„Pfefferspray? Ist ausverkauft.“ Rudolf Hajek schüttelt grinsend den Kopf. Der Inhaber eines Waffen-, Jagd- und Outdoor-Geschäfts in Lichtenfels hat bereits nachbestellt, doch auch die Lieferung des eigentlich zur Tierabwehr gedachten Sprays wird noch etwas dauern. Durchschnittlich drei oder vier Personen würden am Tag danach fragen, viele Kundinnen, aber auch Männer, die für ihre Frauen das Abwehrmittel kaufen wollen.
Auch Gas- und Signalwaffen kriegt Hajek an den Kunden. „Normalerweise habe ich die meisten Schreckschusswaffen kurz vor Silvester verkauft, doch die Kunden fragen auch jetzt im Januar noch danach“, verrät der Waffenhändler. Als Munition für die Pistolen und Revolver wünschen die Interessenten übrigens meistens CS-Gas- oder Pfefferpatronen, letztere sind wieder für die Tierabwehr gedacht.
Der Grund für diese Aufrüstung? Natürlich die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln, wie eine Anruferin dieser Redaktion gegenüber kürzlich meinte. Sie traue sich nicht mehr, nachts durch Oberwallenstadt zu laufen, sagte die Frau, zur Sicherheit habe sie sich Pfefferspray gekauft. Eine andere Leserin hat ihre Tochter mit diesem Abwehrmittel „aufgerüstet“, diese müsse schließlich oft mit der Bahn fahren.
Altersbeschränkung
Gibt es für den Erwerb und das Führen von Pfefferspray, das offiziell Tiere abwehren soll, nicht einmal eine Altersbegrenzung, muss der Käufer einer Schreckschusspistole mindestens 18 Jahre alt sein. Dann darf er die Waffe zuhause aufbewahren, nicht aber geladen und oder zugriffsbereit mit sich führen. Dazu benötigt er einen sogenannten kleinen Waffenschein, den er für 60 Euro im Landratsamt im Sachgebiet für Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Bereich Waffenrecht, beantragen kann.
Hat er das entsprechende Formular ausgefüllt, holt die Beamtin Auskünfte zu der Person ein, beim Bundeszentralregister, beim Zentralregister der Staatsanwaltschaft und beim Polizeiregister. Hier kann Sandra Groß feststellen, ob etwas dagegen spricht, dem Antragsteller den kleinen Waffenschein zu genehmigen. „Gründe für die Nichterteilung sind beispielsweise Drogenvergehen, gemeingefährliche Straftaten wie Trunkenheit im Verkehr oder Beleidigung, Bedrohung, aber auch Insolvenzverschleppung“, erläutert die Beamtin.
Gibt es solche Einträge, die dagegen sprechen, dem Mann oder der Frau einen kleinen Waffenschein zu erteilen, wird vor Erlass eines kostenpflichtigen Ablehnungsbescheides dem Antragsteller empfohlen, seinen Antrag zurückzuziehen. Dies komme den Betroffenen billiger, er müsse nur bis zu 15 Euro Gebühr dafür zahlen.„Zieht er darauf seinen Antrag nicht zurück, wird eine Ablehnungsgebühr von 40 bis 150 Euro fällig“, sagt Sandra Groß. Abgelehnt würden etwa zehn Prozent aller Anträge, erklärt die Beamtin.
Deren Anzahl ist übrigens spürbar nach oben geschnellt. Seit der Einführung der kleinen Waffenscheine im Jahr 2003 lag, mit Ausnahme der ersten beiden Jahre, die Zahl der Erteilungen immer zwischen neun und 31 pro Jahr. Auch die erste Hälfte 2015 verlief in diesem Größenbereich, da erteilte das Landratsamt in den ersten sechs Monaten elf solcher Erlaubnis-Bescheide. Im zweiten Halbjahr 2015 genehmigten sie und ihre Behörde schon 30 Personen, eine Schreckschusswaffe zu führen. „Stand 19. Januar wurden sogar schon 25 Anträge gestellt, von denen wir 15 bereits erteilt haben“, berichtet Sandra Groß.
Hohe Hürden
Ist der kleine Waffenschein derzeit, wohl wegen der Silvesterereignisse in Köln, neben Pfeffersprays groß in Mode, gab es keine Zunahme der Anträge auf Erstellung einer Waffenbesitzkarte (WBK), wie die Beamtin mitteilte. Diese ist notwendig, um eine scharfe Waffe erwerben zu dürfen. „Bei einer WBK liegt die Hürde doch sehr hoch“, erläutert Sandra Groß.
Um beispielsweise als Sportschütze eine Waffenbesitzkarte zu erhalten, sind sechs Voraussetzungen zu erfüllen. So muss der Antragsteller mindestens 18 Jahre alt sein und eine Waffensachkundeprüfung erfolgreich abgelegt haben. Hinzu kommt die persönliche Eignung, man darf also unter anderem weder drogen- noch alkoholabhängig oder gar psychisch krank sein. Das vierte Kriterium ist die Zuverlässigkeit, es dürfen also keine Vorstrafen vorliegen. Schließlich muss ein Bedürfnis vorhanden sein, das ist ein vom Gesetzgeber anerkannter Rechtsgrund zum Waffenbesitz. Ein Antragsteller, der zum Beispiel als Sportschütze Waffen besitzen möchte, muss mindestens zwölf Monate einem Schützenverein oder einer Soldatenkameradschaft angehören und regelmäßig mit scharfen Waffen schießen. Regelmäßig bedeutet einmal im Monat oder 18-mal aufs ganze Jahr verteilt.
Letztes Kriterium ist die sichere Aufbewahrung der Waffen in dafür vorgesehenen Sicherheitsbehältnisse. Diese kontrolliert Sandra Groß mit der Polizei unangekündigt seit 2013 – und findet bei 40 von 100 Überprüfungen auch Verstöße gegen die Aufbewahrungsvorschriften. Wer seine Gewehre, Pistolen oder Revolver nicht wie vorgeschrieben wegsperrt, muss damit rechnen, seine Waffenbesitzkarte zu verlieren, sagt Sandra Groß und erklärt, dass deswegen fünf bis 15 Personen im Jahr ihre Waffen abgeben müssen.
Waffen im Landkreis
Nach Auskunft von Sandra Groß vom Landratsamt gibt es 1326 Inhaber einer Waffenbesitzkarte (WBK) im Landkreis, davon sind 426 Jäger (Stand: 19. Januar 2016). Alle zusammen haben 5839 Langwaffen, also Gewehre, und 2630 Kurzwaffen, das sind Pistolen und Revolver, eingetragen. Insgesamt sind beim Landratsamt 8469 legale Waffen gemeldet.
Noch im Jahr 2010 besaßen laut Sandra Groß rund 2000 Personen im Landkreis eine Waffe. Der Grund für den Rückgang um fast 700 Personen war der vom Gesetzgeber geforderte Nachweis, dass Pistolen, Revolver und Gewehre verschlossen in Sicherheitsbehältnissen verwahrt werden müssen. Diesen Aufbewahrungsnachweis zu erbringen, war wohl vielen Besitzern, speziell jenen von geerbeten Waffen, zu teuer oder aufwändig, weshalb sie diese verkauft oder beim Landratsamt abgegeben haben.
Übrigens gibt es im Landkreis auch zwei Personen, die einen echten Waffenschein besitzen. Diese sind Sandra Groß zufolge Mitarbeiter von Bewachungsunternehmen beziehungsweise Bewachungsunternehmer. Die Erteilung eines Waffenscheins unterliegt sehr strengen Auflagen, so müssen Kriminalpolizei und Landeskriminalamt eine Gefährdungsanalyse erstellen und bestätigen, dass die Person objektiv persönlich gefährdet ist. „In der Regel bekommt niemand außer Mitarbeitern von Bewachungsunternehmern, die Geld- oder Werttransporte schützen, einen Waffenschein“, sagt die Landratsamtsbeamtin.