Mit angehaltenem Atem verfolgt Helmut Wesolek, wie die beiden Autokräne die zehn Tonnen schweren Betonhalbschalen in die Höhe hieven, über dem Fundament in Position bringen und behutsam absenken. Zentimeter um Zentimeter nähern sich die Elemente einander, um sich schließlich zu einem schlanken Bogen zusammenzufügen. Als das erste Element ihres Bogenhauses steht, atmet der Bauherr auf. Den Traum vom naturnahen Wohnen erfüllen sich der 68 Jahre alte Schreiner und Kaufmann aus Kronach und seine Frau Uschi Föhrweiser-Wesolek in Kösten im Drosselweg.
Aufwändige Vorbereitungen waren erforderlich, um die außergewöhnliche Konstruktion, die in Deutschland bislang ihresgleichen sucht, zu errichten. In Österreich, wo der Architekt Erich Günterseder die alternative Bauform entwickelt hat, stehen schon sieben Bogenhäuser. Dort, vor der Kulisse der Alpen, besichtigten Wesolek und seine Frau eines der Bogenhäuser und waren auf Anhieb begeistert. „Eigentlich habe ich immer von einem Erdhügelhaus geträumt, doch das Bogenhaus bietet noch weitaus mehr Möglichkeiten“, erklärt der Bauherr. Und teurer als ein vergleichbares Wohnhaus sei es mit kalkulierten Kosten von rund 380 000 Euro auch nicht.
„Im Inneren wird es keinen rechten Winkel geben – das wird eine kleine Herausforderung.“
Helmut Wesolek, Bauherr
Die Konstruktion ist ebenso schlicht wie elegant: Über der 180 Quadratmeter großen Bodenplatte werden zwölf Halbschalen aus Stahlbeton so zusammengefügt, dass die entstehenden sechs Bögen ein Gewölbe bilden. Der Clou bei der Konstruktion ist nicht nur der Gewölbeeffekt, sondern die Statik, die mit einer auf den Kopf gestellten Betonbrücke vergleichbar ist. Das Gewicht der Bögen (jeweils 20 Tonnen) wird am Sockel von zwei Widerlagern aufgefangen, die durch Zugseile in der Bodenplatte gesichert werden, erläutert Bauingenieur Richard Okossy.
Als Bauleiter hat der Lichtenfelser zusammen mit den Bauunternehmern Hermann Germuth und Marc Kober die Bodenplatte mit den Widerlagern erstellt. Rund 180 Kubikmeter Beton und eine Aufschüttung aus Glasschaum-Schotter haben sie verbaut, um am Hang eine ebene Fläche zu erstellen. Die Akribie hat sich gelohnt. „Die Abweichungen vom Plan betragen vier bis fünf Millimeter“, betont Okossy stolz.
Das freut Vorarbeiter Hubert Palmetshöfer und seine Mitarbeiter von der österreichischen Baufirma Hubau aus Perg. Während der Polier hoch auf dem Bogen balanciert, um die Verzahnung der Elemente am Scheitelpunkt zu überprüfen, korrigieren seine Kollegen mit dem Stemmeisen am Sockel deren Position noch um entscheidende Zentimeter. Zur Fixierung schieben sie Kunststoffkeile in den Spalt zwischen Bogenfuß und Widerlager. Bis zu 25 Tonnen Gewicht halten diese Keile stand.
Spannend wird es nochmals, als der Bogen verkeilt ist und der Polier die Ketten der Kräne löst. „Es hält“, strahlt er. Dem Bauherrn und seinem Planer ist die Erleichterung anzusehen. Als alle sechs Bögen verankert sind, werden die Fugen mit Beton ausgefüllt, um sie zu fixieren.
Energieeffizienz und Sonnenstrom
Nicht nur durch die außergewöhnliche Bauform setzt das Bogenhaus Maßstäbe, sondern auch durch die Nachhaltigkeit. „Die Menge an Beton, die hier verbaut wird, wurmt mich schon, aber mit Holz ist eine Spannweite von 18 Metern nicht zu erreichen“, räumt Wesolek ein. Aber dafür wird das Haus so gedämmt, dass es Hocheffizienzstandard hat. Der Energieverbrauch entspricht weniger als vier Liter Heizöl pro Quadratmeter im Jahr. Dafür sorgt eine 18 Zentimeter dicke Spezialdämmung aus Polyurethane-Schaum (PUR) und darüber eine 60 Zentimeter dicke Erdschicht, die mit Rasen begrünt wird. „Mit unserem Nachbarn, der Ziegen hält, habe ich vereinbart, dass sie auf das Dach dürfen, um das Gras abzuweiden“, sagt der Bauherr. Geheizt wird mit einer elektrischen Wärmepumpe, betrieben mit dem Strom der Photovoltaikanlage auf einem Nebengebäude.
Zur extravaganten Gebäudehülle passt die Gestaltung des Inneren durch halbrunde Wände. „Es wird keinen rechten Winkel geben – das wird eine kleine Herausforderung“, schmunzelt Wesolek. Ein großer Wohnraum ist in der Mitte vorgesehen. Dank einer großen Glasfront an der Stirnseite bietet sich den Bewohnern ein Panoramablick nach Süden über das Maintal mit dem Staffelberg und Vierzehnheiligen. „Im Winter, wenn die Bäume kahl sind, sieht man zusätzlich noch Kloster Banz“, schwärmt Helmut Wesolek. Zur Straßenseite hin werden die Technik- und Wirtschaftsräume untergebracht, an den niedrigeren Seiten die Schlafräume, Büro und Gästezimmer.
Jung und Alt unter einem Dach
Bis die Eheleute einziehen, wird auf dem benachbarten ehemaligen Bauernhof auch das Gebäude fertiggestellt sein, in dem Uschi Föhrweiser-Wesolek ihre Osteopathie-Praxis errichten will. Bereits bezogen ist das Mehrgenerationenhaus, zu dem Wesolek die ehemalige Scheune des Anwesens ausgebaut hat. Dort leben zwei junge Familien mit jeweils einem Kind und drei ältere Personen in einer Hausgemeinschaft. Sie bewirtschaften den weitläufigen Gemüsegarten und die Hochbeete im zum Gewächshaus umgebauten Fahrsilo, wo neben Tomaten, Salat, Gurken und Kräutern auch Feigen und Papaya-Bäumchen gedeihen. Und die ersten Hühner sorgen für Frühstückseier. Der Traum vom Leben auf dem Land eben.