Die Firma Baur Fulfillment Solutions (BFS) wird ihre Logistik-Sparte in Weismain schließen. Das teilten BFS-Geschäftsführer Michael Maier und Betriebsratsvorsitzende Doris Forster den rund 400 Beschäftigten am Montag bei vier Mitarbeiterversammlungen mit. Hintergrund ist die Kündigung des Großkunden s.Oliver zum 30. April 2025. „Die intensiven Bemühungen um eine wirtschaftlich sinnvolle und tragfähige Anschlussbeschäftigung für die auslaufende s.Oliver-Abwicklung haben den erwünschten Erfolg nicht gebracht“, erklärte der Vorsitzende der Baur-Geschäftsführung Stephan P. Elsner im Gespräch mit dem Obermain-Tagblatt.
Callcenter nicht betroffen
Betroffen seien rund 400 Mitarbeiter in der Logistik. Für die 300 Kolleginnen und Kollegen im Customer Service (Callcenter) und im Finance Service gehe es weiter, weil dort längerfristige Verträge bestehen. Im Callcenter laufen sie noch zwei Jahre. Bereits am Dienstag hätten die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessensausgleich und Sozialplan begonnen. Ziel sei ein Ergebnis bis Weihnachten. „Ich bin zuversichtlich, dass wir für die Betroffenen eine gute und einvernehmliche Lösung finden“, betonte Elsner. Parallel dazu werde versucht, einen Teil der Arbeitsplätze zu erhalten oder eine neue Beschäftigung in Logistikunternehmen der Region zu ermöglichen.
Der Großkunde s.Oliver hat den Vertrag mit BFS für Ende April gekündigt, um seine Logistik künftig selbst abzuwickeln. „Das war eine strategische Entscheidung und hat nichts damit zu tun, dass der Kunde unzufrieden gewesen wäre“, betonte Elsner. Schließlich habe man dank der guten Leistung von BFS 14 Jahre lang zusammengearbeitet.
Ausrichtung auf einen Kunden

Wegen der Wirtschaftsflaute und der daraus resultierende Kaufzurückhaltung, die alle Firmen treffe, sei es nicht gelungen, neue Kunden zu gewinnen. „Wer jetzt einen Logistik-Anbieter hat, scheut das Risiko und die mit einem Wechsel verbundenen Kosten“, so der Baur-Chef. So seien aussichtsreiche Verhandlungen mit einem Interessenten daran gescheitert, das der überraschend erst 2027 zu BFS wechseln wollte. Eine Überbrückung durch Kurzarbeit sei für einen so langen Zeitraum jedoch nicht tragbar. Hinzu komme der Kapazitätsausbau vieler Logistiker während der Pandemie. Und auf Dumpingpreise könne sich BFS nicht einlasen: „Auch wenn ich nur zehn Cent Verlust pro Sendung einkalkuliere, wären das bei einer Stückzahl von 20 Millionen Sendungen im Jahr rund zwei Millionen Euro.“
Das Problem der vor 20 Jahren gegründeten BFS sei die Ausrichtung auf einen Kunden gewesen. Wäre es gelungen, mehrere mittelgroße Kunden zu gewinnen, hätte das Risiko verkleinert werden können. Dabei schreibe BFS mit einem Jahresumsatz von rund 60 Millionen Euro schwarze Zahlen. Und vor zwei Jahren habe man Mitarbeiter aus Polen und Tschechien angeworben, um die Auftragsflut abzuarbeiten.

Auch aus der Otto Group seien keine Nachfolgeaufträge in Sicht, da die meisten Schwester-Unternehmen bereits ihre Logistik innerhalb des Konzerns vergeben hätten, bis auf einige kleine Marken wie Franconia.
Umsatz-Minus bei Baur-Gruppe
Vor diesem Hintergrund werde die Baur-Gruppe das Logistikgeschäft nicht weiter ausbauen, zumal die Auftragslage für die Baur-Logistik in Sonnefeld ebenfalls schwierig sei. Dort bestehe allerdings der Vorteil, dass der Automatisierungsgrad höher ist als in Weismain, was einen Kosten- und Zeitvorteil bringe. Die Zukunft liege in hochmodernen Betrieben wie dem vollautomatischen Shuttle-Lager von BHF in Altenkunstadt.
Auch die Baur-Gruppe insgesamt habe ein sehr schwieriges Jahr hinter sich und werde den Umsatz des Vorjahrs wohl nicht halten können, erklärte Elsner auf Nachfrage. Während die das Modegeschäft wieder anziehe, schwächele vor allem der Möbel- und Wohnbereich.
Tränen bei Versammlung
Tränen flossen bei den Versammlungen wie Betriebsratsvorsitzende Doris Forster mitteilte. „Es ist ein schwarzer Tag für die betroffenen Kollegen, für die ganze Baur-Gruppe und der schwerste Tag meiner Amtszeit“, sagte sie. Eine Kollegin habe gesagt: „Ich verliere nicht nur meinen Arbeitsplatz, sondern auch meine Familie.“
Für den Betriebsrat sei die Schließung besonders schmerzlich, weil die BFS-Beschäftigten immer besonders zuverlässig, engagiert und flexibel gearbeitet hätten. „Es war einer der besten Logistik-Standorte im Konzern, weil die Kollegen nicht nur hart gearbeitet, sondern auch Probleme gelöst und immer geholfen haben, wenn es erforderlich war“, betonte sie. Betroffen sei ein Betriebsteil mit einem hohen Anteil von Mitarbeitern mit Beeinträchtigungen, die aus der Region stammen.
Der Betriebsrat setze nun alles daran, einen Sozialplan und Interessensausgleich mit so großzügigen Bedingungen wie er jüngst für die Kollegen der Baur-Logistik in Sonnefeld erreicht wurde, zu erarbeiten. Vor allem die Kollegen, die schon länger im Betrieb und entsprechend älter sind, gelte es abzusichern. Die Kündigungsfristen seien entsprechen der Betriebszugehörigkeit bis zu sieben Monate lang.
Zuversichtlich ist sie für die Baur-Logistik insgesamt trotz der schwierigen Wirtschaftslage: „Unser Standort ist optimal, allerdings läuft das Geschäft in der Textilbranche momentan schlecht.
Über BFS Das Tochterunternehmen der Baur-Gruppe mit Sitz in Weismain bietet seit 20 Jahren für Firmen außerhalb des Baur-Mutterkonzerns Otto Group Logiststik-Dienstleistungen. Beschäftigt werden zurzeit insgesamt 700 Mitarbeiter. In den drei Geschäftsbereichen Customer Service, Logistik Service (400 Mitarbeiter) und Finance Service wickeln sie nicht nur den Warenumschlag der Kunden ab, sondern bewältigen auch den Kundenservice, Produktberatung und Bestellungsannahme bis hin zur Zahlungsmanagement und IT-Lösungen. Hauptkunde war die Modemarke s.Oliver mit Töchtern wie Comma und Liebeskind.