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LICHTENFELS: Vom Spiel mit den Klischees

LICHTENFELS

Vom Spiel mit den Klischees

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    Kruder Gesang, Beschwörung nordischer Mythen – musikalisch verläuft das Festival in diese Richtung.
    Kruder Gesang, Beschwörung nordischer Mythen – musikalisch verläuft das Festival in diese Richtung. Foto: Fotos: Markus Häggberg

    Ivo Raab wirkt müde. Doppelt müde. Denn zum einen hat der Veranstalter des Ragnarök-Festivals einen langen Tag hinter sich gebracht, und zum andern sind da wieder diese Fragen, immer diese Fragen. Rechte Me-tal-Bands? Rechte Botschaften? Raab sitzt auf der Tischkante im Inneren eines Festival-Containers, lässt die Beine baumeln und wirkt müde und resigniert und nimmt's doch mit Humor.

    2007 sendete das ARD-Magazin Polylux einen Beitrag, wonach es auf dem Ragnarök-Festival auch rechte Umtriebe gebe. Seitdem steht das Lichtenfelser Festival auch in der Kritik. Aber was ihn wirklich verärgert habe, so Raab, sei der Umstand gewesen, dass sich das Magazin für die Story mit Halbsätzen und Halbwahrheiten begnügt habe. Und darum immer wieder diese Fragen.

    Grauzone

    Der Mann aus Pegnitz beteuert, selbst die Bandauswahl vorzunehmen, ihre Liedtexte nach rechten Anklängen durchzuhören und entsprechend auszusortieren. Auch verweist er auf die Homepage des Festivals, auf der insbesondere eine Absage an Rechtsextremismus/Neonazismus zu lesen steht. Auch das Tragen oder gestische Verwenden entsprechender Symbole sei auf dem Gelände untersagt, Ordner und Security seien diesbezüglich sensibilisiert. Mehr ließe sich nicht tun, der Rest sei unkontrollierbare Grauzone, und man könne nicht in die Köpfe mancher Besucher schauen.

    Versucht man es aber doch, so trifft man auf eine Mischung aus jugendtypischem Protestbedürfnis, Spaßkultur, unkritischer Inkaufnahme, Romantik oder vollkommenem Desinteresse an Politik und Gesellschaft überhaupt. Die Szene präsentiert sich uneinheitlich, schwer greifbar. Das findet auch Rudi aus den Niederlanden. Rudi van Deghhoochtenhoff sitzt in schwarzen Pluderhosen auf dem Trittbrett eins Campingbusses. Er kocht für Bedienstete des Festivals. Es ist Nacht, und aus der Stadthalle ist kruder Gesang zu hören, gitarrenlastig untermalt und mit wummernden Beats. Aus einem Zelt vor der Stadthalle kommen ganz andere Töne: die von Johnny Cash. Metal und Johnny Cash sind unvereinbar, aber Rudi kann von Schlimmerem erzählen: „Am Abend vorher war Bier und Abba“, sagt er und rührt weiter belustigt in der Pfanne. Man spiele hier mit den Klischees vom bösen schwarzen Mann. In einem Punkt gibt er sich ganz sicher: „Bands, die wirklich rechts sind, sind nicht hier!“

    „Am Abend vorher war Bier und Abba.“

    Rudi van Deghhoochtenhoff zu den Vorlieben der Camper bei Ragnarök

    Adrian sieht derlei weniger kategorisch. Er trägt Seitenscheitel, kommt aus dem Frankenwald und würde sich als patriotisch bezeichnen. Er glaubt an ein Europa der Vaterländer und zitiert, ohne es zu wissen, keinen geringen Europäer: Charles de Gaulles. Der 21-Jährige erscheint wie die wandelnde Schnittstelle zwischen noch konservativ und schon rechts. Auf „50 Prozent Patrioten“ würde er das Publikum schätzen. Andreas Greim aus Pegnitz kann er damit aber nicht gemeint haben. Der Mann war früher auf den Chaostagen zu Hause und hört von Bayern 1 bis Black Metal alles. Er sei „Wochenendwikinger“ und völlig unpolitisch, ein Bier trinkender Franke. Rechte Bands sieht er hier nicht vertreten, aber wie die Fans ticken, könne man halt auch nicht sagen. Aber es wären, wenn, dann höchstens zehn Prozent mit womöglich rechter Gesinnung.

    Im Foyer der Stadthalle schiebt sich ein junger Mann voran. Er sitzt im Rollstuhl, wirkt klein von Wuchs und ist von Beruf verwaltend tätig. Seine Größe und seine Behinderung liefen einer NS-Ästhetik zuwider, aber er habe noch nie Schwierigkeiten bei Ragnarök gehabt. Im Gegenteil. Er glaubt, dass das Spiel mit Klischees Teil dieser Szene sei. Davon ist auch „Hoppel“ überzeugt, der einen Verkaufsstand führt. Die Metal-Szene bringt allerlei Devotionalien hervor, wie Anlehnungen an Balkenkreuze oder Halsketten mit nordischen Streitäxtchen daran. Aber vielleicht ist das gerundete Balkenkreuz schon ein Tatzenkreuz und somit Hoheitszeichen der Bundeswehr. Nicht greifbar. So wie „Hoppel“, der sich düster kleidet und das mit rosa Playboy-Bunny-Öhrchen abschmeckt. Selbst er, der die Szene kenne, glaubt: „Du weißt nie, ob das Provokation ist oder Spaß oder Ernst.“ Dazu formt er das Satanszeichen und guckt grimmig.

    Verbeugung vor Vorchristlichem

    Genau wie der Hüne mit dem „Odin statt Jesus“-Shirt. Frank Hallstein heißt der Mann und sieht in dem Satz eine Art kirchenkritisches Ventil. „Ich bin kein politischer Mensch“, sagt er. Gläubig sei er auch nicht. Was auf seinem T-Shirt steht, sei eher als Verbeugung vor Vorchristlichem zu sehen, und ja, er beneide auch afrikanische Naturvölker um ihre „Glaubensfreiheit“. Das Christentum habe vielen Kulturen etwas aufgezwungen und sie zur Seite gedrängt, meint er.

    Weitere Stichproben ergeben bei der Befragung einer sechsköpfigen Gruppe ein 1:5 in Bezug auf politisches Denken. Einer war wählen, die anderen haben sehr eigene Vorstellungen von dem, was links oder rechts sein könnte. Sie lassen den Schluss zu, dass das Gros der jungen Menschen hier Spaß ohne ein Hinterfragen haben will. Und Metal und Alkohol und ein Wiedersehen.

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