gleiche beantragen werden“. Im Schreiben der Anwohner wird auch angesprochen, dass der Bauherr nach der Ablehnung durch den Bauausschuss bei Landrat Christian Meißner und der Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner vorstellig geworden sei, um für sein Bauvorhaben zu werben. „Es entsteht der Eindruck, dass Bauherren, die politische Würdenträger kennen, Vorteile erhalten“, kritisieren die Anwohner.
Die Stadt stellte übrigens ein gemeindliches Einvernehmen in Aussicht. Allerdings unter der Auflage, „wenn das oberste Terrassengeschoss als ausgebautes Dachgeschoss mit Satteldach ausgeführt wird und die Gesamthöhe den jetzigen Baubestand nicht überschreitet“.
Die Stadtverwaltung habe sich, so heißt es in einer Stellungnahme weiter, von 2020 bis 2021 insgesamt dreimal mit dem Bauherrn zusammengesetzt und viele weitere persönliche Gespräche geführt. Sogar Bürgermeister Hügerich habe sich bei einem Gesprächstermin dafür eingesetzt, den Bauherrn davon zu überzeugen, von seiner Planung Abstand zu nehmen.
Als Vorschlag sei ihm angeboten worden, das oberste, dritte Dachgeschoss als Satteldach mit Balkon in Blickrichtung Banz auszubauen. Um die Nachbargrundstücke nicht zu beeinträchtigen, sollte das Gebäude nicht höher werden als bisher. Diese Vorschläge, sowie die ablehnende Haltung zum Penthousegebäude, seien auch mehrfach eng mit dem Landratsamt abgestimmt gewesen.
Nun habe der Bauherr seine Pläne nur minimal geändert und dürfe letztendlich 1,64 Meter höher bauen als der Bestand, bekomme das erste Flachdachhaus im weiten Umkreis und dürfe ein Penthouse mit umlaufender Dachterrasse im obersten Geschoss bauen.
Insgesamt entstehe ein großes Fünffamilienwohnhaus, das von der Gestaltung völlig anders sei als die Häuser in der Umgebung, so die Stadt. Um solche Probleme künftig zu vermeiden, habe der Stadtrat im Oktober eine allgemeine Gestaltungssatzung erlassen, die im Fall „Hummerei“ aber noch nicht greife.
Die Sichtweise des Landratsamtes
„Bei den ersten Bauanträgen des Bauherren hatten sowohl das Landratsamt (...) als auch die Stadt (...) bauplanungsrechtliche Bedenken, die der Bauherr durch die letzte Planung versucht hat, auszuräumen“, heißt es in einer Stellungnahme des Landratsamtes, das auf den oben genannten Paragraf 34 des Baugesetzbuches verweist.

Weiter heißt es: „Von der Stadt Lichtenfels wurden von den bauplanungsrechtlich relevanten Einfügungstatbeständen die Ausführung des Vorhabens mit drei Vollgeschossen, also das Maß der baulichen Nutzung, beanstandet. Entscheidend für das Einfügen ist dabei nicht die objektive Zahl der Vollgeschosse, sondern das äußere Erscheinungsbild der baulichen Anlage, also ob das dritte Vollgeschoss auch als drittes Vollgeschoss in Erscheinung tritt.“
Der zuletzt vorgelegte Bauantrag sehe vor, dass das dritte Vollgeschoss mehr als in den vorherigen Planungen zurückversetzt werde, insgesamt um 1,90 Meter, dadurch nicht mehr wie ein Vollgeschoss wirke und sichnach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge.
Auf Nachfrage, wie weit das Vollgeschoss zurückgesetzt werden müsse, heißt es vom Landratsamt: „Dies kann nicht pauschal gesagt werden, sondern ist immer eine Einzelfallentscheidung. Das Bundesverwaltungsgericht formuliert es so, dass für das Einfügen im rechtlichen Sinne nicht die objektive Zahl der Vollgeschosse maßgeblich ist, sondern bewertend das äußere Erscheinungsbild für den Betrachter zugrunde zu legen ist, das heißt die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung.“
Die von der Stadt monierten Punkte wie die Ausgestaltung des obersten Geschosses als Penthouse und das Vorhandensein einer Dachterrasse seien keine relevanten Einfügungstatbestände und damit im Baugenehmigungsverfahren nicht zu würdigen, wenn das Baugrundstück wie hier im unbeplanten Innenbereich liege.
Der Umstand, dass die Bauherren künftig von ihrer Dachterrasse in die Nachbargärten blicken könnten, ist laut Tim Baum vom Landratsamt kein Grund, weshalb der Bauantrag abgelehnt werden könne, da dies keinen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme darstelle. Da auf dem Grundstück der Bauherren bereits ein Hauptgebäude mit einem Flachdach genehmigt sei (Ein einstöckiges Gartenhaus, das die Stadt 2021 genehmigt hatte. Anm. d. Red), greife das von der Stadt ins Feld geführte Argument, das Bauvorhaben entspreche nicht der Anforderung der Gestaltungssatzung hinsichtlich der Anpassung der Dachform an die Bebauung der näheren Umgebung, in diesem Falle nicht.
Das Landratsamt habe die Stadt ferner darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestünde, im Bereich des Bauvorhabens einen Bebauungsplan aufzustellen und städtebauliche Festsetzungen aufzunehmen. Von dieser Möglichkeit habe die Stadt keinen Gebrauch gemacht.
Die Sichtweise von Landrat Meißner und MdB Emmi Zeulner
In zwei Schreiben kritisierten Anwohner die Unterstützung von Landrat Meißner und MdB sowie Stadträtin Emmi Zeulner für das Anliegen des Bauherren.
Zur Rolle des Landrates äußerte sich das Landratsamt wie folgt: „Die Bauherren waren wegen eines vorherigen Entwurfs, der letztendlich vom Landratsamt wegen der fehlenden Einfügung in die Umgebungsbebauung abgelehnt wurde, in der Bürgersprechstunde von Landrat Meißner vorstellig. Nach diesem Termin haben die Bauherren den Bauantrag zurückgezogen und einen neuen Bauantrag gestellt, der nun für genehmigungsfähig gehalten wird. Mit diesem Bauantrag war der Landrat nicht befasst.
(...) Landrat Meißner steht für Fragen oder Anliegen der Bürgerinnen und Bürger des Landkreises stets zur Verfügung, auch wenn es um Bauvorhaben oder das dazugehörige Genehmigungsverfahren geht. Ob der Bauherr oder die Bauherrin den Weg über Herrn Landrat wählt, ist für die Frage der Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens jedoch unbedeutend und spielt insbesondere auch im Landratsamt als Bauaufsichtsbehörde keine Rolle.“
Das Büro von MdB Emmi Zeulner, die kein Mitglied des Lichtenfelser Bauausschusses ist, antwortete auf die Anfrage dieser Redaktion in dieser Angelegenheit vom 23. Februar am gleichen Tag wie folgt: „Aufgrund der sehr hohen Termindichte kann sich eine Antwort etwas verzögern.“ Eine weitere Nachricht von Emmi Zeulner ist bis heute bei dieser Redaktion noch nicht eingegangen.
Letztlich bleibt abzuwarten, ob die Stadt dem Beschluss ihres Bauausschusses folgen und eine gerichtliche Klärung herbeiführen wird.