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LICHTENFELS: Psychopathen, Populisten und Polizisten

LICHTENFELS

Psychopathen, Populisten und Polizisten

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    Den Gefühlen seiner Figuren geht der Lichtenfelser Krimi-Autor Volker Backert in seinen Romanen auf den Grund. Wo Gefühle im Hirn verortet werden können, zeigt ein phrenologischer Kopf, der sein Wohnzimmer schmückt. Im neuesten Roman ziert er den Schreibtisch eines wissenschaftlichen Gutachters.
    Den Gefühlen seiner Figuren geht der Lichtenfelser Krimi-Autor Volker Backert in seinen Romanen auf den Grund. Wo Gefühle im Hirn verortet werden können, zeigt ein phrenologischer Kopf, der sein Wohnzimmer schmückt. Im neuesten Roman ziert er den Schreibtisch eines wissenschaftlichen Gutachters. Foto: Gerhard Herrmann

    Brandaktuell ist der neue Fall, der den Coburger Kriminalkommissar Charly Herrmann in Atem hält. Die Bundestagswahl im September und ein psychopathischer Serienkiller sind die Zutaten, die dem vierten Krimi von Volker Backert die Würze geben. Frankenkrimis gibt es viele – von Nürnberg über Bamberg bis Bayreuth – doch die des Lichtenfelser Autors sind schwärzer, härter und schneller. Mit „Rhein-Main-Bestie“, der am 24. August erscheinen wird, legt er noch mal eine Schippe drauf. Sein raubeiniger Kommissar zeigt Gefühle, und durch seine Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus erhält die Kriminalgeschichte gesellschaftspolitsche Brisanz.

    Auslöser für die Politisierung des Krimiautors waren Pegida-Demonstranten, die Galgen für Bundeskanzlerin Merkel und Sigmar Gabriel (damals Wirtschaftsminister) präsentierten. Schockiert haben ihn auch Bilder aus den neuen Bundesländern, von Angriffen auf Asylbewerberheime, gegen die die Polizei nichts unternahm. „In welchem Land leben wir eigentlich?“ fragt er. Zwar sei Franken politisch stabil, aber die Sorge, dass radikale politische Außenseiter an die Macht kommen könnten, habe die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten inzwischen bestätigt.

    „Ich sehe Parallelen zwischen extremistischen Politikern und psychopathischen Verbrechern“, betont Backert.

    „Ich sehe Parallelen zwischen extremistischen Politikern und psychopathischen Verbrechern.“

    Volker Backert, Krimi-Autor

    Das spiegelt sich in der Verschränkung der Krimihandlung um die Fahndung nach Deutschlands gefährlichstem Triebtäter, der sich nach dem Ausbruch aus der Haft an Kommissar Herrmann rächen will, mit einem politischen Drama. Knallhart ist der Einstieg mit der nächtlichen Orgie einer Bundestagsdelegation in der Ukraine, bei der der CSU-Wahlkreisabgeordnete einen Schlaganfall erleidet. Die Endphase des Bundestagswahlkampfs spitzt sich zu, weil der Wahlkreis Coburg-Kronach wegen eines drohenden Patts des rot-grünen und des schwarz-gelben Lagers für die Regierungsbildung bedeutend werden könnte. Mit schmutzigen Tricks versucht der rechtspopulistische Kandidat, der nicht nur durch das Parteilogo mit dem „schwanzartigen roten Pfeil“ Bezüge zur AfD hat, die amtierende SPD-Abgeordnete aus dem Rennen zu werfen.

    Dabei schreckt er weder vor persönlichen Angriffen zurück, noch davor, den Ausbruch der titelgebenden „Rhein-Main-Bestie“ zu instrumentalisieren, um die Ängste der Bürger für seine Kampagne zu nutzen.

    Das ist packend erzählt, überzeugend recherchiert und aufrüttelnd. Nachdem Volker Backert bereits mit der Drogen-Thematik seines vorigen Romans „Hardrock“ die Perspektive des Frankenkrimis bis nach Tschechien ausgeweitet hat, eröffnet er mit der bundespolitischen Thematik und dem Einblick in die Psyche eines Sexualmörders eine weitere Dimension. Durch den erstmals verwendeten Präsens und ständige Perspektivwechsel erhält die Handlung zusätzliche Spannung.

    Für Tiefgang sorgen die vielschichtigen Charaktere – allen voran der raubeinige Kommissar Charly Herrmann, der sich mit Alkohol und Frauen tröstet, aber empfindsam genug ist, beim Anblick einer Leiche „eine Faust im Magen“ zu fühlen, und Zeit findet, die Enkelin in den Kindergarten zu bringen. Gelungen auch die Psychogramme des rechten Kandidaten Hannes Förster und seines Wahlhelfers, die um jeden Preis politische Macht anstreben – allerdings nur wegen der finanziellen Vorteile.

    Gampertbräu und Lokalkolorit

    Für satirische Elemente sorgen der Gutachter des Triebtäters mit seiner Arroganz und Geltungssucht ebenso wie die Polizeibeamten, die den Mörder laufen lassen, weil sie wegen verdorbenen Kantinenessens Durchfall bekommen. Viel Lokalkolorit, vom Kasten Gampert-bräu in Charleys Werkstatt bis zur Coburger Kneipenszene, sorgen ebenso wie das obligatorische Zitat aus einem Song der „Rolling Stones“ als Motto für die Wohlfühlatmosphäre, ohne die auch der härteste Frankenkrimi nicht auskommt. Und die Musik, die im Roman vorkommt und den Autor beim Verfassen begleitet hat, gibt's nicht nur als Liste im Anhang, sondern erstmals auch als Soundtrack bei Spotify.

    Apropos Frankenkrimi: Die Enttäuschung darüber, dass sein Manuskript für den Franken-Tatort abgelehnt worden ist, hat Volker Backert nicht allzu schwer getroffen: „Meine Story hätten sie wahrscheinlich ohnehin erst ab 23 Uhr gesendet“. Gewurmt habe ihn allerdings, dass der Bayerische Rundfunk seine Idee der Franken-Soko in Form eines Franken-Kommissariats übernommen habe, um so an Schauplätzen in ganz Franken drehen zu können.

    Mit den Frankenkrimis hat sich Backert, der als Standesbeamter im Coburger Rathaus arbeitet, vor rund 15 Jahren einen Traum verwirklicht. Bereits als Jugendlicher verschlang er die Kriminalromane von Edgar Wallace und Agatha Christie aus dem Bücherregal seines Vaters, und seitdem hat ihn diese Leidenschaft nicht mehr losgelassen. Lieber als Regionalkrimis, die ihm meist zu soft sind, liest er Thriller, etwa von Don Winslow, die ihm eine andere Welt erschließen und deren Stil moderner ist.

    Zum Schreiben kommt Backert meist nur in der Mittagspause, im Zug zur Arbeit oder abends – mit Espresso und Bitterschokolade als Aufputschmittel. Ausführliche Recherchen in Fachbüchern, bei der Polizei und im Internet sorgen dafür, dass die Geschichten Hand und Fuß haben. Wenn die Struktur der Geschichte in groben Zügen steht, geht's ans Ausformulieren: „Das ist wie bei einem Baum: Wenn der Stamm und die Leitäste ausgebildet sind, verästelt sich die Geschichte immer weiter“. So routiniert er nach vier Romanen mit einer Auflage von rund 25 000 Exemplaren eigentlich sein müsste – bei jedem neuen Buch plagen ihn auch Selbstzweifel: „Mein Problem sind nicht Schreibblockaden, sondern die Sorge, das könnte niemanden interessieren oder so schon x-mal geschrieben worden sein“.

    Und bei der Frage vieler Leser, wieviel Backert denn in Charly stecke, hält er es mit Val McDermit: „In meiner Hauptfigur steckt vielleicht mehr von mir als ich selber glaube, aber mit Sicherheit weniger als sie denken“.

    Charly mit den „Stones“ in New York

    Und bereits bevor die „Rhein-Main-Bestie“ erscheint, arbeitet Backert bereits an seinem nächsten Krimi. Dabei blickt er noch weiter über die Region hinaus und lässt Charly Herrmann nach New York fliegen – zum Abschiedskonzert der „Rolling Stones“, wo er in einen Attentats-Versuch verwickelt wird. Eine ganz große Bühne für den Franken.

    Volker Backert Als einziger Standesbeamter Deutschlands, der Kriminalromane verfasst, wird der Lichtenfelser Autor Volker Backert vom Kölner Emons-Verlag bezeichnet. Geboren in Coburg, aufgewachsen am Obermain, lebt er nach Jahren in Michelau jetzt in Lichtenfels. Bei der Stadt Coburg war er im Sozialamt tätig und als Abteilungsleiter für die öffentliche Sicherheit zuständig, bevor er ins Standesamt wechselte. Nicht nur als Marathonläufer hat er einen langen Atem. Bereits drei Frankenkrimis um den Coburger Kriminalkommissar Charly Herrmann hat er veröffentlich: „Das Haus vom Nikolaus“ (2010), „Todesfessel“ (2012) und „Hardrock“ (2015). Am 24. August erscheint das neue Werk: „Rhein-Main-Bestie“, Emons-Verlag, ISBN 978-3-7408-0161-8 (208 Seiten).

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