Angeln. Angeln und Corona. Gibt es da eigentlich Bezüge, Auswirkungen oder Beeinträchtigungen? Ja. Nein. Vielleicht. Das OTverbindet wirft nach einer Geschichte die Angel aus, geht mit dem Lichtenfelser Fred Goller auf Fischfang, taucht in Begebenheiten ein und zu Geschichten ab. Petri Heil.

Ein Freitagnachmittag im westlichen Landkreis. So ganz genau möchte Goller nicht sagen, wo er zu angeln gedenkt. Doch es geht alles mit rechten Dingen zu, denn der 79-Jährige hat für gewisse Angelbereiche selbst gar Kontrollfunktion inne. Nur so viel sei gesagt: Kloster Banz liegt im Rücken, die Eisenbahn ist dann und wann zu vernehmen, man zählt hier zum Bad Staffelsteiner Gebiet und der unweit liegende Ort war einstmals ein Fischerdorf...
Fred Goller parkt auf einem Sandstreifen bei einer Wiese, quert eine Straße, und dann zieht es ihn ins Unterholz. Unwegsam. Dann eine kleine Lichtung, direkt am See und mit Ausblick auf zwei Inseln.
Auf der Kiste mit dem Posthorn

Man lässt sich nieder. Fred Goller war früher bei der Post. Postler ist er irgendwie geblieben, denn auf einem Angelstuhl möchte er nicht sitzen. Er bevorzugt stattdessen eine wohl nur für ihn kommode graue Kiste, die er irgendwann mal für wenig Geld erstanden hat. Auf ihr zu sehen ist zweierlei: ein Posthorn und ein Zettel zur Vergewisserung mit der Aufschrift „Habe ich meinen Kescher dabei?“.

Ortswechsel, Zeitenwechsel. Eine Frage taucht auf: Kontrolliert die Polizei in Coronazeiten eigentlich verstärkt Angler bezüglich Abstandhaltens zueinander? Ein Anruf bei der Polizei in Bad Staffelstein ergibt ein eindeutiges Ergebnis: Nö. Also wieder zurück zum See. Es gilt anzufüttern, damit die Fische anbeißen. Fred Goller hat da mal was Pasteartiges vorbereitet, was in zwei Plastikdosen passt. Das Fischfutter wird ins Wasser geworfen, so auf eine Distanz von gut zehn Metern und in einer Breite von sechs, sieben. Aber der Mann warnt lachend vor, denn es herrscht Ostwind und Vollmond war in der Nacht auch. Und so sagt er: „Bei Ostwind, und ist der Mond recht groß und rund, fängst du nicht ein halbes Pfund.“
Goller legt gleich zwei Ruten aus
Zwei Ruten legt Goller aus, und dann setzt sich der gänzlich olivgrün gekleidete Mann auf seine Kiste. Die Frage, die an ihn geht, geht an den Mann, der mit der Mainfischereigemeinschaft Lichtenfels GbR verbunden ist. Er ist für sie Aufseher und kennt die der GbR unterstehenden 34 Kilometer von Flusskilometer 411 bis 200 Meter oberhalb des Kehlbacheinlaufs. Nun die Frage: Hat Corona Auswirkungen auf das Angeln?
„Beim Angeln gibt es keine Auswirkungen, Angler sind alles Einzelkämpfer.“ Ganz so sieht es der Landesfischereiverband Bayern allerdings nicht. Theoretisch. Man dürfe nur alleine oder „höchstens im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Verwandten in gerader Linie, Geschwister sowie einer weiteren Person“ ausüben. Darüber hinausgehendes Gemeinschaftsfischen ist nicht gestattet.
Wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten. Im Grunde ist alles wie gehabt, und wie sagt Goller: „34 Kilometer – da wird doch jeder seinen Angelplatz finden.“ Er blickt auf den See, denn dort tut sich was.
Vom Jagdfieber und einem Fehlalarm
Jagdfieber. Es dauert keine drei Sekunden, da ist der 79-Jährige bei den fünf Metern entfernt gelegenen Angeln. Fehlalarm, also weiter im Text. Es wird jetzt heiter, denn Goller kann erzählen. Und bedauern. Augenzwinkernd. Der Kontrolleur bedauert, „dass man als Anfänger nicht üben kann, weil es ein Schwarzangeln wäre. Beim Tennis oder Fußball ist das ja anders.“ Ein Wind hebt an, und ein Gedanke taucht auf: Können Fische Corona bekommen? Wieder Orts- und Zeitenwechsel. Ein Anruf beim ärztlichen Kleintierzentrum am Obermain erbringt erneut Erkenntnis, und sie wird gegenüber dem Fragesteller nachsichtig milde formuliert: „Aber nein.“

Angler erzählen Anekdoten. Goller auch. Sein bester Freund hat ihm mal von 64 Hechten erzählt, die er in einer Saison gefangen habe. „Wo genau?“, wollte Goller von ihm wissen. „Na Fred, im Wasser“, so die Antwort. „Ich wusste nicht, ob ich lachen oder greinen sollte“, erinnert sich der Mann zu der Verschwiegenheit, die man Anglern bezüglich Fischgründen so nachsagt.
An dem Platz, wo wir uns nun befinden, angelt Goller schon seit zwei, drei Jahren. „Den Platz hat mein Sohn für mich gemacht“, lobt er diesen. Wenn er gemacht sagt, ist da was dran, denn er wirkt irgendwie von Unterholz ausgeschlagen.
Das Problem mit der Dreikantmuschel
Der Zustand der Gewässer ist aus seiner Sicht so lala. Das Problem rühre von der Dreikantmuschel, die hier nicht heimisch sei und zu sehr filtere. Auch Kläranlagen würden „Plankton wegklären“, was Nahrung für kleine Fische ist. Ergo: Keine kleinen Fische – keine großen Fische und auch keine Köderfische. Doch halt, es tut sich was an der Rute und wieder ist das Jagdfieber da.

Erneut beweist der bald 80-Jährige, wie ungewöhnlich behände und schnell er an den Angeln ist. Ein Fisch zappelt an der Leine, vermutlich ein Karpfen. Er wird eingeholt, aber er ist noch so klein, dass Goller ihn wieder ziehen lässt. Allerdings gibt der Fisch Anlass, über Rezepte und Schimpfwörter zu reden.
Es gibt nämlich „Kochtopfangler“ und solche, die Fische überhaupt nicht verzehren, die sie nicht einmal essen mögen. Der Fang diene lediglich dazu, auf Instagram präsentiert zu werden, was Auswuchs moderner Zeit darstellt, den Goller nicht mag. Im Keller, so sagt er, habe er einen Raum, da wird der Fisch ausgenommen, geschuppt und was sonst noch, wenn es darum geht, ihn für ein Mahl zu präparieren.
Es geht um mehr als eine Trophäe
Aal lässt sich demnach in Salbei braten, Räucherfischpastete taugt zum Brotauftstrich, Flussbarschfilets eignen sich zu Salat und wer, wie er, Enkelinnen hat, der kann durch solches Wissen glatt Punkte sammeln. Denn Fisch ist mehr als Trophäe, er besitzt Wert, ist Geschenk der Natur, und wer ihn fängt, der hat ihn auch zu essen.
Aber die moderne Zeit hat eben oft diese Instagram-Auswüchse. Sie hält in Angelbedarfsläden sogar Köder mit Erdbeergeschmack vor. Es ist eine verrückte Welt, in der wir leben und wer mit Mais statt Würmern angelt, ist meist verheiratet. Er hat eine Frau daheim, die ihm die Lagerung von Würmern im Kühlschrank nicht gestattet. „Doch du findest keinen Wurm mehr durch die Trockenheit“, fügt Goller noch an. Seine sind aus Kanada.
„Wenn die Schlehe blüht, läuft der Aal.“ Angler haben ihr Latein und ihre Einsichten zu Periodika in der Natur. Doch all das hin oder her bemerkt der einstige Postler, dass er nicht nur um des Fangens hier am Wasser sitzt. Ihm genügt es „zu sitzen und zu sein“. Er geht überhaupt nur ums Angeln, wenn das Gefrierfach leer ist. Plötzlich ein Platschen und die Wasseroberfläche ist aufgewühlt. Das muss ein ziemlich großer Brocken sein, der sich da eben bemerkbar macht.
So flink wie ein junger Spund
Wieder ist Fred Goller so flink wie ein junger Spund an der Angel, greift nach ihr und holt Leine ein. Die Rute biegt sich durch. „Zehn Kilo – mindestens“, sagt Goller. Einschätzung oder gewollte Übertreibung? Man wird es nie erfahren, denn die Leine reißt und fort ist der Fang. Zeit also, auch mal über Yoga zu reden. Das macht Fred Goller dann und wann. Es wäre kein Thema, wenn es nicht offensichtlich wäre, dass es ihm keine Probleme zu bereiten scheint, in seinem Alter an der Rute in die Hocke, aus der Hocke und wieder in die Hocke zu gehen.
Distanz schon lange vor der Pandemie
Angeln ist Individualismus. Angeln ist eine ideale Corona-Beschäftigung, denn unterhalten kann man sich auf Distanz. Wenn Angler nebeneinander stehen und die Angel auswerfen wollen, brauchen sie eh zwei Meter Abstand zueinander. Außerdem: „Durch Kurzarbeit wegen Corona haben die Leute mehr Zeit zum Angeln.“ Dass, wie manch moderner Mensch meint, die Fische im Wasser so etwas hören und gewarnt sein könnten, glaubt Goller nicht. Er schmunzelt, schaut auf seine Taschenuhr, packt zusammen, geht, ist' s zufrieden und weiß, dass sein Angelplatz geheim bleibt und von niemand anderem genutzt wird. Ehrenkodex unter Anglern.