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LICHTENFELS: Das etwas andere Kaufhaus

LICHTENFELS

Das etwas andere Kaufhaus

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    Das Ausladen, Begutachten und erste Sortieren der Waren für das Sozialkaufhaus findet schon an der Rampe statt.
    Das Ausladen, Begutachten und erste Sortieren der Waren für das Sozialkaufhaus findet schon an der Rampe statt. Foto: FOTOs: Markus Häggberg

    Immer freitags. Man bringt, man holt, man sortiert aus und bewertet. Das „Sozialkaufhaus“ Schnäppchenmarkt des Kolping-Bildungswerks hat Geschichten zu erzählen. Sie liegen im Keller, in den Regalen oder nehmen Platz auf dem Beifahrersitz eines Kleintransporters. Das Obermain-Tagblatt stieg an einem Freitag dazu.

    Inge Walde ist eine Frohnatur. Ihre Berufsbezeichnung ist Anleiterin. So ganz glücklich ist sie damit nicht, sagt sie. Zu hierarchisch, zu streng klingt das in ihren Ohren. Doch das Aufgabengebiet der einstigen Zahnarzthelferin geht vom Kundengespräch über Büroorganisation bis zur Abrechnung. Kommt jemand zur Teamverstärkung dazu, leitet sie ihn eben auch an.

    Vor 450 Arbeitsstunden kam Ulf (Name redaktionell geändert) dazu. Wenn er an seine hier abzuleistende Gesamtstundenzahl denkt, muss er schon über sich selbst lachen. 950 Sozialstunden hat ihm das Gericht aufgebrummt, weil er es mit dem Führerschein nicht so genau nahm. Doch seit seinem Dienstantritt vor 450 Stunden habe sich unter Anleitung etwas in seinem Leben verändert. „Ich war unpünktlich, man kriegt nix auf die Reihe“, so der Endzwanziger, der Drogen hinter sich ließ.

    „Ich habe jetzt durch Kolping einen geregelten Tagesablauf, wieder ein Ziel im Leben – das tut mir gut.“ Das ist ein ernster Fortschritt. Er wird hier noch 500 Stunden in Anspruch nehmen, und wer sich dem geläuterten Ulf gegenüber diese Zahl freundlich-hämisch auf der Zunge zergehen lässt, erntet ein Kopfschütteln samt Lachen. Es ist Freitag, Ulf nimmt in einem Transporter Platz als Beifahrer und wird Möbel anliefern und abholen.

    „Die Kolping-Bildungswerke folgen dem Leitbild Adolph Kolpings, Menschen zu begleiten und zu fördern, wo sie stehen.“

    Ulrich Drescher, stellvertretender Leiter der Kolping-Akademie Bamberg

    Wenn Lichtenfels so etwas wie eine Skyline hat, dann gehört dieses Gebäude dazu. Den im Volksmund „Striwa-Haus“ genannten Bau durchziehen Fahrstühle. Eine Rampe gibt es hier, was an Freitagen aus dem Kleintransporter von Josef Szwed herausgeholt und dort abgestellt wird, begutachten Mitarbeiter und schicken es entweder nach oben oder nach unten. Oben, das ist die Möbelabteilung im ersten Stock, zugänglich durch eine Treppe im wohl weit über 300 Quadratmeter zählenden Verkaufsraum darunter.

    Doch unten, im Keller, da gibt es weitere Räumlichkeiten, die als Lager für Spielzeug, Möbel oder Elektrogeräte dienen.

    „Wir haben Menschen, die für den täglichen Bedarf einkaufen“, erklärt Ulrich Drescher, Wirtschaftsingenieur und stellvertretender Leiter der Kolping-Akademie Bamberg. Vier Sozialkaufhäuser gibt es unter Leitung des Bildungswerkes, zwei in Bamberg, eins in Ansbach und seit 2012 eben hier. In allen Läden wird gespendete Ware vergünstigt verkauft, damit vom Erlös karitativen Projekten Schub gegeben werden kann. Dem einen bietet der Laden Arbeit, dem anderen beispielsweise die Chance auf Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess oder die Möglichkeit, Sozialstunden abzuleisten. Dem Kunden wiederum die Möglichkeit günstigen Einkaufs. Oder wie Drescher zu alledem sagt: „Die Kolping-Bildungswerke folgen dem Leitbild Adolph Kolpings, Menschen zu begleiten und zu fördern, wo sie stehen.“ Auf die Frage, ob so ein Kaufhaus nicht Menschen vorbehalten sein sollte, die finanziell in Not geraten sind, klärt Drescher auf: „Dann müssten wir Bezugskarten einführen (...) und wir möchten nicht stigmatisieren.“ Zudem müsse man wirtschaftlich denken und auf jedermanns Besuch setzen, schließlich zahle man Miete.

    Nur eine unverrückbare Grenze

    Drescher hat sein Büro in Bamberg. Doch steht im Raum Lichtenfels eine Haushaltsauflösung an, kommt er vor Ort, betrachtet die Menge des Mitzunehmenden und erstellt eine Kalkulation. „Der Kunde kann sparen, wenn ich ihm 40, 50 Kisten hinfahre, die er selbst befüllen kann“, so ein Sparmodell. Und weiter: „Die Dienstleistung der Haushaltsauflösung bezahlt der Kunde und deckt so die Kosten für Mitarbeiter und Lkw.“ Immer freitags gibt es Hol- und Lieferaktionen. Der Bezirk, für den das Kaufhaus in Lichtenfels zuständig ist, besteht aus Stadt und Kreis Lichtenfels. Bei Anrufen von außerhalb könne man „individuell bestimmen, wo die Landkreisgrenze ist“, sagt Drescher schmunzelnd. Eine unverrückbare Grenze aber gibt es: „Wir dürfen nicht über die Grenze in eine andere Diözese.“

    So etwas wie eine kleine Ausbildung gibt es laut Drescher für einen neuen Mitarbeiter auch. „Der fährt nicht am ersten Tag mit, der muss erst das Geschäft kennenlernen: Umgang mit Menschen, Warenpräsentation, Lagerlogistik – wir müssen herausfinden, was er kann.“

    An diesem Tag steht für Josef Szwed, seinen Transporter und Beifahrer Ulf eine Reihe an Fahrten an. Eine Haushaltsauflösung in Bad Staffelstein, eine Sofa-Anlieferung in einen Lichtenfelser Wintergarten durch einen Garten und über Stock und Beet, sowie eine Bettenanlieferung nach Burgkunstadt. Das erfordert handwerkliches Geschick bei Abbau und Montage. Zu dieser Zeit sitzt Inge Walde am PC und recherchiert nach Gebrauchtwarenpreisen zu Artikeln, um zumindest eine Richtlinie bei der Auspreisung zu bekommen. Auch sie wurde von Kolping einstmals abgeholt, begann mit einem Ein-Euro-Job und ist nun Vollzeitkraft.

    Der Schnäppchentreff Lichtenfels in der Conrad-Wagner Straße 2, 96215 Lichtenfels, hat von Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr und am Samstag von 10 bis 13 Uhr geöffnet.

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