Nachstellung. Das war es, weshalb ein 30-jähriger Mann am Amtsgericht verurteilt wurde. Obgleich der Mann bislang völlig unbescholten war, sah das Gericht keinen Spielraum für eine Geldstrafe mehr. Vier Monate Haft auf Bewährung sprachen eine deutliche Sprache.
„Ich lege eh Berufung ein“, äußerte der aus dem Würzburger Raum angereiste Angeklagte, der juristisch beschlagen ist, während einer Verhandlungspause zu dem wohl auch von ihm gemutmaßten kommenden Urteil. Immer wieder ließ er während der von Richterin Daniela Jensch geführten Verhandlung durchblicken, dass er die von ihm begangenen Vorfälle als nicht so schwerwiegend erachtete. Das und viele weitere Äußerungen und Verhaltensweisen trug während der mehrstündigen Prozessdauer mitunter sehr selbstgefällige Züge.
Es ging um eine Beziehung, die im Januar 2020 beendet war. Zumindest sah seine einstige Freundin diese auch vor dem Hintergrund eines Alkoholproblems des 30-Jährigen als beendet an und wünschte keinen weiteren Kontakt mehr. Eben dem kam der Mann nicht nach und schrieb die Frau auf einer öffentlichen Internet-Plattform an. Als sie sich das dort verbat, wechselte er die Plattform und schrieb erneut. Doch das Problem dabei war nicht nur, dass er schrieb, sondern auch, dass er im öffentlichen Bereich der Plattformen schrieb. Dabei erging er sich in durchaus belehrendem Ton in Vorwürfen, in Ratschlägen, in Selbstmitleid und nicht selten auch in ehrverletzenden Formulierungen. Wie sehr, dass wurde gegen Ende der Verhandlung klar, als Richterin Jensch 20 Minuten lang eine Reihe von E-Mails verlas, die eine deutlich geschmacklose Sprache sprachen.
Aus der unteren Schublade
Als „niederträchtig“, „geistig limitiert“ oder „geldgierig“ bezeichnete er seine einstige Freundin, der er bescheinigte, dass sie ihre „Weiterbildung sowieso nicht schafft“. Immer wieder schrieb der Mann der einstigen Freundin aber auch davon, dass sie nicht bemerke, wie sie von ihrer Familie als billige Arbeitskraft ausgenutzt würde. Was es mit dieser Arbeitskraft auf sich hatte, sollte sich zeigen, als die Mutter der 25-Jährigen in den Zeugenstand trat. Eine schwerkranke Frau, die der Unterstützung ihrer Tochter bedurfte. Der schrieb er gar, ob sie ihre Tochter „ins Grab mitnehmen wolle“.
Auch im Studium nichts gelernt
Jedenfalls erhielt der Angeklagte mehrere und deutliche Signale seiner Ex-Freundin, sich nicht mehr zu melden. Doch er schrieb weiter, dutzendfach, hundertfach. Bis die Polizei am 15. April bei ihm vor der Tür stand und ihn darauf hinwies, dass er das zu unterlassen habe. Seine Reaktion: neue Mails gleichen Inhalts. Auch von Briefen war die Rede. Der Kritikpunkt, den der Angeklagte mit Jurastudium gegen den Prozess selbst vorbrachte, war von Uneinsichtigkeit getragen. „Ich finde es allgemein nicht richtig, dass wir hier sitzen“, erklärte er an einer Stelle und an einer anderen sagte er: „Ich weiß nicht, mit welcher Intention Anzeige erstattet wurde.“
Auch beschwerte sich der Mann darüber, dass die Polizei ihm an jenem 15. April „an der Haustür in bloßstellender Weise“ vom Kontaktverbot erzählt hatte und erging sich auch darin, seiner Ex-Freundin und ihrer Familie einen „Racheakt“ zu unterstellen. Auch Staatsanwalt Alexander Brandt brachte er bisweilen gegen sich auf. Es ging um sein Recht, während der Verhandlungen Fragen an die gegen ihn aussagende und als Zeugin auftretende einstige Freundin zu stellen. Doch statt Fragen zu stellen, nutzte er die Möglichkeit für andere Verlautbarungen und krude Theorien. Das brachte ihm seitens Brandt eine Rüge ein, zu der er sich impulsiv echauffierte.
Doch was machte die ganze Sache eigentlich mit der einstigen Freundin? Die im Angestelltenverhältnis stehende Frau berichtete davon, gar bedroht worden zu sein. „Er hat mir geschrieben, dass er mir meine Arbeit, meinen Job wegnimmt.“ Über Monate hinweg habe sie Ängste ausgestanden und es gebe heute noch Orte und Gegenden, die sie nicht mehr betritt, aus Angst, dem einstigen Freund dort zu begegnen. Blickkontakt, das war auffällig, suchte die junge Frau zu ihrem einstigen Freund während der gesamten Verhandlung über nicht.
Fadenscheinige Entschuldigungen
Zwar sollte sich der Mann dann und wann auch entschuldigend gegenüber der einstigen Freundin bzw. Mutter äußern, aber er tat es „nie vorbehaltlos“, wie Jensch einmal anmerkte. Immer schwang ein Aber mit, ein Sich-selbst-Freisprechen. Letztlich plädierte er für sich auf Freispruch oder zumindest auf Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage. Was schwer gegen ihn wog, war eben auch die mangelnde Reue bzw. dass ihm niemand eine Reue abnahm. „Er hat Entschuldigungen ausgesprochen, die ich ihm nicht glaube“, so Brandt in seinem Plädoyer. Er sah ein „massives Einwirken“ auf die Lebensqualität der 25-Jährigen gegeben und das wurde von dem Angeklagten mit einem hämisch wirkenden Grinsen quittiert, das in Richtung der einstigen Freundin ging.
Spielraum für eine Geldstrafe sah Brandt nicht mehr, er hielt eine Freiheitsstrafe für angebracht. Für sieben Monate zur Bewährung sprach er sich aus, für eine zweijährige Bewährungszeit und 1000 Euro Geldauflage. Dem schloss sich die Nebenklagevertreterin, Jessica Andrea Gralher, an. Die Rechtsanwältin hielt dabei fest, dass ihre Mandantin die Entschuldigung des Mannes nicht annehme. „Man kann nur vom anderen Verzeihung bekommen, man kann sich nicht selbst entschuldigen“, hielt sie ihm noch vor.
Das von Jensch gefällte Urteil sollte auf vier Monate Haft zur Bewährung ausfallen, auf 1000 Euro Geldauflage und auf eine dreijährige Bewährungszeit. In ihrer Urteilsbegründung wies Jensch darauf hin, dass bei dem 30-Jährigen „sämtliches einsichtiges Verhalten fehlt, deshalb kann es mit einer Geldstrafe kein Bewenden haben“. Und weiter: „Die Frau hat alles versucht (…) und Ihnen klar zu verstehen gegeben, dass sie keinen Kontakt wünscht. Auch als die Polizeibeamten Sie aufgesucht haben, hat Sie das unbeeindruckt gelassen. Aber wenn die Polizei schon vor der Tür steht, spätestens dann muss doch mal Schluss sein.“ Die Reaktion des Mannes auf das Urteil: er unterstellte Verfahrensfehler.