

Die Täter kamen in der Dämmerung. Erst versuchten sie es an der Haustür, dann wollten sie die Terrassentür aufhebeln – vergeblich. Beide Eingänge des freistehenden Einfamilienhauses waren verschlossen. Nun fiel der geübte Einbrecher-Blick auf die gekippte Balkontür im ersten Stock. Und die Leiter, die im Garten lag. Kurz darauf standen die Verbrecher auf dem Balkon, griffen durch den Spalt der gekippten Tür und öffneten das danebenliegende Fenster ...
Für gerade mal knappe drei Stunden hatten die Bewohner ihr Haus in einer ruhigen Siedlung einer Stadt im Landkreis verlassen. Knappe drei Stunden, in denen die Unbekannten Geld und Schmuck im Wert von mehreren Hundert Euro haben mitgehen lassen. Und dazu noch Schaden für 2000 Euro angerichtet haben– nur weil die Balkontür nicht abgeschlossen war!
Profis am Werk
„Das waren Profis!“, erklärt Ingo Geiger, Ermittlungsbeamter der Polizei in Lichtenfels für Einbrüche. Profis, die vor der Tat akribisch die möglichen Opfer ausspioniert haben. „Die wissen ganz genau, wann die Leute die Kinder zur Schule oder in den Kindergarten bringen, wann sie sich auf den Weg zur Arbeit machen oder den wöchentlichen Einkauf erledigen“, berichtet Greiner.
Abgesehen haben es die Täter in der Regel auf Bargeld oder Schmuck, aber auch Wertgegenstände wie Tabletcomputer, Laptops oder Handys würden mitgenommen. Bei ihren Einbrüchen gingen die Räuber rücksichtslos vor, es sei ihnen egal, ob eine Vase beim Durchwühlen der Wohnung nach Wertvollem kaputt gehe oder nicht. So komme es vor, dass der Schaden, den die Verbrecher in den Häusern anrichten, den Wert des Diebesgutes weit übersteig.
Auffällig sei, dass die Täter nur selten durch die Haustür in die Wohnungen eindringen könnten, sondern meistens durch von der Straße abgewandte Nebeneingänge oder gekippte Fenster. „Wir stellen fest, dass die Einbrecher nicht aufgeben, wenn eine Tür abgeschlossen ist. Sie versuchen es dann so lange, bis sie einen schlecht gesicherten Zugang finden und durch dann in die Wohnung kommen“, erläutert der Lichtenfelser Polizist. Sein Chef, Polizeioberrat Willibert Lankes, appelliert darum an die Bürger, den Verbrechern keine Tatgelegenheiten zu geben. „Fenster sollten nie gekippt sein, wenn man die Wohnung verlässt. Wer in Urlaub fährt, sollte Verwandte oder Nachbarn bitten, den Briefkasten auszuleeren, oder dafür sorgen, dass sich keine Zeitungen vor der Haustür stapeln.“
Wohl organisierte Banden
Ausspionieren, rücksichtsloses Vorgehen, schnelle Tatausführung – das alles hört sich sehr nach organisierter Bandenkriminalität an. „Wir vermuten natürlich auch, dass wir es mit keinen Einzeltätern zu tun haben“, sagt Polizeibeamter Geiger, betont aber, dass die Polizei in alle Richtungen ermittle.
Ein spezielles Beuteschema lässt sich nicht festmachen, so Geiger weiter: „Die brechen sowohl in Ein- als auch in Mehrfamilienhäuser ein, deswegen kann sich leider niemand sicher sein, dass er von den Tätern verschont bleibt.“ Bei ihren Beutezügen bauen die Verbrecher auf die Zunahme der Anonymität auch im ländlichen Bereich. „Wenn sich jeder nur um sich selbst kümmert, dann ist ihm auch egal, dass sich beim Nachbarn irgendwelche zwielichtigen Gestalten tummeln.“
Darum fordert sein Chef Lankes die Einwohner auf, mehr in der Nachbarschaft zusammenzuwirken: „Die Leute sollen durchaus den Mut haben, Fremde zu fragen, was sie in Nachbars Garten suchen. Oder aber die Polizei anrufen und sagen, dass sich jemand Verdächtiges in der Gegend aufhält.“ Zeigt ein Nachbar mal Zivilcourage und spricht die Verdächtigen an, machen die sich in der Regel schnell aus dem Staub. In Bad Staffelstein beispielsweise wurde vor Kurzem dank eines aufmerksamen Passanten ein Kupferdieb gefasst, der auf einer Baustelle Rohre mitgehen lassen wollte. Und im Weismainer Ortsteil Arnstein sorgte vor einiger Zeit ein Anwohner, der auf anliegenden Anwesen verdächtige Männer entdeckt hatte, dafür, dass die beiden Diebe von der Polizei dingfest gemacht werden konnten.
„Die Tat in Arnstein zeigt, dass die Einbrecher selbst in vermeintlich abgelegenen Dörfern auf Tour gehen“, sagt Geiger. Wichtig sei für sie nur, schnell in Richtung Autobahn fliehen zu können. In den Weismainer Jura-Dörfern sei die A 70 rasch zu erreichen, im westlichen Landkreis die A 73.
Allerdings scheinen die zwei Täter schlechte Ortskenntnisse gehabt zu haben. Denn sie flohen statt zur Autobahn ins Kleinziegenfelder Tal – und da wurden sie dann verhaftet. Eben weil der Nachbar aufmerksam war!
Statistik
Laut Polizeioberrat Willibert Lankes ist die Zahl der schweren Diebstähle im Landkreis Lichtenfels nach einem Rückgang im Jahr 2013 im Jahr 2014 wieder angestiegen. Seinen Angaben zufolge ist auch ein deutlicher Anstieg im ersten Quartal 2015 im Vergleich zum gleichen Zeitraum in 2014 zu verzeichnen. Folgend die Zahlen der schweren Diebstähle im Landkreis in den vergangenen Jahren: 2010: 169; 2011: 246; 2012: 216; 2013: 145; 2014: 188.