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LICHTENFELS: „Schwarz ist bunt genug“

LICHTENFELS

„Schwarz ist bunt genug“

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    Trinkhörner sind bei den Metal-Fans der Renner. Gut fünf Liter fasst das Horn eines Watussi-Rinds, wie der Händler demonstriert.
    Trinkhörner sind bei den Metal-Fans der Renner. Gut fünf Liter fasst das Horn eines Watussi-Rinds, wie der Händler demonstriert. Foto: Gerhard Herrmann

    Auf dem Kopf trägt er einen Tirolerhut mit Feder, am bunt tätowierten Arm ein Lederarmband mit Stachelnieten. Behaglich lehnt sich Tobias Kaml aus Viechtach in der Schubkarre zurück, die ihm als Sessel dient, und prostet seinen Freunden zu. Während auf dem Grill die Steaks brutzeln, schallen aus den Lautsprecherboxen laute Bass-Rhythmen – betrieben wird die Anlage von einem knatternden Notstromaggregat. Einem Camperidyll gleicht die Szene zum Auftakt des Ragnarök-Festivals auf dem provisorischen Zeltplatz hinter der Stadthalle. Schwarze Kleidung dominiert, von der Rocker-Kutte bis zum umgehängten Schaffell und Irokesen-Frisuren ist alles vertreten. „Schwarz ist bunt genug“ prangt auf dem T-Shirt von Olli aus Kronach.

    „Wenn man sonst auch kein Metal-Festival besucht, dann dieses.“

    Max Propst, Fan aus Rangenberg

    Mehr als 4000 Fans der harten Rhythmen zwischen Black-Metal und Pagan-Metal erwartet Veranstalter Ivo Raab aus Bayreuth zu dem Festival, das er bereits zum zwölften Mal in Lichtenfels ausrichtet. Aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, Frankreich, Osteuropa, Skandinavien, den USA und Brasilien kommen sie alljährlich nach Lichtenfels. Obwohl Ragnarök – was soviel wie Kampf der Götter bedeutet – mit Weltuntergangsvisionen der nordischen Mythologie kokettiert, feiert das Festival alljährlich fröhlich Urständ und erfreut sich in der Musikszene wachsender Beliebtheit. Kamen zur Premiere in Hollfeld 2004 gerade mal 120 Fans, um sich zu rauen Klängen auszutoben, waren es bei der Lichtenfelser Premiere 2006 bereits mehr als 2500.

    „Wenn man sonst auch kein Metal-Festival besucht, dann dieses“, betont Max Propst aus dem niederbayerischen Rangenberg. Lückenlos ist die ärmellose schwarze Weste des 24-Jährigen mit den Emblemen seiner Lieblingsbands bestickt. Bereits zum dritten Mal besucht er das Ragnarök-Festival, das er wegen seiner gemütlichen Atmosphäre und der Kameradschaft unter den Fans schätzt. Zum zwölften Mal feiert Rico John aus Chemnitz mit. Die besondere Atmosphäre des vergleichsweise kleinen Festivals schätzt der 27-jährige Chemie-Doktorand. Außerdem beweise der Veranstalter ein feines Gespür für die Auswahl von Bands, die gerade im Trend liegen.

    Die Musikauswahl von Pagan-Metal, der zum Feiern und Austoben einlädt, und von Black Metal mit seinem aggressiveren, melancholischen Klängen schätzen Anni und Laura Lüdtke aus Landau, die zum zweiten Mal nach Lichtenfels gekommen sind, ebenso wie ihr Freund Felix Unger aus Heidelberg-Mosbach. Auch der Bezug zur nordischen Sagenwelt fasziniert die Jugendlichen aus der Pfalz. Sie legen allerdings Wert darauf, dass der Zauber der Mythologie nicht von Rechtsradikalen ausgenutzt wird und vergewissern sich vor Konzerten eigens, dass keine Bands dabei sind, die mit nationalistischen Posen kokettieren.

    „Extremisten fliegen raus“

    „Wir dulden weder politischen, ideologischen noch religiösen Extremismus, und jeder, der sich nicht daran hält, fliegt raus“, betont Veranstalter Ivo Raab angesichts des Kokettierens mancher Metal-Fans oder Musiker mit rechten Parolen. Noch als Auszubildender mit 18 Jahren hat der Leiter des TMT-Callcenters in Bayreuth das erste Ragnarök-Festival in Hollfeld organisiert. Und auch wenn er zwischenzeitlich mal Verluste in sechsstelliger Höhe wegen Defekten an der Ausrüstung ausgleichen musste, kann sich der 31-Jährige ein Leben ohne das Festival nicht mehr vorstellen. Rund ein Jahr dauere die Vorbereitung – angefangen von der Buchung der Bands bis hin zur Organisation. Mit Produktionskosten von rund 150 000 bis 200 000 Euro ist Ragnarök inzwischen ein Großunternehmen, doch angesichts der wirtschaftlichen Risiken möchte Raab aus seiner Leidenschaft keinen Beruf machen. Allein die Organisation eines ganzen Trupps von Sicherheitsleuten, Sanitätsdienst und der Logistik mit Campingplatz, Übernachtungshalle, einer Einfriedung von 1,6 Kilometer Bauzaun und einer Armada von Dixi-Klos bedeute einen Kraftakt. Stolz ist der bekennende Black-Metal-Fan auf die Bandbreite des Programms mit 27 Bands, darunter die von ihm besonders geschätzten „Dark Funeral“ und „Harakire For The Sky“.

    Während in den Anfangsjahren mancher Lichtenfelser die schwarzen Gestalten noch skeptisch betrachteten, ist das Festival inzwischen eine feste Größe im Veranstaltungskalender und als Einnahmequelle für Einzelhandel, Gastronomie und Zimmervermieter geschätzt, wie Steffen Hofmann, Leiter des Amts für Wirtschaft, Tourismus und Kultur betont. „Ich freue mich, wenn ich die jungen Leute durch die Stadt schlendern sehe und gehe davon aus, dass viele von ihnen auch zu anderen Veranstaltungen gerne wieder kommen“, betont er.

    Polizei und Rettungskräfte vor Ort

    Obwohl das Festival in der Regel absolut friedlich ablaufe, zeige die Polizei mit rund 20 Beamten täglich erhöhte Präsenz, seit die ersten Fans am Mittwoch eingetroffen sind, erklärte Jürgen Hagel von der Polizeiinspektion. Außer kleineren Auseinadersetzungen hielten sich die Vorfälle in Grenzen und Dank des mit der Stadt ausgearbeiteten Sicherheitskonzept komme es kaum noch zu Beschwerden der Anwohner über Ruhestörungen oder Verschmutzungen. Rund um die Uhr sind auch ein Team von 20 Sanitätern des Roten Kreuzes sowie vier bis sechs Feuerwehrleute im Einsatz, um für die Sicherheit zu sorgen.

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