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GNELLENROTH: Mit Gespür altes Fachwerk ausfachen

GNELLENROTH

Mit Gespür altes Fachwerk ausfachen

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    Das Lehm-Stroh-Gemisch zum Ausfachen wurde wie früher mit den Füßen angerührt.
    Das Lehm-Stroh-Gemisch zum Ausfachen wurde wie früher mit den Füßen angerührt. Foto: FOTOS: Adriane Lochner

    „Fühlt sich an wie Hundekacke“, scherzt eine Teilnehmerin, die bis zu den Knöcheln im klebrigen Lehm-Stroh-Gemisch steht. Beim Workshop „Ein Fachwerk-Gefache traditionell ausfachen“ am Samstag in Gellenroth wurde alles genauso gemacht wie früher, auch das Herstellen der Baustoffe.

    „Es ist einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte.“

    Gitte Broome, Teilnehmerin aus Michelau

    Die Teilnehmer vermischten Grubenlehm und Stroh mit den Füßen in einem großen Mörtelkübel, „solange bis alles Stroh mit Lehm ummantelt ist“, erklärt Ralf Wölfel, der zusammen mit Ehefrau Alexandra Krug den Workshop abhielt. „Wenn man mit Naturprodukten arbeitet, ist das wie Pizzabacken. Es gibt kein striktes Rezept, man muss einfach ein Gespür dafür haben“, so Krug.

    Dieses Gespür haben sich die beiden hart erarbeitet und immer wieder Kurse belegt, etwa bei einer Fortbildung in „Denkmalpflege und Altbauerneuerung“ in der Propstei Johannesberg in Fulda, einer Lerneinheit zum Baustoff Lehm an der Europäischen Bildungsstätte für Lehmbau in Mecklenburg-Vorpommern oder beim Arbeitskreis „Historische Bausubstanz“ der Initiative Rodachtal. Anstoß für Wölfels und Krugs Weiterbildung in der Fachwerksrestaurierung gab das eigene Projekt, ein altes Bauernhaus in Gnellenroth.

    Historische Fachwerkhäuser gibt es am Obermain reichlich, denn über Jahrhunderte hinweg war Holz der wichtigste Baustoff in der Region: überall verfügbar, leicht zu transportieren und einfach zu verarbeiten. Aus Holz besteht das tragende Gerüst der Fachwerkhäuser, die Zwischenräume heißen Gefache. Sie werden mit Stein, Lehm oder Mauerwerk ausgefüllt.

    Achtung bei Sanierung

    Obwohl diese Konstruktionen viele Jahre lang überdauern, kommt irgendwann der Tag, an dem die Sanierung fällig ist. „Da sieht man Haarsträubendes“, sagt Wölfel, viele Leute würden einfach die alten Gefache herausreißen und mit Zementmörtel auffüllen. „Nach zwei Jahren ist das Holz kaputt, weil Feuchtigkeit eindringt“, erklärt er. Mit dem Workshop wollen er und seine Frau zeigen, wie einfach es ist, Fachwerk auf traditionelle Weise zu restaurieren.

    Alle elf Workshop-Teilnehmer sind stolze Besitzer von Fachwerkhäusern. „Ein Leben ohne Fachwerk ist möglich, aber sinnlos“, scherzt eine Teilnehmerin frei nach Loriot. Fachwerk scheint hier in der Region ein Teil der Heimatidentität zu sein.

    Der 64-jährige Pankraz Landvogt aus Zapfendorf ist genauso stolz auf sein historisches Heim aus dem 18. Jahrhundert wie der 56-jährige Josef Lutter aus Schwürbitz, dessen Haus rund 350 Jahre alt ist. Gitte Broome aus Michelau machte beim Workshop mit, um ein besseres Verständnis für ihr Fachwerkhaus zu entwickeln und kleine Reparaturen selbst durchführen zu können. Der Kurs hat sie positiv überrascht. Broome sagt: „Es ist einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte.“

    Das traditionell verzapfte Fachwerk hatten Wölfel und Krug bereits zuvor aufgebaut, die Teilnehmer mussten sich lediglich um die Ausfachung kümmern. Dazu haben sie senkrechte Hölzer, Staken genannt, in das Gefach eingeklemmt. In die Staken wurden biegsame Äste eingeflochten, in diesem Fall Weidenruten. Anschließend wurde die zuvor angemischte Lehm-Stroh-Masse mit den Händen in das Rutengeflecht eingearbeitet, damit alles miteinander „verfilzt“. Der 28-jährige Raimund Schlenk aus Oberleiterbach möchte gemeinsam mit seiner Frau auf traditionelle Weise ein ganzes Haus renovieren. Er sagt: „Die Bauleute früher haben nachhaltig gearbeitet.“ Im Gegensatz zu vielen modernen Baustoffen sei die Entsorgung natürlicher Baustoffe kein Problem. Außerdem sei Lehm gut für das Raumklima, da er Feuchtigkeit aufnimmt und Heizwärme speichert.

    „Fachwerk wird wieder modern“

    „Fachwerk wird wieder modern“, sagte der 92-jährige Ingenieur und Bausachverständige Gerhard Reh aus Lichtenfels. Jedoch waren es eher nostalgische Gründe, die ihn dazu brachten, beim Workshop vorbei zu schauen. Sein Vater und Großvater waren Zimmerer- und Maurermeister. „Ich habe ihnen schon als kleiner Bub gerne zugeschaut“, erinnert sich Reh.

    Ähnliche Kindheitserinnerungen hat Kursleiter Wölfel, der hauptberuflich als Maschinenbauingenieur tätig ist. „Ich bin in einem Fachwerkhaus aufgewachsen. Das hat für mich etwas mit Wohlfühlen zu tun“, sagt er. Die traditionelle Bauweise habe Charme.

    Seine Frau Alexandra Krug arbeitet als selbstständige Grafikerin und Innenarchitektin. Bereits im Studium habe sie sich gerne mit Naturarchitektur beschäftigt. Sie sagt: „Ich finde die Idee spannend, traditionelle Techniken auf moderne Weise umzusetzen.“ Sie habe sich sehr gefreut, dass so viele Interessierte zum Workshop gekommen waren. „Falls jemand Fragen hat, helfen wir gerne weiter“, sagt Krug.

    Informationen gibt es auf ihrer Website www.alexandrakrug.de.

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