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LICHTENFELS: „Pass auf, gleich kommt der wilde Jäger“

LICHTENFELS

„Pass auf, gleich kommt der wilde Jäger“

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    „Pass auf, jeden Augenblick könnte die Wilde Jagd über die Wipfel der verschneiten Bäume heransausen und dann geht es dir schlecht!“ FOTO: Andreas Motschmann
    „Pass auf, jeden Augenblick könnte die Wilde Jagd über die Wipfel der verschneiten Bäume heransausen und dann geht es dir schlecht!“ FOTO: Andreas Motschmann Foto: Andreas Motschmann

    „In di zwölf heilichn Nächd, ja, doa gäeb ich euch rechd. Doa geds fei orch förched zu, des könnd ihr gleich erleehm!“

    Bald ist es wieder so weit, und die „zwölf heiligen Nächte“ kommen, genauer gesagt, in den Nächten zwischen dem 25. Dezember und 5. Januar. Auch werden sie Rauhnächte genannt. Immer weniger Menschen kennen die alten Bräuche unserer Altvorderen. Doch nach wie vor sind die Rauhnächte bekannt. Das wurde dem Autor dieses Beitrags immer wieder bestätigt. Viele Leute kennen noch heute die Anweisung, an diesen Tagen keine Wäsche aufzuhängen, sonst käme großes Unglück über Haus und Hof.

    „Über den Veitsberg ist jedes Jahr die Wilde Jagd vom Jura ins Maintal hinein gebraust.“

    „Augenzeuge“ aus Dittersbrunn

    Tief verwurzelt war früher der Aberglaube bei der Landbevölkerung, und es ranken sich viele Sagen und Geschichten um die „zwölf heiligen Nächte“. Vier Rauhnächte, nämlich die Nacht vor dem Thomastag (21.Dezember) und die drei Nächte vor Weihnachten, Neujahr und Dreikönig, waren voll Schauer und Geheimnisse und wurden deshalb besonders gefürchtet.

    Hirschgeweih als Strafe

    In alten Zeiten glaubten die Menschen, dass in diesen Wochen des schwindenden Tageslichtes die unsichtbaren Kräfte an Einfluss und Macht gewinnen. Das wilde Heer und die Dämonen des Bösen fahren im Schutz der Nacht durch die Täler und über die abgeernteten Ackerfelder. An diesen Tagen sollten die Leute nicht hinaus gehen und erst recht nicht in den Wald. Dort treibt der wilde Jäger sein böses Spiel und verträgt auch keinen Spaß. Ein neugieriger Bauer schaute einmal mit dem Kopf zum Fenster hinaus und verspottete den wilden Jäger und sein Heer. Als der Bauer seinen Kopf wieder einziehen wollte, kam er nicht mehr durch das Fensterkreuz – ein Hirschgeweih war ihm angewachsen - da wusste er Bescheid. Seine Frau sägte ihm das Geweih ab, doch ein paar Stöpsel blieben. Danach sah man den Bauern nur noch mit der Zipfelmütze auf dem Kopf.

    Ebenso hatte ein Bauer aus Horsdorf am Staffelberg kein Glück. Er begegnete auf dem Heimweg dem wilden Jäger mit einem ganzen Rudel großer und kleiner Hunde. Er dachte, weil es so viele seien, dürfte er wohl das kleinste Hündlein mitnehmen. Im Rucksack trug er es mit nach Hause. Doch als er die „Beute“ stolz vor seinen Kindern heraus ziehen wollte, zog er statt des Hundes eine Hand voll Holzspäne aus dem Rucksack. Das ist nicht die einzige Geschichte, denn es gibt viele alte Überlieferungen aus dem Staffelsteiner Land, die berichten, das „wilde Heer“ würde in den zwölf Nächten über den Staffelberg fliegen, angeführt vom Göttervater Wotan und in Begleitung der „eisernen Berta“.

    Die Geister der Verstorbenen

    Ein „Augenzeuge“ aus Dittersbrunn berichtete: „Über den Veitsberg ist jedes Jahr die Wilde Jagd vom Jura ins Maintal hinein gebraust. Die Geister der ohne letzte Ölung verstorbenen Menschen und die Seelen ungetauft verstorbener Kinder waren zu Tausenden dabei. Angeführt wurde das Wütige Heer von mächtigen Ungetümen, vor denen man sich hüten musste. Wen die Wilde Jagd auf der freien Flur antraf, dem erging es sehr schlecht, wenn er sich nicht rechtzeitig auf den Boden warf und das Gesicht zur Erde drückte.“

    Ein älterer Zuhörer berichtete bei einem Erzählabend von seinem Großvater, der dem wilden Heer in einem kleinen Waldstück zwischen Burkheim und Isling begegnet ist und danach wochenlang im Bett lag.

    Von weiteren Begegnungen berichten kleine Sagen aus dem Nachbarlandkreis, so aus Burgellern, Doschendorf und Dörrnwasserlos. Bei den Großeltern, die noch viel mehr von ihrer Hände Arbeit leben mussten und viel weniger durch Maschinen entlastet wurden, herrschte zwischen Weihnachten und Dreikönig eine „Auszeit“. Draußen im Wald durfte nicht gearbeitet werden, auch in der Scheune waren Reparaturarbeiten an den landwirtschaftlichen Geräten verboten.

    Überhaupt war jede drehende Bewegung zu vermeiden: keinen Wagen fahren, nicht nähen, flicken oder spinnen. Auch hatte der Korbflechter eine Pause, denn er durfte die Weiden nicht winden. Aus dem gleichen Grund durfte das Getreide nicht gedroschen werden, die Pferde nicht gestriegelt, und man durfte seine Stiefel nicht einschmieren und putzen.

    Die Hausfrau durfte deshalb auch nicht waschen. Wer nämlich ein Wäschestück auf den Dachboden zum Trocknen hänge, der hänge gleichsam eine Tierhaut oder Menschenhaut auf. Mit anderen Worten: Er würde für das Nichteinhalten des Arbeitsverbots damit bestraft werden, dass im nächsten Jahr ein Tier im Stall oder ein Mitglied der Familie plötzlich sterben müsste.

    In der Volkskunde wurde die Zeitspanne von zwölf Tagen, also von den Zwölften, als Spukzeit in ganz Europa erforscht. Je mehr der Wilde Jäger in der Zeit sein Unwesen trieb, um so fruchtbarer wurde das kommende Jahr.

    Vielleicht denken wir diesmal bei einem Winterspaziergang zwischen Weihnachten und Dreikönig an die früheren Generationen, die ja bei jedem Wetter zu Fuß in unserem Gottesgarten am Obermain unterwegs waren. Welche Gedanken und Ängste kamen ihnen vor allem bei einbrechender Dunkelheit! Und vielleicht halten wir uns auch an die Arbeitsverbote und gönnen uns somit eine Auszeit aus dem sich immer schneller drehenden Alltag.

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