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LICHTENFELS: Lamas als Therapeuten

LICHTENFELS

Lamas als Therapeuten

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    Mokka, der dunkelbraune Lama-Alpaka-Mix, ist einer von Andreas Fröbas vierbeinigen Therapeuten. Zusammen mit Lama-Kollegen Frodo besucht er regelmäßig die Fördergruppe des St. Elisabeth Wohnheims.
    Mokka, der dunkelbraune Lama-Alpaka-Mix, ist einer von Andreas Fröbas vierbeinigen Therapeuten. Zusammen mit Lama-Kollegen Frodo besucht er regelmäßig die Fördergruppe des St. Elisabeth Wohnheims. Foto: FOTOS: Adriane Lochner

    Die 29-jährige Manuela erscheint im Rollstuhl. Sie hat eine schwere geistige Behinderung und kann nicht gut laufen. „Manuela hat nicht viel Geduld. Laute Geräusche irritieren sie. Dann reagiert sie gelegentlich aggressiv“, erklärt Tilo Stadelmann, Leiter der Fördergruppe des Wohnheims St. Elisabeth, einer Abteilung des Heilpädagogischen Zentrums der Caritas in Lichtenfels. An jenem sonnigen Nachmittag macht Manuela einen entspannten Eindruck. Auf ihrem Schoß steht ein Futtereimer, aus dem genüssliches Schmatzen ertönt. Aus dem Eimer ragt ein langer, wolliger Hals. Der endet in einem seltsamen Körper, der zu groß scheint für ein Schaf und zu flauschig für ein Pferd. Als das merkwürdige Tier den Kopf hebt, blicken große, schwarze Kulleraugen tief in die von Manuela. Von der Szene geht eine ungewöhnlich friedliche Stimmung aus. „Delfine der Weide“ werden Lamas manchmal genannt, weil sie so zärtlich den Kontakt mit Menschen suchen und dadurch eine heilende Wirkung haben.

    Sanftmütige Augen

    „In den Augen des Lamas spiegelt sich die Welt“, besagt ein altes Inka-Sprichwort. Wer einmal in diese sanftmütigen Augen blicken durfte, würde sich immer daran erinnern. In der Hochkultur der Inka galt das Lama als heiliges Tier. Starb etwa eine bedeutende Persönlichkeit, wurde zur gleichen Zeit ein Lama geschlachtet, damit es die Seele des Verstorbenen ins Jenseits geleite. Für die südamerikanischen Ureinwohner waren Lamas und Alpakas unentbehrliche Nutztiere. Sie aßen das Fleisch, verarbeiteten Leder und Wolle zu Kleidungsstücken und heizten mit getrocknetem Dung. Zudem sind Lamas ausdauernde und trittsichere Lasttiere. Bis zu 50 Kilogramm schweres Gepäck können sie über weite Distanzen durchs Hochgebirge tragen. Für die Inka war das Lama ein göttliches Geschenk.

    „Nur fehlgeprägte Lamas spucken Menschen an, weil sie sie für Artgenossen halten“

    Andreas Fröba, Heilerziehungspfleger

    Vor sechs Jahren ist der Heilerziehungspfleger Andreas Fröba auf das Lama gekommen. „Entspannend und meditativ“ beschreibt er seine erste Begegnung auf der Lamaweide des Ehepaars Birgit Appel-Wimschneider und Dr. Günter Wimschneider. Die beiden betreiben bei Bad Kissingen die Orenda Ranch, ein Institut für tiergestützte Therapie und psychosomatische Medizin mit Pferden und Lamas. Allgemein umfasst der Begriff „Tiergestützte Therapie“ Behandlungsverfahren zur Heilung oder Linderung psychischer oder neurologischer Erkrankungen sowie körperlicher oder geistiger Behinderung mithilfe von Tieren.

    Das therapeutische Potenzial der Lamas habe er sofort erkannt, berichtet Fröba. Er sagt: „Lamas suchen zwar Kontakt, doch tun sie es auf eine sehr feinfühlige und zurückhaltende Weise.“ Das läge in ihrem Sozialverhalten begründet, denn Lamas und Alpakas seien zwar Herdentiere, doch kommunizieren sie untereinander weniger durch Berührung, sondern viel mehr durch Laut- und Körpersprache. Beispielsweise lecken Lamastuten ihre Fohlen nicht trocken. Die Verbundenheit zwischen Mutter und Kind wird durch gemeinsames Summen ausgedrückt. Genau dieses Summen sei es, das auch beim Menschen eine entspannende Wirkung habe.

    Dass Lamas Menschen anspucken, ist Fröba zufolge ein weit verbreitetes Missverständnis. Zwar spucken Lamas innerhalb der Herde, um die Rangordnung festzulegen, doch: „Nur fehlgeprägte Lamas spucken Menschen an, weil sie sie für Artgenossen halten“, so Fröba. Damit es nicht dazu kommt, dürften Jungtiere in ihren ersten elf Lebensmonaten keinen Kontakt zu Menschen haben. Mittlerweile wüssten die meisten Züchter über diese Grundregel Bescheid.

    In Neustadt bei Coburg betreibt Fröba eine „Heilweide“, auf der neben Pferden und Hunden auch Frodo, das Lama, und Mokka, der Huarizo, leben. Letzterer ist eine etwas kleinere Kreuzung aus Lama und Alpaka. Fröba arbeitet mit Privatleuten und Institutionen zusammen, mit traumatisierten Flüchtlingen, Suchtkranken, Menschen mit Behinderung und einer stetig wachsenden Zahl an Burnout-Patienten. Meist besuchen ihn die Klienten auf der Heilweide, manchmal macht er auch Hausbesuche, wie etwa im Fall der Fördergruppe des Wohnheims St. Elisabeth. Dort werden 17 Menschen betreut mit schwerer geistiger, körperlicher oder psychischer Behinderung. In einer Werkstatt arbeiten kann keiner von ihnen.

    Der Fördergruppenalltag besteht unter anderem aus Arbeitstraining, Laufförderung, Geschicklichkeitsspielen, Entspannungsangeboten und sozialer Förderung. Seit vergangenem Sommer gehört zum Programm auch die Begegnung mit den vierbeinigen Therapiehelfern. Fröba kommt einmal im Monat her, das andere Mal besucht ihn die Gruppe auf seiner Heilweide in Neustadt bei Coburg.

    Stimmung wird besser

    Fördergruppenleiter Tilo Stadelmann freut sich, denn bei etwa der Hälfte seiner Schützlinge fände die „Tiergestützte Therapie“ guten Anklang. Zwar können die wenigsten ihre Begeisterung verbal ausdrücken, doch: „Wir spüren, dass ihre Stimmung besser wird mit den Tieren“, sagt Stadelmann. Nicht nur die Lamas, sondern auch Fröbas Hunde und Pferde leisten als Therapeuten ganze Arbeit. Die 29-jährige Nadine beispielsweise leidet unter einer spastischen Lähmung, die ihren ganzen Körper betrifft. Ihr passiver Wortschatz ist groß, der aktive klein. Das heißt, sie versteht zwar viel, kann sich aber nur schwer mitteilen. Wenn Chico, der Französische-Bulldoggen-Chihuahua-Mischling, auf ihrem Schoß sitzt, verändern sich ihre Gesichtszüge, dann lächelt sie. Chico bleibt seelenruhig sitzen, als wüsste er, worum es geht.

    Anfangs suspekt

    Der 25-Jährige Tizian ist geistig behindert, motorisch ist er nur wenig eingeschränkt. Pferde seien seine Lieblingstiere, gesteht er. Am meisten macht ihm das Führen Spaß und natürlich das Reiten. Lamas hatte Tizian zuvor noch nie gesehen. Zunächst waren ihm die seltsamen Tiere etwas suspekt. Doch schon nach einem kurzen Blick in Mokkas freundliche Kulleraugen und einem weichen Nasenstups ist das Eis gebrochen. Tizian traut sich sogar den Führstrick in die Hand zu nehmen und durch den Hof zu spazieren Seite an Seite mit diesem seltsamen und doch so sympathischen Tier.

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