Goldgelb leuchtet das Laub des Ginkgo-Baums vor dem Haus von Thomas Schaller. Ein Ginkgo-Blatt schmückt auch das Kopfbrett der Gitarre, die der Realschullehrer aus Marktzeuln gebaut hat. Zweigeteilt und doch eins – diese Symbolik hat schon den Dichter Goethe fasziniert. Für Schaller ist das Ginkgo-Blatt Sinnbild eines Jugendtraums, den sich der leidenschaftliche Musiker mit dem Bau eines Instruments nach eigenem Entwurf erfüllt hat. Und der gelungenen Verbindung seiner musikalischen mit seinen handwerklichen Fähigkeiten.
„Wenn wir alt sind und Zeit haben, bauen wir mal Gitarren“, hatten sich Schaller und sein Musikerfreund Thomas Kalb, genannt „Benson“, mehr spielerisch im Frühjahr 2017 vorgenommen. Die Initialzündung kam wenige Monate später, als er einem anderen Freund bei einer Wanderung auf den Staffelberg von der Idee erzählte. „Mach's doch gleich, sonst wird's nichts“, meinte der und brachte bei Schaller das Gedanken-Karussell zum Rotieren.
„Nach elf Monaten ist die Gitarre tatsächlich fertig geworden. Und es war bis zum letzten Moment spannend, ob sie auch gut klingt.“
Thomas Schaller, Realschullehrer
Die Idee ließ Thomas Schaller nicht mehr los, zumal er als Jugendlicher davon geträumt hatte, Zupfinstrumentenbauer zu werden, aber keine Lehrstelle fand. Stattdessen studierte er Musik und Religion, unterrichtete an der Realschule Burgkunstadt, gründete eine Familie und baute ein Haus. Die Musik betrieb er als Hobby, perfektionierte sein Fingerstyle-Spiel auf der Gitarre und komponierte. „Selbst meine Familie wusste nichts von diesem Berufswunsch“, gesteht der 54-Jährige schmunzelnd.
Elf Monate sind seitdem vergangen, Monate, in denen Schaller sich fast täglich in der Freizeit mit dem Projekt beschäftigt hat. „Und es war bis zum letzten Moment spannend, ob sie auch gut klingt“, betont Schaller. Stolz präsentiert er das in sanften Holztönen leuchtende Instrument und spielt einen Akkord. Mit ihrem warmen, auch in den hohen Tönen sehr vollen und geschmeidigen Klang besticht die Fingerstyle-Gitarre.
Bevor Thomas Schaller in die Werkstatt ging, musste er die grundlegenden Fragen nach der idealen Form des Instruments, den technischen Voraussetzungen und dem erforderlichen Holz klären. Neben einem Fachbuch halfen ihm dabei vor allem Videos aus dem Internet.
Heimische Hölzer statt Exoten
„Auch wenn ich etwas Eigenes schaffen wollte, war mir schnell klar, dass ich bei der Form keine Experimente machen würde: Eine Gitarre ist eben eine Gitarre“, betont Schaller. Zehn große Kartons verbrauchte er, um die beste Form zu finden. Nach der so gefertigten Schablone baute er eine Spannform aus Sperrholz für den Korpus.
Beim Material setzte Schaller auf heimische Hölzer – bis auf das Griffbrett, das er aus Ebenholz fertigte. Für die Decke wählte er Fichte, für den Boden und die Zargen Nussbaum. Perlmutt von der Abalone-Schnecke ziert als Intarsien die Rosette in der Decke und das Kopfbrett, wo er neben einem Gingko-Blatt auch ein stilisiertes S eingearbeitet hat. Sattel und Steg für die Saiten sind aus Knochen gefertigt. Besondere Eleganz verleiht der Hals, der gegenüber handelsüblichen Instrumenten etwas länger ist, dem Instrument.
„Ich arbeite gerne mit Holz, aber diese Feinarbeit bedeutet eine ganz andere Herausforderung als die Tischlerarbeiten, die ich bisher gemacht habe“, erklärt Thomas Schaller. Arbeiten im Zehntel- Millimeter-Bereich erfordern nicht nur Fingerspitzengefühl, sondern auch Genauigkeit in der Verarbeitung. So ist die Decke drei Millimeter stark und in der Mitte nochmals 0,4 Millimeter dicker. Unzählige Male ging er mit Ziehklinge und Schleifpapier über das Fichtenbrett, bis es gleichmäßig dünn war. „Beim Zusammenfügen müssen die Hölzer wie von selbst zusammenpassen, sonst leidet die Klangübertragung“, betont Schaller. Eine besondere Herausforderung war daher das Einfügen des Halses in der Korpus. Fünf Probestücke fräste der Instrumentenbauer, bevor er sich an die Aufgabe wagte.
Ein Wissenschaft für sich war die Anordnung der Stege, die der Decke die nötige Festigkeit verleihen, um der Belastung durch die Saitenspannung (70 Kilo) standzuhalten. Den Härtetest bestand die Decke, doch dann schlug ein herabfallendes Werkzeug eine kleine Delle in die blanke Fläche. Mit einem eingeklebten Span war der Schaden jedoch schnell behoben.
Millimeterarbeit mit der Ziehklinge
Beim Zargenbiegen mit einem heißen Eisen geriet der Instrumentenbauer ins Schwitzen, galt es doch die Form in zwei identischen Varianten spiegelverkehrt herzustellen. „Viel Lehrgeld habe ich beim Lackieren bezahlt“, erinnert sich Schaller. Insgesamt 15 Schichten des Lacks auf Wasserbasis trug er auf, schliff und polierte die einzelnen Schichten bis das Instrument in perfektem Seidenglanz spiegelte. Nicht nur viel Zeit, auch rund 2000 Euro für das Material hat Schaller investiert. Doch angesichts von Preisen um die 5000 Euro für ein hochwertiges Instrument könne sich die Bilanz sehen lassen.
Konzert mit dem neuen Instrument
Auch nach elf Monaten in der Werkstatt hat der Realschullehrer die Freude an der handwerklichen Arbeit nicht verloren. Kaum hat er das gelungene Gesellenstück in Händen, plant er schon für das nächste Instrument, das ihm sicher doppelt so schnell von der Hand gehen werde. Sogar ans Verkaufen seiner Unikate denkt Schaller. „Die Kinder sind aus dem Haus, im Beruf läuft's, da suche ich mir neue Herausforderungen“, meint er.
Eine Premiere besonderer Art wird für ihn das erste Konzert mit dem selbst gebauten Instrument demnächst in der ehemaligen Synagoge in Lichtenfels sein.